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kommen zu lassen. One Narrheit keine Weisheit. Er schlug sein Belt in Gestalt einer sehr komfortablen Wonung in der Vorstadt Chelsea auf und wurde der Weise von Chelsea  ". Bis zu seinem Tod, 46 Jare lang, ist er dort geblieben.

In zwei Jaren war die Revolutionsgeschichte nun fertig. Das Manuskript des ersten Bandes hatte er zweimal zu schreiben. John Stuart Mill  , der sich die Urschrift geliehen hatte, be­warte sie so schlecht auf, daß seine Köchin das kostbare Manuskript für Makulatur ansah und zum Feueranzünden verwante. Der arme Carlyle, der keine Abschrift hatte, mußte die Arbeit noch einmal machen, was beiläufig ihm und der Arbeit nichts ge­schadet hat.

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Die Geschichte der französischen   Revolution ist unbedingt das Meisterwerk Carlyle's, das Epos in Prosa", dessen wir oben erwänt. Ein Epos, das an Miltons verlorenes Paradis erinnert. Es existirt wol kein zweites Werk, das ein ebenso leben­diges und im ganzen auch treues Bild jener Weltwenden- Epo­pöe böte; die Mängel des kritischen Geschichtsschreibers werden durch die Divination des Poeten mer als ausgeglichen. Es ist oft erstaunlich, mit welch wunderbarem Instinkt Carlyle bei Beurteilung von Menschen und Dingen das richtige trifft, wo seine Quellen und Studien ihn im Stiche lassen.

An großen Geschichtswerken hat er noch Cromwells und Friedrichs des Großen Leben geschrieben.

Im Cromwell zeigt sich noch einigermaßen der Geist der Revolutionsgeschichte. Form und Inhalt decken einander, und es gelingt dem Geschichtsschreiber, in den Geist seines Helden" einzudringen und den Leser für denselben zu erwärmen. War doch Cromwell von frühester Jugend an sein Lieblingsheld.

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Bei Friedrich dem Großen ist dies nicht mer der Fall. Es ist das gelehrteste, bändereichste und schlechteste der größeren Werke Carlyle's. Seine Heroworship zeigt sich hier von der unvorteil­haftesten Seite und bringt ihn in Konflikt mit der wissenschaft­lichen Geschichtschreibung ein Konflikt, der ihm verhängnisvoll wird. Wärend die wissenschaftliche Geschichtschreibung uns be­lehrt, daß die Rolle, welche Friedrich der Große   spielte, ihm durch die politischen Verhältnisse aufgezwungen und durch die wirt­schaftlichen Verhältnisse ermöglicht wurde, macht Carlyle   umge­kehrt diese wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse zu Schöpfun­gen Friedrichs des Großen. Es ist die reductio ad absurdum seiner Heroen- Teorie, die ja au fond auf die Verwechslung von Ursache und Wirkung hinausläuft.

Einzelne Teile des Werkes sind indes prächtig geschrieben, was bei einem Carlyle selbstverständlich.

Erwänenswert ist noch die Schrift über den Chartismus und die ,, Latter Day Pamphlets". In lezterer spukt die Hero­worship bedenklich, wohingegen in ersterem, das auch kurz nach der Französischen   Revolution" erschien, der Geist dieses Werkes sich findet.

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Jm Jare 1865 starb Frau Carlyle, mit ihr mer als Carlyle's halbes Ich. In der Oeffentlichkeit hatte er nie gelebt nie Lust gehabt, z. B. in das Parlament zu gehen. Seine Tribüne war sein Schreibpult: Tribüne und Kanzel für das Uni­versum.

Seit dem Tode seiner Frau zog er sich von allem zurück. Den Schlag verwand er nicht. Sein zäher Körper hielt aber aus und so zäh wie der Körper war sein Geist.

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Bis wenige Tage vor seinem Tode war er gesund und für sein Alter sehr kräftig.

Den 5. Februar 1881 starb er, 85 Jar und 2 Monat alt. Unser Urteil über ihn ist in Vorstehendem schon gegeben. Wir brauchen es nur kurz zusammenzufassen.

Carlyle ist ein Mann des 18., nicht des 19. Jarhunderts. Er glaubt an die Allmacht des Willens bevorzugter Naturen- an die Revolutionen von oben. an die Revolutionen von oben. Die hervorragendsten Helden" des 18. Jarhunderts: Joseph der Zweite, Friedrich der Große  die Männer der französischen   Revolution gehören nicht mer ins vorige Jarhundert das waren seine politischen Ideale. Von dem Gesez der Entwicklung, von der Demantkette des ursächlichen Zusammenhangs in Staat und Gesellschaft und Menschengeschichte hat er keinen Begriff. Absolutistisch- despotisch in seiner Welt­anschauung, siet er in der Masse der Menschen nur Nullen, die erst dadurch Wert erlangen, daß ihnen ein Heros" als Ziffer vorgesezt wird. Wie grundreaktionär diese Auffassung ist, bedarf keiner Ausfürung. Nicht, daß Carlyle servil gewesen wäre! Aber seine verkehrte Auffassung ließ ihn gegen die Freiheitsliebe, die er zu haben vermeinte, die tollsten Verstöße begehen. Wenn nur irgendwo eine gewaltige Kraftäußerung war, dann war er mit seiner Bewunderung bei der Handbald die ateistischen Helden der französischen   Revolution, bald der Gottesstreiter Cromwell, bald der Freigeist Friedrich der Große  -, auf den Inhalt kam ihm nicht viel an. Nur Kraft! Und keine Un­ehrlichkeit, oder was er dafür hielt. Mit dem französischen  Kaiserreich, dem ersten wie dem zweiten, hat er sich nie be­freundet.

In seiner Schrift über den Chartismus schwärmt er für die demokratische, ja sozialistische Chartistenbewegung; fünfundzwanzig Jare später schwärmte er ebenso glühend für den Sonderbund der amerikanischen   Sklavenbarone; und wieder zehn Jare später für die Aera Bismarck   in Deutschland  .

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Wenn zufällig seine Heroworship ein demokratisches Objekt findet, so ist er demokratisch, allein seiner ganzen Auffassung nach ist er reaktionär, und, indem diese Auffassung auf Un­fentnis der geschichtlichen Bewegungsgeseze beruht, auch un­wissenschaftlich.

Das hindert jedoch nicht, daß wir der Bedeutung des Mannes, als Vertreter seiner Weltanschauung und als Schriftsteller volle Gerechtigkeit widerfaren lassen.

Ein Torbeerkranz.

Das Ende eines Dichterlebens.

L.

Die feinste Gesellschaft war es just nicht, die sich an einem| London   aufzuhalten gezwungen sein. Er war so winzig, daß er Augustabende des Jares 1592 in der Schenke zum Eberkopf" in Eastcheap zusammengefunden; trozdem konnte sich der Wirt, Mr. Dick Speedy, in seiner bombastischen Redeweise( er war früher Schauspieler am Globe gewesen) mit einigem Rechte rümen, daß ,, Altengland all seinen Wiz nnd seinen Geist im, Eberkopf einzukeltern und zum Ueberschäumen zu bringen pflege,- frei­lich gibt's nicht immer auch ein reinlich Getränk!" sezte für sich selbst der ehrliche Dick Speedy stets hinzu.

frei

In dem niederen, dunkelgetäfelten und dunstgefüllten Zimmer reihte sich eine ware Musterkarte von Zecherphysiognomien um die rohgezimmerte schwere Eichentafel. Den Ehrenplatz am oberen Ende der Tafel behauptete der Ritter Sir John Oldcastle  , in gewonter Manier irgend eine seiner abenteuerlichen Heldentaten erzälend, wie er sie im jüngsten niederländischen Feldzuge unter dem Kommando Robert Dudleys, Grafen von Leicester, zu Duzen­den verübt haben wollte. Zu seiner Rechten hatte sich ein kleines, vertrocknetes Männchen niedergelassen, das den übrigen Gästen von Sir John als Mr. Scabby, sein Jugend- und Studienfreund vom Klementshof und derzeitigen Friedensrichter Ihrer Majestät in Glostershire, vorgestellt worden war, der sich in Geschäften in

für einen Kurzsichtigen völlig unsichtbar wurde, der ware Typus des Hungers. Man hätte ihn und alles, was an ihm war, be­quem in eine Aalhaut packen können. Zur Linken Oldcastles nickte das rote Vollmondgesicht eines untersezten kräftigen Mannes in schottischer Tracht, aus welchem Gesichte ein paar kleine, ver­quollene Aeuglein über eine kupferne, knollige Nase hinweg Mr. Scabby weinselig anblinzelten, weil dieser auf Anregung Sir Johns ,, dem tapferen Hochlands- Clan Bardolph M Clire" hatte den leeren Krug füllen lassen.

Am unteren Ende des Tisches stand, heftig gestikulirend, ein blasser, schmächtiger Gesell unter einer Gruppe lachender und scherzender Schauspieler und mer oder weniger bekanter Schrift steller. Das feine, aber ziemlich abgeschabte Wams des noch jungen Mannes, wie auch die nicht unschönen, nur verlebten Züge deuteten auf eine bewegte Vergangenheit ihres Besizers. Seine Rede wurde häufig von Hustenanfällen unterbrochen, welche die bleichen Wangen mit jener hektischen Röte färbten, die im Volts­munde Kirchhofsrosen genant werden.

Unter den übrigen Gästen am Tische selbst fiel noch ein mit gesuchter Eleganz gekleideter Stuzer auf, über welchen dem