Die Lone Woll

No 24.

Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk.

Erscheint wöchentlich.

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Preis vierteljärlich 1 Mark 20 Pfennig. In Heften à 30 Pfennig. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Bostämter.

Die Schwestern.

Roman von M. Kautsky.

,, Vollkommen," versicherte Elvira, und sich noch etwas zurecht| sezend, fügte sie leiser hinzu: Vor so einem Kaminfeuer könte ich stundenlang sizen und nichts tun und sinnend in die Gluten sehen, bis ich nun, bis ich einschlafe." Sie legte den Kopf über die gepolsterte Lehne und schloß die Augen. Es sollte ein Scherz sein und doch gehorchte sie vielmer einer physischen Ein­wirkung, es war eine Art Schwindel, der sie erfaßt hatte.

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Eugen kniete noch immer zu ihren Füßen; er betrachtete sie. Wie schön erschien sie in diesem Augenblick, wußte sie es? Die jugendlich- schlanke Gestalt lag wie hingegossen in dem tiefen Seffel, den Kopf sanft zurückgeneigt. Das etwas blasse Antliz, von dem dunklen, herabhängenden Geflechte umrahmt, zeigte bereits den durchgeistigten, nervösen Ausdruck der Künstlerin. Das runde Kinn, der schlanke Hals waren von der Glut des Feuers rosa angehaucht und erschienen fast durchsichtig. Ein edler Reiz, ein undefinirbarer Zauber war in diesem Zustand der Ruhe über das Mädchen ausgebreitet. Aber dann streifte sein Blick das ärmliche Kleid, das abgenuzte, unelegante Schuwerk, ihre ganze plebejische Ausstattung, und er mußte denken: wie schön wird sie erst sein, wenn ich sie kleiden, wenn ich diese Gestalt schmücken werde mit all' dem Reichsten und Schönsten, das ein verfeinerter Geschmack hervorzubringen vermag.

Sie öffnete rasch die Augen und ihre Blicke trafen zusammen. Sie errötete ein wenig, und die Füße von dem Gitter ziehend, brachte sie sich in eine aufrechte Stellung. Auch Eugen nam einen Stul und sezte sich ihr gegenüber.

,, Sie kennen schon", begann sie zuerst ,,, die glückliche Ver­änderung, die sich in den Ansichten meiner Familie vollzogen hat; meine Mutter willigt in alles, will mich nach Kräften unter­stüzen, ich habe Ihnen davon geschrieben."

Er neigte sich verbindlich, mit einem süß- sauren Lächeln ihr zu. Ich wünsche Ihnen Glück dazu, mein Fräulein, und ich bedaure nur, daß ich Ihnen dadurch so entberlich geworden bin; Sie bedürfen wol meiner garnicht mer, und" er sah sie forschend an, ein wenig beunruhigt, ,, vielleicht erscheint Ihnen jede weitere Anteilname meinerseits als unbefugt und unbequem?"

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Sie hatte in diesem Augenblick ein sehr überlegenes Lächeln. Ja, sie zauderte mit der Antwort; dann sagte sie mit mer Ver­bindlichkeit, als Wärme:

Im Gegenteil, ich bitte Sie auch noch ferner um diese freund­iche Teilname, und wenn Sie mit Ihren Erfarungen und Ihrem

1881

( 23. Fortsezung.)

Rate mir förderlich sein wollen, so werde ich Ihnen dankbar sein. Um diesen leztern einzuholen, bin ich ja doch hierher ge­kommen, Herr Baron ."

Ich danke Ihnen für dieses Vertrauen, mein Fräulein, und ich hoffe, Sie werden es nie zu bereuen haben," und sogleich wieder in seinen leichten, scherzenden Ton übergehend: ,, Sie werden mich in Ihrem Dienste tätig und gewant finden, und ich will Ihnen nun vertrauen, daß ich schon einiges eingeleitet und vor­bereitet habe. D, wir werden Karriere machen, rasche und glän­zende Karriere; das ist nicht leicht, mein Fräulein, durchaus nicht leicht, aber wir werden uns vereinigen, und Ihr Talent und meine Bemühungen werden es zustande bringen."

,, Und was soll zunächst geschehen, Herr Baron?" " Bunächst, dente ich, werden wir frühstücken." Er erhob sich und wies mit lustig einladender Geberde auf einen modernen Teetisch, der halb verborgen in einem Winkel stand und auf dessen Doppeletagen ein reichliches Frühstück bereits servirt stand.

,, Wirklich, Sie haben daran gedacht!" rief Elvira, durchaus angenem überrascht.

,, Und ist denn das nicht ganz natürlich? Oder sollten wir beide, die Morgenkälte in allen Gliedern und das nüchternste Unbehagen im Gemüte, da einander gegenüber ſizen, um unsre künstlerischen und geschäftlichen Fragen in der allertrockensten Weise zu diskutiren? Nein, mein Fräulein, ich hoffe, Sie haben die Gnade und Barmherzigkeit, ein Frühstück anzunemen."

Sie nickte ihm zu und sie schlug mit einer kindlichen Freude in die Hände.

,, Wie gern; es wäre Undankbarkeit und Heuchelei, wenn ich's leugnen wollte: Baron , ich habe entsezlichen Hunger."

Ach, das ist reizend, und ich habe Appetit, wie ich ihn nur in der glücklichen Zeit meiner Schulvakanzen aufzuweisen hatte. Aber da will ich nur schnell den Spiritus unter dem Kessel ent­zünden, und in einigen Minuten werden wir heißen Tee haben."

Auch Elvira war aufgestanden, sie hatte sich dem Piano ge­nähert und die aufgeschlagenen Noten besichtigt.

" Zuleika von Mozart," las sie. Haben Sie das für mich hierhergelegt?" fragte sie, gegen Eugen sich zurückwendend. Er trat zu ihr. Ich möchte das Lied wol von Ihnen hören." Dann will ich es fingen und gleich." ,, Bravo!"

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,, Aber" ein plözlicher Gedanke schien ihr zu kommen man wird mich hören."

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VI 19

M

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