sich bedient, um nach Belieben plötzlich zu verschwinden. Die Unterseiten beider Schmetterlingsflügel amen nämlich in ihrer Zeichnung auf das täuschendste das Aussehen der Eichenrinde nach, auf welcher das Tier sich niedergelassen hat; es ist, als ob ein Künstler einen Fezen Papier mit der scharfen Kante auf die Eiche festgeklebt und nur auf jeder Seite des Papiers ein Stück Eichenrinde mit all ihren Rissen, hellen und dunkeln Streifen, Flecken und Marmorirungen in vollkommener Natur­treue aufgemalt hätte.

Wir haben in dieser Tatsache und in diesem Vorgange eines der interessantesten Gebiete aus den Lebens- und Entstehungs­bedingungen organischer Wesen vor uns, welches überall im Tier­reich hervortretend, seine höchste und mannigfaltigste Ausbildung in der Insektenwelt erreicht, nämlich das Prinzip der ,, Mimicry ", der Nachamung oder Nachäffung anderer lebender oder toter Gegenstände, sei es nur zum Schutz vor den Verfolgungen der Gegner, sei es, um unter der angenommenen Maske die Feinde unbemerkter beschleichen und überrumpeln zu können.

Fig. 6.

Fig. 5.

200

Teorie, Alfred Russel Wallace , von denen der erstere seine Beobachtungen in dem Werk Der Naturforscher am Amazonen­strom", der leztere in den Beiträgen zur natürlichen Zuchtwal" und in dem vor kurzem erschienenen Buch Die Tropenwelt" niedergelegt hat.

Wir fürten zu Anfang den Schmetterling vor, der die Aenlich­feit seiner Unterflügelzeichnung mit der Eichenrinde benuzt, um sich unsichtbar zu machen. Derselbe gehört in die Familie der Satyriden, jener stets braun gefärbten Aeugler, von denen die Semele( Satyrus Semele) der bekannteste ist. Ein ganz änliches, nur noch viel frappanteres Beispiel aus der Tropenwelt erzält uns Wallace:

,, Der wunderbarste aller Fälle von schüßender Aenlichkeit bei einem Schmetterlinge, den ich jemals gesehen habe, ist der der malaiischen Tagfalterart Kallima paralecta. Es fann garnichts auffallenderes geben, als die Oberseite dieses Falters, da die Flügel von bedeutender Größe und mit einem breiten Band von reich orangegelber Farbe auf tiefblauem Grunde geschmückt sind. Wo immer der Falter im Fluge sich befindet, mußte er durch

Fig. 4

Bis vor sehr kurzer Zeit war das ganze Gebiet dieser Nach­äffungen, soweit es überhaupt bekannt sein konnte, den Naturforschern ein vollkommenes Rät­sel. Man ging ent­weder, da man wis­senschaftlich nichts damit anzufangen wußte, achtlos an der Fülle dieser wunderbaren Er= scheinungen vorüber, oder aber man sprach, wenn man davon Notiz nam, von einem Spiel der Natur, richtiger, in Konsequenz der gläubigen Natur­auffassung, von einer Laune des Schöpfers, der dem Tier diese oder jene sonderbare Aenlich­feit gegeben habe, um es besser zu schützen. Freilich mußte diese Auffas= sung nicht selten zu Schlußfolgerungen sehr eigentümlicher Art füren.

쓰이

Fig. 1.

Fig. 3.

Fig. 2.

Werkzeuge und Waffen der Steinzeit. ( Siehe den Artikel: Was und wie unsere Vorfaren arbeiteten. Seite 204.)

Die Käfersammler wissen, ein wie ergiebiges Jagdgefilde für sie Weidenbüsche sind, zumal solche, die sich an Wassergräben ent­lang ziehen. Unter der Fülle von Käferarten, die auf solchen Gebüschen leben, gibt es einen Rüsselkäfer, den einzigen Vertreter seines Geschlechts in Europa , der seinen Namen Cryptorhynchus von der Fähigkeit erhalten hat, seinen Rüssel in eine Furche der Brust niederlegen und verbergen zu können. Dieses etwa vier Linien lange Tier wird wie von seinen Feinden in der Tierwelt, so auch von Sammlern allein aus dem Grunde vielfach übersehen, weil es in Zeichnung und Gestalt durchaus einem Häuschen Vogel­dung gleicht. Der ganze Rücken des Käfers und ebenso die hervorstehenden Oberschenkel aller Beine erscheinen mit jenen charakteristischen schwarzen und weißen oder grau marmorirten Flecken, und zwar in Tüpfeln oder Höckern derart bestreut, daß die Aenlichkeit eine nahezu vollkommene wird. Es ist klar, daß durch dieses Beispiel eine gläubige Naturauffassung in einen schweren Konflikt gebracht wird mit ihrer Vorstellung von der Würde eines höchsten Wesens, dessen persönliche Laune eine solche Aenlichkeit schuf. Ein glänzendes Licht für unser Verständniß wurde in alle diese so merkwürdigen Verhältnisse und Wechsel­beziehungen erst hineingetragen durch die Lehre Darwins, und zwar war es auf diesem Gebiet nicht der Entdecker und Begründer der Lehre selbst, sondern zwei gleichstrebende Forscher: Bates, der eine Reihe von Jaren als Naturforscher am Amazonenstrom lebte, und der geniale Mitentdecker und Begründer der darwinischen

Fig. 7.

dieses weithin sicht­bare Goldband seine zalreichen Feinde herbeilocken. Es gibt aber auch nichts Versteckteres, nichts Unauffindbareres als den ausruhen­den Falter. Die Unterseiten aller

vier Flügel nämlich haben eine Schatti­rung von aschgrau, braun oder ocker­gelb, genau so, wie

man sie bei toten, trocknen und ver faulenden Blättern findet. Die Vorder­flügel sind in eine scharfe, sich umbie­gende Spize aus­gezogen, wie sie sehr gewönlich vorkomt bei den Blättern tropischer Stauden und Bäume, und die Hinterflügel längern sich in einen furzen, schmalen Schwanz. Zwischen diesen zwei Punkten läuft nun auf der

ver­

Unterseite der Flügel eine dunkele, gebogene Linie, welche ganz genau die hervorstehende Mittelrippe eines Blattes darstellt, und von dieser aus gehen auf jeder Seite schräge Linien ab, das sind die Seitenadern des nachgeamten Blattes. Den Höhepunkt, man möchte sagen, das Raffinirte in dieser Nachamung bildet aber Folgendes: Wir finden außer den Rippen und Adern in der Zeichnung und Bestäubung der Unterflügel Darstellungen, welche uns Fäulnißmerkmale toter Blätter auf jeder Stufe des Berfalls mit der täuschendsten Aenlichkeit vorspiegeln. Wir finden verschiedenartige, mit Schimmel bedeckte und mit Löchern durch­sezte, unregelmäßig mit puderartigen schwarzen Tüpfeln besäte Flecken, welche in Haufen zusammenstehen, so daß sie den ver­schiedenen Arten winzig kleiner Pilze genau gleichen, welche auf toten Blättern wachsen; so daß es auch einem Forscher unmög lich ist, sich beim ersten Anblick des Gedankens zu erwehren, die Schmetterlinge selbst seien von wirklichen, auf ihnen schmarozen­den Pilzen angegriffen.

Aber diese Aenlichkeit, so komplizirt und wunderbar sie ist, würde von geringem Nußen sein, wenn die Gewonheiten des Insektes nicht damit übereinstimmten. Wenn der Schmetterling auf Blättern oder Blumen säße oder seine Schwingen ausein­anderfaltete und so die Oberseite den Blicken aussetzte, oder auch nur Kopf- und Fülhörner zeigte und bewegte, wie es viele an­dere Schmetterlinge tun, so würde seine Verkleidung ihm wenig nüßen; aber das Gegenteil ist der Fall, und da ich selbst so