Britannias Stiefkind.

Wenn man die auf allen Gebieten so mächtig entfaltete britische  Gewerbs- und Handelstätigkeit, das merkwürdige, ja überwältigende Bild des Land- und Wasserverkers betrachtet, oder sich in die grünen, üppigen Gartenlandschaften von Kent, an die träumerischen Seen von Northumberland  , in die behaglichen Räume der englischen Landsize ver­irrt, und damit das unsagbare Elend in Irland  , der nur durch einen schmalen Meeresarm getrennten Nachbarinsel, vergleicht, so muß man die Engländer für ganz besondere Lieblinge der Vorsehung erklären.

Zu allen Zeiten hat es Unterschiede des Besizes gegeben, zu allen Zeiten haben diese Unterschiede Rechtsunterschiede erzeugt, aber in keinem Lande der Welt sind diese Befiz- und Rechtsunterschiede von so schreien­der Ungerechtigkeit diktirt worden, als in Irland  , wo der englische Guts­herr dreimal komt und dann der irische Pächter noch lange nicht.

Dieses Mißverhältniß datirt schon seit dem Jare 1156, dem Be­ginn der englischen Eroberung Irlands  . Die empörende Tatsache, daß ein freies Volt seine Nachbarn siebenhundert jarelang als Unterjochte behandelt, hat den Ruin Frlands herbeigefürt, dessen am Hungertuch nagende Bewoner entweder zur Auswanderung oder zum Aufrur ge­zwungen werden. Seit Jar und Tag hat dieses chronische Uebel einen akuten Charakter angenommen, der vielleicht mit dem Austreiben der englischen Eindringlinge enden wird. Unter den Auspizien der Land­liga, einer Vereinigung streitbarer Männer aller Stände, werden fast täglich Totschläge, Brandlegungen und andre agrarische Racheakte ver­übt, Drohbriefe versant und mißliebigen Grundbesizern alle Arbeits­fräfte abspenstig gemacht. Die englische Regirung stet vor der Alter­Die englische Regirung stet vor der Alter­native, Irland entweder neu zu unterjochen oder sich von ihm zu trennen.

Wir wollen in kurzem an der Hand der Geschichte prüfen, welche Faktoren dazu beitrugen, um den gegenwärtigen unhaltbaren Zustand des Landes herbeizufüren. Die Geschichte Irlands   ist seit dem dritten Jarhundert nach Ch. G. eine ununterbrochene Kette von Gewalttätig­feiten, welche die Entwicklung besserer sozialer Zustände hinderte. Irland   bestand um diese Zeit aus vier besonderen Reichen: Lingema ( Leinster  ), Ultonia( Ulster  ), Momonia( Munster  ), Connacia  ( Connaught), denen sich als fünftes Midia zugesellte und die wieder in kleinere Teile mit Häuptlingen zerfielen. Diese Landeseinteilung rührte warscheinlich, wie schon die Benennungen beweisen, von den Römern her und dauerte bis zum Jare 921, in welcher Zeit die eingedrungenen Normänner alles über den Haufen warfen und einen König ihres Stammes in Dublin   auf den Tron sezten. Der Papst, der sich troß- des normänni­schen Einfalles als Herr von Irland   betrachtete, schenkte es als Lehen den Engländern, die auf sein Geheiß in Irland   einfielen, um sich des Lehens mit Feuer und Schwert zu bemächtigen. Die blutige Unter­werfung gelang, wie schon oben angedeutet, im Jare 1156. Die Er­oberer waren so fleißig in der Ausrottung der Eingebornen, daß am Ausgang des 12. Jarhunderts bereits der dritte Teil der Insel von Engländern mit englischer Verfassung bewont war, wärend der glühende Nationalhaß zwischen beiden Teilen der Bevölkerung jaraus jarein wütete.

Obzwar die Kelten, von denen die Irländer abstammen, eine Fa­milie der Völker des indogermanischen Sprachstammes bilden, folglich auch mit den Anglosachsen( Engländern) sprachverwant sind, bestet zwischen diesen und jenen eine unausrottbare Gehässigkeit, welche durch die Reformation bis zur Vertilgungssucht gesteigert worden ist. Wä­rend der wolgenärte englische   Landwirt ein grobes, freies, wo nicht gar unverschämtes Benemen gegen seine Vorgesetzten zur Schau trägt, befleißigt sich der hagere irländische Bächter einer demütigen Höflich­keit im Verker mit dem Landlord, um ihm hinterrücks den Pacht mit einer Unze Blei zu bezalen. Der verkommene Charakter der Frländer ist hervorgegangen aus der Verkommenheit des Landes, das bis zum 12. Jarhundert als früher Siz des damals kulturtragenden Christen­tums eine große Rolle spielte, indem es nach Großbritannien   und nach dem Kontinent seine Lerer sendete, wärend es heute von Meuterern bewont ist und Trunkenbolde exportirt. Jammerschade um das auf geweckte Volk, dessen Charakter, soweit er durch Alkohol nicht ange­fressen ist, eine Verschmelzung germanischer, französischer, italienischer und slavischer Elemente darbietet. Die Frländer zeigen unter Umstän­den die italienische Verschmißtheit und Gewantheit im geselligen Ver­kehr und Geschäft, sie haben die Lebendigkeit, die geistige Gewecktheit und Scharfsinnigkeit der Franzosen  , die tiefen Gemüts- und Gewissens­bewegungen der Deutschen  , aber zu allen diesen Elementen kommt auch das leicht entzündete, zur Freundschaft disponirte Herz der Polen   und die sinnlich melancholische Weichheit der Russen, denen es an scharfem Schulverstande mangelt. Bei dieser Vereinigung der wunderlichen und widersprechenden Eigenschaften ist es naturgemäß, daß der Irländer die Nachteile aller Extreme empfindet, one ihrer Vorteile teilhaftig zu wer­den. Arbeitsam und dennoch träge, häuslich und flatterhaft, an Ent­berung in der Mitte des Ueberflusses gewönt, unterwirft sich dieses Volk dem Ungemach oft one Murren und erträgt den bittersten Mangel mit dem sprüchwörtlich gewordenen irischen Mute. Der beißendste With und die ärgste List, welche am irländischen Bauer nichts seltenes sind, verbergen sich in der Regel unter dem Anscheine von Stumpfheit und Einfalt, und seine Sprache, voll des schneidendsten Humors, besißt eine doppelsinnige Weise des Ausdrucks, welche nie im Stiche läßt, wenn die direkte Erwiderung einer unangenemen Frage vermieden werden

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soll. Der Hang zur Böllerei, zu Lärm und Lustbarkeiten, Unwissen­heit und Aberglaube sind schuld daran, daß der Irländer zu übereilt oder zu säumig bei der Ausfürung seiner Pläne, dieselben bald durch Trägheit und Zaudern zu nichte macht. Bei dem unbeschränkten Ver­trauen in den Rat der Priester hängen alle Gräueltaten der jetzt in Irland   ausgebrochenen Empörung von den leßterem ab und die eng­lische Regierung kann weder dem Einschmuggeln der Waffen, noch den Umtrieben der drei, vor der Hand noch uneinigen Revolutionsgesell­schaften, der Landliga, der Homerulers und der Fenier, steuern, so lange sie nicht die Habeas- Korpus- Akte suspendirt, was one Parla­mentsbewilligung nicht geschehen kann.

Seitdem der englische   König Heinrich VIII. sich von Rom   los­sagte, kam auch noch der Religionshaß zwischen den protestantisch ge­wordenen Engländern und den katolisch gebliebenen Irländern hinzu. Heinrich hob das päpstliche Lehnsrecht auf und verwandelte die Kirchen­güter in fönigliche Domänen. Durch Umwandlung der irischen Häupt­linge in Grafen   und Barone   suchte er ein gutes Einvernemen anzu­banen. Statt dessen brachen unter Karl I.   und Jakob II.   ungeheure Revolutionen aus, die zwar die Vertreibung der Engländer bewirkten, aber von Cromwell und Wilhelm III.   unterdrückt wurden. Der große Staatsmann Pitt suchte im Jare 1800 Irland mit England durch die Union   auszusönen, und weiteren Empörungen sollte die Emancipation der Katoliken vorbeugen, aber die Nachwehen werden so lange fort­dauern, bis Irland den Irländern gehören wird. Die Statistik, dieser Gradmesser der Kultur und des Wolstandes, belert uns durch die Be­völkerungsverhältnisse, daß der Verfall des von den englischen Grund­besißern ausgesogenen Landes troß aller Errungenschaften der Neuzeit im steten Zunemen begriffen ist. Irland hatte im Jare 1811 6 937 856 Einwoner und 1871 5412 377, das macht in 60 Jaren einen Verlust von 525 479 Seelen, fünf Jare später weist der Census gar nur 5321 618 auf. Da es in Folge der Vernachlässigung des Landes weder Geburts  - noch Sterberegister giebt, so weiß man nicht genau anzugeben, ob die Verminderung der Bevölkerungszal durch Auswande­rung oder durch andere Ursachen bewirkt wird. Das Elend im elter­lichen Hause treibt die jungen Leute zur Armee und Marine, die in Großbritannien   bekanntlich nur aus Geworbenen bestet. Dadurch wer­den die Arbeitskräfte immer knapper, so daß das verwilderte und dem Trunt ergebene Volt nur zwei Dritteile des Landes für die englischen Grundherren bebaut, wärend das sogenannte Kronland seit der Aus­treibung der Engländer unter den Stuarts   brachliegt; dafür sind aber die Engländer im Besize aller Gerichts- und Verwaltungsstellen und haben die Fürung des Handels und Gewerbes an sich gerissen. Das eine stet fest, daß die Verarmung des Landes und die Verkümmerung des Volkscharakters einzig und allein von den unnatürlichen und jetzt unhaltbar gewordenen Verhältnissen herrüren, in welchen Irland   zu England stet, denn tausend und abertausend ausgewanderte Irländer sind in Amerika  , ja selbst in England zu Wolstand und Einfluß ge­langt. Diese sind es, welche das Feuer des Aufrars im Mutterlande schüren und nicht eher ruhen und rasten werden, bis sie Britannia's Stieffind von dem Joch befreit haben, das seit 700 Jaren auf seinem Nacken lastet. Dr. M. T.

Eine Wildfütterung im Harze zur Winterzeit.( Bild Seite 176-77.) Die Zeiten sind zwar vorüber, wo das Wild dem geplagten Bauersmann ungestraft die Fluren zertreten und die Ernte ver­nichten konnte und wo der Dichter in seinem prachtvollen Gedicht Vom Harze" von dem erschossenen Bauer, der den seine Saaten zer­stampfenden ,, Vierzehnender" erlegt, singen konnte

,, Vergessen wird der Bauer,

Gegessen wird der Hirsch",

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aber die Jagd ist trop der ,, Jagdfreiheit" heute nicht minder haupt­sächlich nur das Vergnügen der höchsten Herrschaften. Unsere Jagd­gesetzgebung hat schon weidlich dafür gesorgt, daß dieser Freiheit" nicht allzuviele teilhaftig werden, denn einmal setzt sie derselben die für die meisten unerschwingliche Bedingung eines respektablen Besizes von Grund und Boden voraus und wendet das anderemal bei denen, die sich vielleicht durch Pacht diesen Sport verschaffen können, die Vor­schrift der Lösung einer Jagdkarte natürlich gegen Bezalung als Sicherheitsmittel gegen ein übermäßiges Umsichgreifen genannter Freiheit an. Aber noch ein anderer Umstand und zwar einer, der hier von noch größerer Bedeutung ist, kommt hier in Betracht und das ist das allmäliche Verschwinden des bei dieser Angelegenheit wichtigstent Teils des Wildes selbst. Mit der Ausrottung und Lichtung unsrer Waldungen, der Ausdenung und dem Anwachsen der Verkersmittel und der Geldaristokratie in den großen Städten, welch letzterer die Mittel das erlauben, was bis Anno 1848 nur Privileg der Geburtsaristo­kratie war, d. h. Rehe, Hirsche u. dgl. zu schießen, ist auch das Wild mer und mer in die großen Waldungen, namentlich die der Gebirgs­gegenden zurückgedrängt worden und muß auch da noch- um für das Vergnügen der Jagd aufgespart zu werden zur futterarmen Winterzeit gefüttert und gepflegt werden. Unsere Illustration zeigt uns inmitten der herrlichen vom Schnee bedeckten, glizernden Tannen des Harzes eine solche Fütterung. Von allen Seiten strömen die sonst durch ihre Scheu bekannten Tiere herbei und siet man einigen auch ihr scheues Wesen an, so folgen sie doch dem Lockruf und ihrem Selbst­erhaltungstrieb, sicher, daß sie hier kein tötliches Geschoß zu fürchten

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