Der Dichter war durch diesen unerwarteten Tod des Vaters aufs schmerzlichste berürt und suchte im Umgange mit den alten Bekannten zu Berlin  , wohin er sich zu Anfang des Jares 1829 wante und hier in der wemütigsten Stimmung die Niederschrift seiner italienischen Reiseerinnerungen fortsetzte, Trost und innern Frieden. Es litt ihn aber auch diesmal in der Hauptstadt nicht lange; anfangs August weilte er schon wieder auf der Insel Helgoland  , welche er erst gegen Ende September verließ, um wieder nach Hamburg   zu gehen. Auf das unermüdliche Drängen seines Verlegers hin fürte er jetzt mit allem Fleiß und in über­großer Eile den dritten Band der Reisebilder" zu Ende, welcher um Neujar 1830 bei Campe erschien.

Auch dieses Buch erregte bedeutendes Aufsehen, fand aber, und selbst bei den intimsten Freunden des Verfassers, weniger Beifall, als der zweite Band. In der Tat kann man auch diesem dritten Bande der Reisebilder", trotz aller Trefflichkeit einzelner Abschnitte desselben und ungeachtet der zuweilen ergreifend schönen und von gefülswarmer Innigkeit getragenen Sprache, nicht den Wert zugestehen, wie den beiden vorhergehenden Bänden. Die Persönlichkeit des Dichters ist darin allzuoft aufdringlich in den Vordergrund gerückt, das Kokettiren mit der Schwere seines politischen Märtyrertums läßt in dem unbefangenen Leser gar zu leicht den Glauben aufkommen, daß der Dichter die fort und fort von ihm betonte Freiheitsidee nur wie einen Riesenbaum benutze, um daran die bald glührot leuchtenden, bald matt ge­dämpft schimmernden Lampions seiner Gefülsschwärmerei und all' das glänzende Flitterwerk seines Wizes zur Schau zu stellen, und gar zu unüberlegte Angriffe auf einzelne Persönlichkeiten, wie z. B. auf den Grafen Platen, der sich allerdings die Be­fedung seitens des ihm geistig ebenbürtigen Dichters verdient hatte, waren keineswegs geeignet, ein vorteilhaftes Licht auf den Charakter des fünen   Satirikers zu werfen.

Auch der dritte Band der Reisebilder" wurde in Preußen sofort nach seinem Erscheinen verboten, und sein Verfasser glaubte in der freien Reichsstadt" Hamburg   die beste Sicherheit für seine Person zu finden. Heine verweilte nun zwei Jare lang in Hamburg  , wo er bald in trübstem Mißmut, bald in wildester Ausgelassenheit dahinlebte und nur für das Studium der Geschichte der französischen   Revolution ein ernstliches Interesse hatte. Das Morgenrot einer besseren Zukunft schien endlich auf­zugehen. Auf Helgoland   erhielt Heine Mitte 1830 die Kunde von dem Ausbruch der Julirevolution in Paris  . Eine namen­lose Begeisterung ergriff den Dichter: Lafayette, die dreifarbige Fane, die Marseillaise  !" rief er aus. Ich bin wie berauscht. Küne Hoffnungen steigen leidenschaftlich empor, wie Bäume mit goldenen Früchten und wilden, wachsenden Zweigen, die ihr Laub­werk weit ausstrecken bis in die Wolken.... Ich weiß jest wieder, was ich will, was ich soll, was ich muß. Ich bin der Son der Revolution und greife wieder zu den gefeiten Waffen, worüber meine Mutter ihren Zaubersegen ausgesprochen."

Es ist bekannt, welch' eine bittere Enttäuschung der begeisterten Hoffnung von damals folgte. Nichtsdestoweniger vollendete Heine in Hamburg  , wohin er Ende August zurückgekert war, ein Buch, in welchem er ernsthafter als in seinen legten Publikationen die großen Fragen der Zeit behandelte und der religiösen und poli­tischen Freiheit begeistert das Wort redete: die Nachträge zu den Reisebildern", welche anfangs Januar 1831 erschienen.

Erbittert, daß die Rückwirkung der Julirevolution auf Deutsch­ land   nicht einmal die Aufhebung der verabscheuten Censur zuwege gebracht hatte, mißmutig über neue Berwürfnisse mit seinem Oheim, bekümmert um seine äußere Existenz, hoffend, an der Wiege der Revolution" freier und erfolgreicher wirken zu können, gedieh Heine's früherer Plan einer Uebersiedlung nach Paris   jetzt zur Reife. Der Entschluß wurde ausgefürt, und auf dem Wege über Frankfurt  , Heidelberg  , Karlsruhe  , Straßburg   gelangte der Dichter nach der französischen   Hauptstadt, wo er am 3. Mai 1831 eintraf.

Die ersten pariser Eindrücke auf Heine waren die denkbar günstigsten. Das noch immer in hohen Wogen flutende öffent­liche Leben der Hauptstadt närte seine Zukunftshoffnungen, der Lebenslustige Sinn der Bevölkerung, das muntere Treiben in den Hauptadern des Verkers, in den Restaurants und Salons ver­setzte auch ihn in freudige Stimmung. Bevor er sich in einen näheren Verker mit den geistigen und gesellschaftlichen Notabili täten einließ, forschte und beobachtete er scharf und genau, und im Buchladen von Heideloff und Campe war es zuerst, wo er die Bekanntschaft mit manchen der damals in Paris   weilenden

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deutschen literarischen Größen machte, so mit Alex. v. Humboldt  und dem Satiriker Saphir  .

Der unglückliche Ausgang der Julirevolution und die Hal­tung, welche die europäischen   Kabinette der letzteren gegenüber eingenommen, hatten die Erbitterung Heine's gegen die verrotteten politischen Zustände bis zum höchsten Grade gesteigert, und er beschloß jezt, trotz aller Manungen zur Mäßigung und Vorsicht, die ihm sein hamburger Verleger Campe erteilte, so laut und eindringlich, wie möglich, der alten Dame Europa   seinen Protest gegen ihren politischen Unfug ins Gesicht zu schleudern. Der Umstand, daß er seiner Meinung in dem damals bedeutendsten deutschen politischen Blatte, in der Allgemeinen Zeitung  "( die jezige Augsburger Allgemeine  "), die vor allem nach oben hin" die größte Vorsicht beobachten mußte, dafür aber auch seinen Artikeln das meiste Gewicht und die allseitigste Beachtung sicherte, Ausdruck verlieh, zwang ihn, diese Meinung vorerst in ein möglichst wenig verräterisches Gewand zu kleiden. Bald aber ertrug er den Zwang, den er sich dabei auferlegte, nicht mehr, und die weiteren Beiträge tragen in Stil und Farbengebung ächt heine'sches Gepräge. Fragen wir nach dem Inhalt dieser Berichte, so ist zu sagen, daß sie eine, aus der auf eigene Faust übernommenen Mission eines Vermittlers zwischen dem deutschen  und französischen   Geiste hervorgehende kosmopolitisch- demokratische Tendenz hatten, vor allem den lächerlichen Uebermut und die völlige Nichtigkeit der herrschenden Bourgeoisie", welche in gröbstem Egoismus nur auf die Sicherheit ihrer Schlafmüze und die un­gestörte Behaglichkeit ihres Erwerbs bedacht war, blosstellten und den Julikönig" Ludwig Philipp wegen seines ungewissen Umher­taſtens und kraftlosen Schwankens zwischen liberalen und absolu­tistischen Ideen, sowie wegen seiner kleinmütigen Sorge um Fülung mit den übrigen europäischen   Kabinetten zum Nachteil des frei­heitlichen Fortschritts auf das energischste bekämpften. Dabei ist Heine jedoch kein Republikaner  " im strengen Sinne des Wortes gewesen, sondern eben nur ein für die Gerechtigkeit und Freiheit begeisterter Mann. Mit einer demokratischen Monarchie, in der Adel und Pfaffheit das Volk nicht mehr am Gängelbande füren und ihm die Augenbinde anlegen könnten, sondern in welcher vielmehr der jeweilige Regent einzig und allein der Repräsentant des Volkswillens, gewissermaßen die Personifikation des letzteren ist, mit einer solchen Monarchie wäre Heine schon zufrieden ge­wesen. Und so sehr Heine im Grunde seines Herzens demo­kratischer Gesinnung sich zuneigte, vermied er doch möglichst den Umgang mit den von einem grausamen Schicksal vernachlässigten niederen Schichten des Volks, und riß seine Wize, wenn Ludwig Börne  , der schon vor Heine   in Paris   seinen Aufenthalt genom­men, deutsche Arbeiter um sich versammelt hatte. Heine war ein Menschenfreund durch und durch, er focht mutig für des Volkes Wol, aber er hatte eine stolze Scheu, seine kleinen, aristokratischen Hände in die harten, schwieligen der Arbeiter zu legen, und wir denken, die letteren werden ihm ob dieser nebensächlichen Schwäche nicht allzusehr zürnen.

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Die heine'schen Korrespondenzen erregten nicht allein bei ver­schiedenen politischen Parteien, sondern auch bei der deutschen   und französischen   Regierung bedeutende Aufmerksamkeit, und der Autor, der sich fortwärend von Spionen umringt glaubte, schwebte in beständiger Angst, gleich so vielen politischen Flüchtlingen arretirt oder sogar aus Frankreich   verwiesen zu werden. Daher verheim­lichte er auch geflissentlich seine Wonung, und diese war zumeist nur seinen intimsten Freunden bekannt. Metternich und Genz, obgleich sie für die heine'schen Gedichte schwärmten, erkannten vor allem die Gefärlichkeit jener Berichte, die die französischen  Umsturzideen" einzufüren versuchten. Schlau, wie er war, ließ Metternich durch Genz einen vertraulich freundschaftlichen Brief an den Verleger der an den Verleger der Allgemeinen Zeitung  ", Baron Cotta, schreiben, der zur Folge hatte, daß der durch das Verbot vieler anderen Zeitungen ängstlich gemachte alte Baron Heine ver­anlaßte, seine Korrespondenzen einzustellen. Heine   hatte darauf hin nichts eiligeres zu tun, als seine Berichte, nach mancherlei Chikanen seitens der Zensur, unter dem Titel" Französische Zustände" in Buchform herauszugeben, obschon er wußte, daß er sich dadurch die Möglichkeit einer Rückkehr nach Deutschland  vielleicht für immer abschnitt. Das Verbot des Buches erfolgte in den meisten deutschen   Staaten sofort. Die Preßpolizei suchte jede etwaige Besprechung von vornherein zu unterdrücken. So machte dasselbe nicht das erwartete Aufsehen, vor allem auch deswegen nicht, weil das Publikum durch Börne's" Briefe aus Paris", durch die Redner des hambacher Festes  " und die