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belehrenden Erholung ausgeschlossen, während Sonntags nur Dozenten, Studirenden und ausnahmsweise auch Fremden auf besondere Erlaubniß der Eintritt gestattet ist. Einzelgesuche um Offenhaltung des Gartens auch an Sonntagen wurden bisher mit dem Bemerken abgelehnt, daß das Gartenpersonal auch seine verdiente Ruhe genießen wolle, andererseits aber doch der Besuch nicht ohne jede Beaufsichtigung gestattet sein könne. In voller Würdigung dieses Grundes scheint uns doch, daß eine Zugäng­lichkeit wenigstens am Vormittag des Sonntags sich wohl durch- stadt wohnen, die sich eines derartigen populären Instituts für führen ließe, einmal da die Inspizirung des Gartens durch eine, höchstens zwei Personen genügen dürfte, wenn deren Aufmerksam feit nicht, wie an Wochentagen noch von botanischen oder gärt nerischen Arbeiten in Anspruch genommen wird, vor allem aber dürfte sicher sein, daß grade diejenigen Leute, welche nach an­gestrengter physischer Arbeit sechs Tage hindurch am siebenten Lust haben, an diesem Ort Belehrung zu suchen, am weitesten davon entfernt sind, bei nicht beständiger Beaufsichtigung Unfug zu begehen. Hat man doch grade an Wochentagen Gelegenheit, Mißbräuche zu beobachten! Einzelne Ruheplätze, die doch eigent­lich zur Benuzung für die durch das Herumwandern und Be­sichtigen Ermüdeten bestimmt sind, findet man gewöhnlich halbe Tage lang von, endlose Strümpfe strickenden, aus unerschöpflichen Vorräthen Kuchen speisenden, unaussprechlich wichtigen Klatsch wiederkäuenden Gevatterinnen besetzt; zuweilen auch kann man bemerken, daß es weniger Flora, die Göttin ist, welche den jungen Mann nach diesem ihr geweihten Revier zieht, als Fräulein Flora, vielleicht auch Rosa, schlichtweg, welche auf der Ruhebant unter der Trauerweide über die Zeilen ihres zierlich rothgebundenen Gedichtbändchens hinwegschmachtet. Diese grad' an den Wochen­tagen mit unterlaufenden Allotria werden von dem Direktor nicht nur in humaner Weise als schwer zu hindernde Dinge mit in den Kauf genommen, sie halten ihn auch nicht ab, sowohl un­

ermüdlich die Einrichtungen des Gartens immer instruktiver zu gestalten, als auch in den öffentlichen Blättern von Zeit zu Zeit auf Veränderungen, bemerkenswerthe Neuheiten, oder die gerade auf der Höhe der Entwicklung stehenden Abtheilungen des Gartens aufmerksam zu machen. In vielen Fällen ist er selbst ein freund­licher Führer für den Garten besuchende Vereine und Gesellschaften, denen er Hervorragendes durch eingehenden Vortrag erläutert. Viele Leser, welche nicht in einer großen oder Universitäts­Naturkunde erfreuen, wie das geschilderte, werden die Frage auf­werfen, ob denn nicht auch anderwärts solche Anlagen hergerichtet werden könnten? Drei wesentliche Dinge gehören freilich dazu: Geld, eine Leitung, die Kenntnisse mit gutem Willen vereint und Ausdauer. Bei dem breslauer botanischen Garten wird das erstere zwar abgezweigt von der Dotation der Universität( der Etat des Gartens beträgt jährlich etwa 20 tausend Mark), aber für zunächst bescheidenere Verhältnisse würde sich auch in kleineren Kommunen schließlich ein Fonds disponibel machen lassen, wenn man nach andern Seiten weniger rasch wäre, Gelder ohne nach­haltigen Zweck zu verpuffen. Schon vorhandene öffentliche Pro­menaden und Gärten lassen sich allmälich auch dem Belehrungs­zweck dienstbar machen, wie das der Vorgang der breslauer Pro­menade zeigt, wo Etiquette über Namen, Herkunft und etwaigen nicht allgemein bekannten Nuzen oder Verwendung von Bäumen und anderen Gewächsen Auskunft geben, welchem Vorgang Gör­lit, unter dem Einfluß der dortigen naturforschenden Gesellschaft, sowie auch kleinere Städte gefolgt sind. Mit gutem Willen von maßgebender Seite läßt sich eben viel thun für populäre Bil­dung; aber auch durch Ausdauer im festen Begehren von als gut und nüßlich erkannten Einrichtungen von seiten des Voffes, damit kann schließlich auch dort etwas erreicht werden, wo kein sachverständiger, guter Wille entgegenkommt!"

Tschungkuë, das Reich der Mitte.

Studie von Maximilian Dittrich.

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( II. Camoëns, Kleczkowski und Richthofen über China . Reformatoren und Agitatoren. Chinas glänzendste Kulturepoche. Seine größten Dichter. Ein Vernichtungskrieg gegen die chinesische Wissenschaft. Tschuhi, der Fürst der Literatur, und Matwanli, der größte Ency klopädist. Wissenschaftliche und Kunstleistungen der Chinesen. China marschirt nicht an der Spiße der Kulturvölker.- Gin kaiserliches Testament und eine radikale Denkschrift. Keime ächter Kultur.)

Ein schönes Reich vom Ruhm genannt Ob seines Reichthums ungeahnter Wucht, Chinas Gebiet, das bis zur falten Zone Vom heißen Wendegürtel trägt die Krone.

Also sang der größte Dichter der Portugiesen, der, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, ausgiebige Gelegenheit hatte, das Himmlische Reich kennen zu lernen: Camoëns .

Auch lebende Kenner Chinas stimmen in den Lobgesang des großen Portugiesen ein. So z. B. der Graf Kleczkowski, der in einem vor wenigen Jahren erschienenen Werke Chinas Ver­hältnisse schildert, seine günstige Lage, seine Fruchtbarkeit an Feldfrüchten, insbesondere an Reis, dem Hauptnahrungsmittel des chinesischen Volks, an Thee , Seide, Lein, Hanf, Baumwolle, Tabak, Zucker, seinen ungeheuren, noch fast ganz unerschlossenen Reichtum an Steinkohlen und Mineralien aller Art.

China ist nach Kleczkowski das reichste Land der Welt, seine Industrie sei bewundernswürdig, das handarbeitende Volt in China entwickele einen Fleiß und eine Ausdauer, selbst bei der härtesten Arbeit, ohne Beispiel, es habe die geringsten Be­dürfnisse, die man sich nur denken könne, hege die höchste Achtung gegen Vorgesetzte, liebe Ordnung und Friede, sei auf das höchste zuverlässig u. s. w.

Aehnlich, wenn auch nicht so enthusiastisch, sprechen sich andre Chinaforscher aus, so z. B. der berühmte deutsche Reisende Baron von Richthofen, der sich zwar für die gegenwärtigen Zustände des himmlischen Reichs keineswegs erhitzt, aber für eine garnicht ferne Zeit dem chinesischen Volke eine große Zukunft verheißt.

Wenn das chinesische Volt sich so entwickelt hätte, wie man es in Rücksicht auf seine alte und hohe Kultur hätte erwarten dürfen, so müßte es uns Abendländern nicht nur in jeder geistigen Beziehung gleichstehen, sondern unabsehbar voraus sein.

Sechshundert Jahre vor Christi Geburt hatte China nicht nur seine großen religionsphilosophischen Reformatoren, wie Konfutse und sein Schüler Mengtse, sondern Gelehrte in reicher Anzahl in den verschiedensten Wissensgebieten, ja sogar schon sozialistisch­kommunistische Agitatoren, deren größte und einflußreichste die beiden Gegner des Mengtse sind, mit denen er polemische Schriften gewechselt und große Disputationen abgehalten hat, nämlich Heuhing, der die Sache der regierten Handarbeiter gegenüber den regierenden Kopfarbeitern vertrat und selbst der erhabenen Stellung des kaiserlichen Himmelssohnes zum Trotz von der Gleichheit aller Menschen sprach, und der originelle Mitse, welcher völlig kommunistische Wirthschaftsorganisation auf dem Grunde allgemeiner Menschenliebe aufgeführt sehen wollte.

Wie weit die Morallehren der religiösen Reformer damals sich in der Handlungsweise der chinesischen Volksmasse wider­gespiegelt haben, läßt sich des genaueren heute noch ebensowenig feststellen, als sich die Frage beantworten läßt, wieweit das chinesische Volk damals der Schäße des gelehrten Wissens theil­haftig geworden ist oder wie zahlreich der Anhang der sozialistisch­kommunistischen Lehren des Heuhing und Mitse und wie be rechtigt oder unberechtigt durch den Stand der allgemeinen Geistes­und Charakterbildung dieser Lehren Inhalt war.

Weit näher und unserm Urtheile offener liegt eine spätere Blüteepoche der chinesischen Kultur, die in die Zeit vom 10. bis zum 14. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung fällt.

Am Ende des achten Jahrhunderts nach Chr. waren Araber nach Südchina gekommen und mochten lebhaft anregend gewirkt haben durch das, was sie, deren glanzvollste Kulturepoche unter der Herrschaft der Kalifen aus dem Hause des Abbas eben an­gebrochen war, an Wissenschaft und Kunstsinn mitgebracht.

Die politischen Zustände vor dieser Zeit waren einer raschen und glücklichen Kulturentwicklung überaus günstig gewesen. Am Ausgange des sechsten Jahrhunderts hatte Kaotsurenti das im dritten in drei große und im vierten Jahrhundert in noch mehr kleinere Herrschaften zerfallene Reich unter seiner Kaisermacht wiedervereinigt. In den darauffolgenden 150 Jahren erhielt sich die Einheit nicht nur, sondern die Kaiser der Thangdynastie ver mochten sogar, ihre Macht über ganz Centralasien auszubreiten.