Bestimmungen über die Einschließung der Juden in ihrem einem Massengefängnisse änlichen Ghetto enthielt:

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Der Hochansehnliche und Hochwürdigste Kardinal Borghese, Vikar Unseres Herrn, wünschend, daß von den Vorstehern des Judenghetto die schuldige Sorgfalt angewendet und dabei keine Betrügereien und Erpressungen verübt werden, verordnet und befielt: ,, daß der von dem hochansehnlichen Herrn bestellte Pförtner alle fünf Tore beaufsichtigen und dieselben Abends schließen soll, und zwar um 1 Uhr Nachts( eine Stunde nach Dunkelwerden) von Ostern bis zum Feste Allerheiligen, den Rest des Jares um 2 Uhr, und Morgens mit der Dämmerung sie öffnen soll, und daß, nachdem die Tore geschlossen sind, der Pförtner denen, welche noch eintreten wollen, bis 12 Uhr im Sommer und bis 3 Uhr im Winter öffnen darf. Nach dieser Zeit aber darf er bis 3 Uhr im Sommer und bis 5 Uhr im Winter nur denen noch öffnen, welche aus einer nachgewiesenen und dringenden Ursache draußen geblieben sind und eine Bescheinigung irgend eines ordentlichen Richters oder einer anderen bekannten ange­sehenen und glaubwürdigen Person beibringen, Bescheinigungen, welche durch den Pförtner aufbewart und unserm Hausnotar eingehändigt werden müssen. Nach den angegebenen Stunden darf er weder im Sommer noch im Winter unter irgend einer Bedingung öffnen bei den unten angegebenen Strafen noch irgendjemand einlassen, es seien denn Fremde, die in Rom  angekommen wären und die vom Pförtner selbst aufgeschrieben werden müssen. Sollte irgend ein dringender Fall eintreten, wie erfolgte Schlägereien oder das Begräbnis eines Toten oder ein anderer Notfall, so soll der Pförtner öffnen dürfen und die be­treffenden Juden hinausbegleiten, die aus solcher Ursache aus­gehen; und er soll ein Register halten und alle Ausgehenden zälen, ebenso wie die Wiedereintretenden; am Morgen soll er im Bureau Unseres Amtsnotars die Vor- und Zunamen derer angeben, welche in den Ghetto zurückgekehrt sind. Nach der an­gegebenen Zeit von 12 Uhr im Sommer und 3 Uhr im Winter darf der genannte Pförtner keinen Christen in genanntes Quar­tier one Erlaubniß eintreten lassen bei Strafe von 10 Scudi in jedem der obgenannten Fälle und für jedes mal, sowol für den Pförtner als für jeden Christen und Juden, der zuwider handeln wird, außer anderen körperlichen Strafen nach unserm Dafürhalten( Seil und Peitsche!). Nach dem Ave Maria darf kein Jude sich in den Ghetto begeben durch eine Deffnung, ein Türchen, Fenster oder sonst einen besonderen Weg außer den Toren bei Strafe von drei Seilzügen. Der Pförtner soll sich begnügen mit seinem Salair von 46 Julii den Monat und soll nichts weiter verlangen, weder in Geld noch in Gegenständen von irgendwelcher Quantität, weder von Christen noch Juden, noch auch etwas annemen von dem, der ihm freiwillig etwas anbieten oder schenken sollte für das Ein- und Ausgehen durch genannte Pforte. Ebenso darf kein Christ oder Jude irgend etwas zalen für Ein- oder Austritt bei Strafe von 10 Scudi jedesmal für den, welcher zalte, und für den Pförtner, welcher fordert oder annimmt... ferner drei Seilzügen und 10 Scudi, wovon die Hälfte dem Denunzianten und die andere Hälfte der apostolischen Kammer zufällt, dazu andere Strafen nach Gut­dünken. Gegenwärtiges oder dessen Abschrift soll gedruckt an den Toren des Ghetto genannter Juden und anderen Stellen in der Nähe angeheftet werden und dieselbe Kraft haben, als wenn es jedem persönlich zugestellt wäre. Beglaubigt u. s. w. Ge­geben heute am 18. Juni 1605 zu Rom   in unserer Residenz. B. Gipsius, Viceregens. Paulus Spada, Notarius  . Wir sehen aus dem Vorstehenden, wie vorzüglich sich die Nachfolger Petri, die Statthalter Gottes auf Erden, auf den Kulturkampf gegen die Judenschaft verstanden haben. Der Jude war schlimmer daran als ein Sklave, die sein Verhalten be­stimmenden Geseze hatten weiter keinen Zweck, als ihn und alle die Seinen mit Haut und Har, mit Hab und Gut der zügel­losesten Willkür preiszugeben. Und das geschah vor noch nicht drei Jarhunderten, nachdem die Morgensonne der neuen Zeit" längst begonnen hatte das nächtige Dunkel des Mittelalters zu verscheuchen. Was wunder, daß es dem unglücklichen aus­erwälten" Volfe, auserwält in der Tat zu einer in er­staunlicher Widerstandsfähigkeit erduldeten beispiellosen Leidens­geschichte wärend der vorher vergangenen anderthalb tau­send Jare der christlichen Zeitrechnung zeitweilig in fast allen christlichen und nicht christlichen Ländern noch weit schlimmer er­gangen ist, als in der Hauptstadt des Christentums am Ende des 16., wie am Anfang des 17. Jarhunderts.

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Den Christen muß man es übrigens lassen, daß sie das Volk, aus dem der Christenheiland geboren, am ärgsten und am konsequentesten malträtirt haben von allen Völkern, mit denen es jemals in Berürung gekommen ist.

Auch bei den Mohamedanern, die mit ,, ungläubigen Hun­den" sonst nicht eben viel Federlesen zu machen pflegten, kamen die Juden im ganzen weit glimpflicher davon, als bei den Christen. Ein Moment aber ist den Moslims und Christen be­züglich ihrer Haltung gegenüber dem Judentum gemein: wenn bei beiden gelegentlich einmal eine Hochflut der Frömmigkeit eintrat, ging es unfelbar den Kindern Israel   an den Kragen. Bei den Mohamedanern schreibt sich die Abneigung gegen die Juden schon vom Propheten selbst her. Der Mann Allahs  hatte mit verschiedenen zungenfertigen Rabbinern, mit denen er sich in Disputationen eingelassen, üble Erfarungen gemacht; er war ihrer im Maulkampf nicht Herr geworden. So etwas ärgert einen Propheten natürlich. Im Jare 624 war es ferner zwischen den Juden in Arabien und den Anhängern Mohameds zu einem blutigen Kriege gekommen und die Juden waren unterlegen. Der Prophet und die Seinen hatten also alle Ur­sache, das erwälte Volk gründlich zu knöcheln, aber sie machten es keineswegs schlimm, legten ihnen nur eine Kopfsteuer auf, besteuerten auch den Grund und Boden, der jenen gehörte, dop­pelt und dreifach, machten ihnen im übrigen aber das Leben zunächst nicht weiter sauer. Hin und wieder, eben bei den oben­erwänten Frömmigkeitsüberschwemmungen, wurden die Zügel freilich straffer angezogen.

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Dann wurde den Juden der öffentliche Gottesdienst unter­sagt und, warscheinlich damit sie nicht gleichfalls in den Feler der übergroßen Frömmigkeit verfielen, wurde ihnen auch der Bau, neuer Synagogen verboten, sie durften weder Waffen noch den auszeichnenden Schmuck breiter Gürtel tragen, sich nicht auf ge­satteltem Pferde erwischen lassen, und waren gehalten, jedem der sie also liebevoll züchtigenden Muselmänner stets mit größter Ehrfurcht zu begeguen. Auch in der Kleidung hatten sie sich von den Rechtgläubigen" wer die Macht hat, erfreut sich bekantlich auch immer, soweit die Macht reicht, des rechten" Glaubens möglichst augenfällig zu unterscheiden. Gelbe Tur­bane wurden den Judenköpfen par ordre du Moufti   aufgeſtülpt, buntfarbige Lappen machten ihre Tracht zu einer Art von Harlekin kleidung, die den jungen und alten Kindern des Propheten viel Spaß bereitet haben mag. Damit sie auch ja nicht so gescheit wurden, wie die Moslems, verbot man ihnen zuweilen auch das Lesen arabischer Bücher und das Erlernen des vornemen Schrift­arabischen.

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Einer der hervorragendsten Nachfolger Mohameds ging sogar noch erheblich weiter: er vertrieb sie aus Arabien   und selbst Jerusalem   mußten sie räumen. Aber all' das verschlug nicht viel gegenüber der jüdischen Zähigkeit im Ueberdauern jeglicher Be­drückung und Verfolgung.

Kann ein Jude etwas öffentlich nicht lesen und lernen was kann da sein! er liest und lernt es eben dann heimlich, und wenn die armen Teufel aus dem mohamedanischen Arabien  und Palästina hinausgeworfen wurden, zogen sie flugs in das gleichfalls mohamedanische Spanien   ein und schlichen sich auch gar bald wieder ein in Arabien   und Palästina.

Was die Juden in Spanien   erlebt haben, ist besonders in­teressant, weil sie da nacheinander unter mohamedanischer und christlicher Herrschaft auf demselben Boden gesessen haben.

Im fünften Jarhundert der christlichen Zeitrechnung hatten die Westgoten Spanien   unterjocht. Ueber ein Jarhundert lang erging es den Juden unter ihrer Herrschaft nicht schlecht, und dafür bewiesen sie sich auch dem Gotenreiche durch alle möglichen Dienste, selbst als tapfere Krieger, dankbar. Aber als die West­goten im lezten Viertel des sechsten Jarhunderts unter ihrem Könige Reccaredd I. vom arianischen Glaubensbekentnisse*) zum katolischen übertraten, gestaltete sich nach der oben angegebenen Regel, wonach die größere Frömmigkeit der Herrscher die grim­migere Unterdrückung fremdgläubiger Untertanen bedingt, der Juden Lage recht schlimm.

Eine Folge dieser Bedrückungen war, daß ser viele spanische Juden auswanderten, eine andre, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil derselben öffentlich zum Christentum übertrat, um heim­lich nur um so inniger dem Judentume anzuhängen. Da diese

*) Der Arianismus leugnete, daß Christus Gott   selbst ist, und erkante in ihm nur das vorzüglichste aller Geschöpfe Gottes.