verkrüppelt und es gehen jährlich wenigstens 34-35 Millionen Dollars aus dem Lande."

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Man könnte meinen, der oppositionslustige Chinese übertreibe, die Zustände seien nicht so schlimm, wie er sie schildert. Dem ist aber nicht so; die Berichte unparteiischer europäischer Beobachter, welche viele Jahre in China gelebt haben, lehren, daß von Ueber treibung keine Rede ist, im Gegentheil, jener Chinese sieht mancherlei furchtbare Uebelstände lange nicht mit so schlimmem Auge an, als wir das thun würden, weil die Macht der Gewohn­heit ihm eingewurzelte Uebel, wie die haarsträubende chinesische Rechtspflege, in bei weitem milderen Lichte erscheinen läßt, als uns, die wir ähnlich barbarische Institutionen glücklich über­wunden haben. In China wird noch gefoltert; die Verbrecher werden mit Strafen belegt, an die man nur zu denken braucht, um sich von Schaudern ergriffen zu fühlen; da werden lebendigen, bei vollem Bewußtsein befindlichen Menschen Brüste abgeschnitten, Muskeln ausgelöst, Finger und Zehen abgezwickt, Arme zermalmt, Ohren verdreht, die Hände zwischen Bretter festgenagelt und was der unsagbaren Greuel mehr sind.

Solche Strafmittel zeugen denn doch unwiderleglich davon, daß im Charakter des chinesischen Volkes eine Roheit zurück geblieben oder wieder eingezogen ist, die sich mit wahrer Kultur nie und nimmer verträgt. Aber nicht nur roh ist das chinesische Volkes ist auch feig. Die Engländer hätten sich nun und nimmer in den Häfen einnisten, ein englisch - französisches Heer nicht Peking , die gewaltige Reichshauptstadt, einnehmen, die Russen im Norden Chinas nicht ein Gebiet nach dem andern an sich reißen können, wenn die Mehrheit des chinesischen Volkes aus Männern bestände, statt aus Memmen.

Daß die Feigheit der Chinesen von christlichen Missionären als die Tugend unverwüstlicher Friedensliebe gepriesen wird, finde ich allerdings sehr christlich; mit Vernunft und Kultur aber hat eine Tugend nichts zu thun, welche dem, der sie übt, nichts ein bringt, als Mißhandlung, Schmach und Nachteil aller Art.

Noch eine Tugend der Chinesen gereicht ihnen zum Fluche. Das ist die Tugend der Genügsamkeit und Bedürfnißlosigkeit. Der Chinese arbeitet wie ein Pferd für den dritten Theil des Lohnes, welchen der mit ihm konkurrirende amerikanische oder sonstige, einem europäischen Kulturvolke angehörende, Arbeiter be­zieht. Dabei spart sich der Chinese noch in höchstens zehn Jahren ein für seine Begriffe stattliches Vermögen zusammen. Wie er

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das macht, werden die Leser fragen? Nun, John Chinaman, wie ihn der Amerikaner nennt, qt eben genügsam". Zur Woh­nung genügt ihm ein Loch, schmutziger, raumbeschränkter als ein Schweinstall; als Nahrung nimmt er, was er findet, wenn's nichts andres ist: Schnaken und Regenwürmer, Mäuse und Ratten. Geistige Bedürfnisse hat er garnicht. Da kann er natürlich bei einem Dollar Arbeitslohn und darunter sehr bequem in einem Jahre 100 Dollars sparen. Daß er bei seiner übermäßig an­gestrengten Körperarbeit geistig und sittlich verkommt, ist ihm gleichgiltig.

Wenn es den Chinesen nicht gelingt, sich ihrer Friedensliebe und ihrer Genügsamkeit baldigst zu entledigen, werden sie über kurz oder lang nichts besseres sein, als die Packesel der Kultur; sie werden zu einer Art von menschlichen Arbeitsmaschinen hinab­sinken, welche von den andern Völkern der Erde, hauptsächlich natürlich von den herrschenden Klassen derselben, wie die Sklaven der alten Welt ausgebeutet werden dürften.

Glücklicherweise ist hier und auch in China ein Wiederaufleben. ächter Kulturbestrebungen zu bemerken. Von dem thörichten Ver­barrikadiren gegen die europäische Kultur kommen die Chinesen, wenn auch sehr langsam, doch mehr und mehr zurück. Vereinzelte Chinesen erscheinen auf europäischen und amerikanischen Universi­täten; schon gibt es etliche chinesische Gelehrte, welche sich beeifern, die chinesischen Wissenschaften und Künste durch Bereicherung mit den europäischen Entdeckungen und Erfindungen zu vervoll­kommnen. Die Bemühungen der chinesischen Regierung, sich durch Reorganisation ihrer Armee widerstandsfähiger und das Volk mannhafter zu machen, sind in neuester Zeit ernstlicher geworden; sie läßt gute geographische Kartenwerke anfertigen und mehr­bändige Schriftwerke über die jüngsten europäischen Kriege von ihren Mandarinen abfassen, so über den deutsch - französischen Krieg von 1870. Man weiß davon, daß im chinesischen Volke Be­strebungen und Geheimbünde bestehen, welche gründliche Gesell­schaftsreformen bezwecken, und was dergleichen mehr ist.

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All das aber sind doch bestenfalls erst schwache Keime einer wahren Kultur, theilweise nur sehr unsichere Andeutungen, daß das chinesische Volk dereinst das Gewicht seiner ungeheuren Anzal in die Wagschale der Völkergeschicke zu Gunsten der modernen Kultur werfen will. Was wäre aber für die Menschheit gewonnen, wenn im bevorzugtesten Welttheile 4 bis 500 Millionen sich zu raschem Kulturfortschritte aufrafften?!

Mein Freund, der Klopfgeist.

Eine Spiritisten geschichte aus dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts. Von H. E.

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( IX. Der Brief meiner Mutter. Bas um Mitternacht des 30. De­zembers 1853 geschah.)

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Eine Thatsache ja! Ich öffnete mein Pult und die Briefschatulle darin und nahm einen Brief meiner Mutter heraus, den ich erst gestern empfangen hatte.

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Die Mutter schrieb in ihrer geisthaschenden, gesucht ungesuchten Weise über alles und nichts: über Winter und Wetter, über das Eislaufen, dessen sie in Mailand entbehren müsse, wo sie sich eben zum Besuche einer dort verheirateten ehemaligen Kollegin aufhielt, von ihrer Absicht, irgendwohin nach Holland oder auch nach Danzig zu gehen, um jene ihr jetzt so unentbehrliche Körper­bewegung recht zu genießen, vom Theater im allgemeinen und der Oper insbesondere, von meinen Studien und der Nothwen digkeit, daß ich bald Professor würde sie meinte, es müsse ihr, der wie die ewige Jugend selbst konservirten Matrone, un­gemein gut lassen, wenn sie von ihrem Sohne, dem Professor, sprechen könne; bedauerte, daß ich zu meinem Fachstudium nicht die Medizin erwählt, weil ich ihr dann jedenfalls helfen könnte, dafür zu sorgen, daß sie ihre Stimme nicht verlöre, empfahl mir aufs wärmste einen von ihr selbst soeben mit vieler Mühe erfundenen Champagner- Chokoladenpunsch, der unzweifelhaft die Krone aller Getränke sei, versicherte, sie hätte jetzt überhaupt furchtbar viel zu thun, ihre Kollegin habe nicht eine Spur daven gelernt, wie man ein großes Haus mache, ihr Mann sei ein Barveni, der zwei oder drei Millionen Francs mit seiner ersten Frau, der buckligen schwindsüchtigen Tochter eines Shawl- und Teppichhändlers erheiratet habe, nun richte sie den beiden un beholfenen Menschen ihre Villa ,, menschlich" ein, arrangire De­jeuners, Diners, Soupers, Bälle u. s. w. u. s. w., ergänze die

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Garderobe der Freundin in der unbedingt nothwendigen fashio­nablen Weise, zöge alle Männer von Geist, Gelehrte, Schrift­steller und Künstler in die Zirkel ihrer Gastfreunde, kurz, sie mache sich in aller nur denkbaren Weise verdient um dieselben und opfere sich rein auf.

Soweit hatte ich den Brief wieder überflogen. Ich wußte nicht, wo das stand, was ich suchte; auch zuerst hatte ich den Brief, wie ich es mit den Buschriften meiner Mutter immer zu thun pflegte, nur flüchtig durchgesehen und hatte ihn beiseite ge­legt, ehe ich noch völlig klar war, was sie mir alles mittheilte, weil es schon spät war und meine Braut mich sicherlich schon seit langeni erwartete.

Auf dem Wege war mir dann deutlich vor die Seele getreten, daß ich unter dem vielen andern eine Bemerkung über eine mir sehr wichtige und interessante Angelegenheit gelesen hatte und heute war mir auf einmal, als wenn ich ganz genau wüßte, was meine Mutter geschrieben und daß dieses nichts weniger sei, als die Bestätigung einer höchst auffälligen Thatsache.

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Unmuthig, daß ich solange und bisher so fruchtlos gesucht, schlug ich die letzten Blätter des langen Briefes um. Da fiel mein Auge auf die letzte der drei Nachschriften und wahrlich! - diese enthielt, was ich suchte. ,, Noch eins! Aber nun das allerlegte, guter Hans!" schrieb die Mutter. Du fragtest in einem oder in gar zwei Deiner früheren Briefe an, ob ich wüßte, was wohl in der Nacht des 30. Dezembers 1853 Deinem Vater und Dir geschehen sei. Ich konnte mic) auf nichts besinnen, deshalb schrieb ich in meinem letzten Brief nichts davon. Zufällig zeigt mir Olinda,"- das war der Theaterspizname der Freundin meiner Mutter

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