204

Was und wie unsere Vorfaren arbeiteten.

( Hierzu die Illustration auf Seite 200.)

-

Nicht um Großvaters Großeltern handelt es sich uns, wenn| geschlossen hatte, daß nämlich der Mensch schon gelebt hat wir heute von unsern Vorfaren und ihrer Arbeit sprechen wollen. vor einer ungezälten Reihe von Jartausenden in der geologischen Diese unsere Anen, die Ür- Urgroßväter und Ur- Urgroßmütter Periode der Anschwemmungen der festeren Bestandteile unserer waren zwar auch Leute, die von uns in sehr vielen Dingen, in Kontinente, der sogenannten Diluvialzeit. Geist und Charakter, in Erkenntnissen und im Gemüt, ja selbst in den Zügen des Gesichts und vielleicht sogar in der Bildung und der Größe dieses oder jenes Organs ihres Körpers ver­schieden waren und für uns, ihre denkenden und in den toten Tatsachen ihren lebendigen Grund suchenden Nachkommen inter­essant sind, aber die Leute vor 100 und 200 Jaren, und auch die noch vor ein und zwei Jartausenden, waren doch immer noch Menschen, welche uns in ihrer äußerlichen Erscheinung und in ihrem innern Wesen ziemlich nahe standen, in denen wir uns und unser Leben und Treiben, troh mannichfacher Abweichungen, doch stets wiedererkennen. Das ist der Fall, soweit es sich um die sogenannten Kulturvölker handelt, um lebende und tote Kultur­völker, um die Römer und Griechen so gut, wie um die Chinesen und Japaner, um die Inder, Perser, Babylonier, Aegypter, um die alten Peruaner und Mexikaner.

Aber vor diesen, großenteils auch mit ihnen zugleich und zu einem kleinen Teile noch neben uns Kulturmenschen der jüngsten Jarhunderte existirend, gab und gibt es Menschen, die in ihrer äußern Erscheinung und in ihrem innern Wesen, in ihrem Denken und Fülen, wie in ihrem Tun und Treiben himmelweit von uns und unsern Kulturverwanten verschieden sind, und die dennoch ein gutes Recht haben auf unsre Beachtung, weil sie unsre und aller Kulturmenschen Vorgänger und Anen waren.

Nicht, wie das als Quelle für die Kulturgeschichtsforschung äußerst interessante und wichtige religiöse Buch der alten Juden, die Bibel, folgend der mangelhaften, kindlichen Erkenntnis seiner verschiedenen Verfasser lehrt, stand im Anfang der Menschheits­geschichte ein Menschenpar, vollkommen an Geist und Leib, glück­lich in paradiesischem Erdengarten lebend, ein getreulich Abbild des göttlichen Weltenschöpfers, des allerhöchsten Wesens; ein Menschenpar, welches nur dadurch in den für die späteren Zeiten nicht mer hinwegzufabelnden Menschenjammer verfiel, weil es sich für Gottes Ebenbilder und einzige Kinder unbegreiflich genug! durch das von der Schlange repräsentirte und vom allmächtigen Gott, gleichfalls unbegreiflicherweise, geduldete Prinzip des Bösen verfüren ließen, ihres Schöpfers direktem Befele un­gehorsam zu sein, zu sündigen.

-

-

Diese biblische Geschichte ist der Ausfluß kindlicher Phantasie,- die Wissenschaft hat uns erkennen gelehrt, daß der Entwicklungs­gang der Menschheit nicht vom Vollkommnen zum Unvollkommnen, sondern grade umgekehrt: vom ganz Unvollkommnen, für edel­menschliche Begriffe total Schlechten, in der häßlichen Bedeutung des Wortes: Tierischen zum Besseren, Vollkommneren, mer und mer Menschlichen fortgeschritten ist.

Die Wissenschaft, der wir solche Erkenntnis verdanken, ist nicht die sogenannte Weltgeschichte, die uns nur Auskunft gibt über der mererwänten Kulturvölker Vorleben, aber sich schon an der Wiege der für unsre heutige Kultur charakteristischen Erschei­nungen im Völkerleben und-Treiben auflöst in die Nebel der Sage; diese Wissenschaft ist vielmer die der vorgeschichtlichen Forschungsergebnisse. Dieselbe stützt sich nicht auf Bücher oder Handschriften oder gar auf mündliche Ueberlieferung, aber auf Quellen und Urkunden, die zuverlässiger und nicht viel schwerer zu verstehen sind, als jene. Die Wonungen, Werkzeuge und Waffen, die Kleidung und der Schmuck, den die vorgeschichtlichen Menschen getragen haben, sind für uns berete Zeugen über Leben und Wesen unsrer Urälterväter.

Wolerhalten und von Geschlecht zu Geschlecht vererbt, etwa im Glasschrank oder sonstigen Reliquienspinde der Familie auf­bewart, ist uns freilich aus dunkler Vorzeit nichts überkommen. Jartausende hat, was uns in allerneuester Zeit zur hellen Leuchte auf mitternächtigem Forschungspfade dient, im Schoße der Erde, im Schlamme der Sümpfe und Seen, in unzugänglichen Hölen winkeln und unter Felsgestein begraben, unbekannt und ungenüßt gerut. Erst anfangs dieses Jarhunderts fand man, zunächst in belgischen Kalkhölen, solche Zeugnisse für das Leben vorgeschicht­licher Menschen. Funde in Frankreich , England, Deutschland und fast allen übrigen Ländern bestätigten, was man aus jenen

Anfänglich und hauptsächlich bestanden diese Zeugnisse längst verschollenen Menschenwerkes in Waffen und Werkzeugen, die kennzeichnender Weise nur aus zwei Materialien geschaffen waren: aus Stein und aus Knochen. Nach dem ersten Merkmale er­hielt die Zeit, welche sich so vor unseren geistigen Blicken aufge­than hatte, den Namen: Steinzeit. Man nam an, und mit Recht, daß die Menschen auf der ersten Stufe ihrer Entwicklung als Menschen kein anderes festes, zu ihren ursprünglich- ein­fachen Waffen und Werkzeugen taugliches Material bequemer und in änlich großen Massen zur Hand hatten und zu bearbei­ten verstanden, als die Gesteinstücke, welche die Erde ringsum in ungeheuren Mengen bot und die Knochen toter Tiere und Menschen.

Auf dieser richtigen Grundanschauung baute sich ein System auf, welches die gesammte Kulturentwicklung von der in der Steinzeit gegebenen Anfangsperiode bis hinauf zu unserer Kultur umschloß und außer der Steinzeit noch zwei große Entwicklungs­epochen, die Bronzezeit und die Eisenzeit, aufwies. Jede dieser Beiten sollte zum Träger gehabt haben besondere Volksstämme; die Steinmenschen sollen vor ungefär 4000 Jaren im Norden Europas verdrängt worden sein durch einwandernde Völker, die ihre Werkzeuge aus Bronze, jener Metallzusammensetzung aus Kupfer, Zinn und Zink, herzustellen gelernt hatten. 1500 Jare nach der Verdrängung der Steinleute durch die Bronzeleute, also etwa ein halbes Jartausend vor der christlichen Zeitrechnung, seien Völker hergewandert, die die Verwendung des Eisens ge­fannt und geübt und damit eine Ueberlegenheit über die Bronze­menschen besessen hätten, welche ihnen im Kampfe mit diesen bis zu deren Verdrängung und Vernichtung zu statten kam.

Dieses Dreiperiodensystem hat viel Berückendes an sich: es ist so einfach, so anschaulich, hat eine ganze Menge von For schungsresultaten und Forschern auf seiner Seite und wird des­halb in den Lehrbüchern der höhern Schulen, selbst in den neuesten Konversationslexiken augenblicklich aufgefürt, als wäre es in seinem wissenschaftlichen Bestande noch völlig unangetastet.

Dem ist aber keineswegs so: neuere, noch sorgfältigere und noch vorsichtigere und vorurteilsfreiere Forschungen haben er­geben, daß von einer derartigen Scheidung der Gesamtkultur­entwicklung der Menschen in drei festabgegrenzte Epochen keine Rede sein kann und daß insbesondere die Bronzekultur nicht die Vorgängerin der Eisenkultur, sondern eher umgekehrt die leztere älter ist als die erstere.

Auf die Beweise dieser können wir uns hier, so lehrreich sie sind, nicht einlassen. Für den Gegenstand dieses Aufsazes ge­nügt das, was auch die fortgeschrittenste Wissenschaft von dem Dreiperiodensystem uns gelassen hat, nämlich die schon oben be­tonte Einsicht, daß die Werkzeuge der Urmenschen sicherlich fast ausschließlich aus Stein und Knochen bestanden haben, wärend nach jartausendelangen Zeiträumen andere Materialien, Eisen, Bronze und andre ansingen, sich neben den Urmaterialien geltend zu machen und diese in wiederum jartausende dauernden Kämpfen äußerst langsam und allmälich verdrängt haben.

Eine außerordentlich große Zal von Steinwerkzeugen ist wärend der lezten fünfzig Jare in der Diluvialschicht unsrer Erde vor­gefunden worden. Das Museum von Kopenhagen befizt gegen 10 000 derselben, das von Stockholm ungefär 16 000. Auch die Zal der verschiedenen Instrumente ist garnicht gering. Neben Be­hau- und Schleifsteinen von unterschiedlicher Form und Beschaffen­heit fanden sich fieinerne Angelhaken mannichfaltigster Form, dann Netz- und Angelſenker, Harpunen, und zwar diese mit einfacher, unbeweglicher Spitze, wie mit Widerhaken, und dann auch sehr künstlich konstruirte mit beweglicher Spize, ferner Fischstecher und Lanzen, Messer vieler Arten, nämlich Jagd- oder Lanzettmesser, Schnißmesser und Krummesser, des weiteren Sägen, Pfeile zum Bogenschießen und Wurfpfeile zum Schleudern, Steinspere und Schleudersteine, Meißel als Gradmeißel, Holmeißel, Meißel mit Handgriff, Breitmeißel und Holeisen, außerdem Beile und Aexte, Hämmer, Hammerbeile und Schaftbeile, endlich

-

-