Wir müssen wieder einmal ein vernünftiges Propatria haben! Mit wem fangen wir an?
Einen Widerspruch gab es nicht. Der Gegner war bald gefunden. Zwei Chargirte sagten am folgenden Morgen das Propatria an. Jene elf Paukereien fanden statt, oft blutig genug.
Und es waren nicht unreise Gelbschnabel, die so taten, es waren gereifte Männer, mutige Krieger, die in blutigen Feldschlachten gekämpft und gestritten hatten, für das deutsche Vaterland, für deutsche Freiheit, für deutschen Namen, für deutsche Ehre!
Und jezt mutwillige Knaben?-
Ei, höre ich meine Leser, die nicht Studenten waren, aus rufen, ein solches Universitätsleben soll ein ganz besonderer Vorzug des deutschen Lebens sein, um den andere Nationen uns beneiden? Es soll jedem, der es mitgemacht hat, die liebendste und erhebendste Erinnerung seiner Jugend bleiben?
427
Ja! kann ich antworten und muß ich antworten. In dem deutschen Studentenleben kann nie die Gemeinheit aufkommen. Sein Grundsaz und seine Grundlage ist die Mannesehre. Es hat seine Derbheiten; es hat seine Roheiten. Aber nie fann es die Gemeinheit in sich aufnemen. Ein Student, der eine Gemeinheit begangen, durch irgend eine Handlung oder Aeußerung einen gemeinen Sinn an den Tag gelegt hat, ist von dem Augenblicke an aus der Studentengemeinschaft für immer ausgeschlossen, ausgestoßen. Die Staatsbehörde, der sein Benemen bekant wird, muß ihn cum infamia relegiren, und relegirt ihn so, wenn sie nicht die Ehre und mithin die Existenz der Universität preisgeben will. Für die Genossenschaft der Studirenden ist er auch one Relegation schon ein Aussäziger.
Und was jene Studentenverbindungen betrifft, von denen ich sprach und von denen ich nur ihre eine, nicht gerade liebenswürdige Seite berürte, so haben sie auch noch eine andere, Hochehrenwerte, für das ehrenwerte Studentenleben nicht hoch genug anzuerkennende Seite, die ich hier hervorheben muß.
Die Studentenverbindungen sind auf die Ehre gegründet. Jede
-
-
-
-
einzelne Verbindung- so namentlich die Landsmanschaften hat zur ersten und lezten Aufgabe, den Sinn für Ehre in ihren Mitgliedern den Landsleuten zu hegen und zu pflegen; darüber zu wachen, daß deren Leben nach allen Seiten den Anforderungen der Ehre entspricht, der Ehre des Studenten wie des Mannes überhaupt. Das Mitglied einer studentischen Verbindung hat eine doppelte Verpflichtung, auf das strengste die studentische Ehre zu beachten; aber auch im übrigen den Geboten der Ehre sich zu unterwerfen. Er muß die Regeln des Wolanstandes in seiner äußeren Erscheinung befolgen; er darf mit niemandem verkehren, dessen Ehre nicht von der Verbindung anerfant ist; er darf keine Schulden machen; er muß seine Kollegien besuchen; er muß schlechte, anrüchige Häuser vermeiden; er darf kein Spieler, kein Trinker sein; fein roher Händelsucher, kein Skandalmacher". In ehrenhaften Verbindungen und eine nicht ehrenhafte Verbindung würde auf einer deutschen Universität auf die Dauer gar nicht bestehen können- wird auf das alles mit einer großen Sorgfalt, mit einer fast peinlichen Eifersucht gehalten. Die Chargirten überwachen die Füchse, die Brandfüchse, selbst noch die jungen Burschen"; erst der alte Bursch", ein schon bemostes Haupt, gilt als bewährt. Die eigentliche Seele dieser Ehrenwache ist der Senior der Verbindung.
"
-
Und gleichwol jene Roheiten, von denen ich vorhin erzälte? Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten. Die Gegensäze berühren sich. Und abgesehen von Sprüchwörtern und Gemeinpläzen einerseits sind Roheiten noch keine Gemeinheiten, und andererseits was man freilich wiederum als einen Gemeinplaz anklagen mag ist des jugendlichen Mutes natürlicher Bruder
der Uebermut.
-
-
Dem alten Manne, der, wärend er diese ,, Erinnerungen" niederschreibt, nahe vor der Vollendung seines dreiundachtzigsten Lebensjares stet, verzeihe der geneigte Leser die obigen Abschweifungen.
Ich kehre nach Göttingen , zu dem Jare 1816 zurück. ( Fortsezung folgt.)
Wunderliche Heilige.
Bilder aus der Kulturgeschichte des elften Jarhunderts. Von Dr. Max Vogler.
Es kam aber auch Meinwerk zuweilen garnicht darauf an, besonders wenn es sich darum handelte, Kleinodien und Prachtstücke in seinen Besiz zu bringen, ganz eigenmächtig zu verfaren. So wußte er mannichfachen Kirchenschmuck und Priestergewänder, darunter einen kostbaren Becher und einen wertvollen Mantel, auf solche Art zu erlangen. Den lezteren zumal hatte er sich auf eine so gewaltsame Weise angeeignet, daß der sonst immer nachgiebige Kaiser beschloß, sich für den ihm zugefügten Schaden zu rächen. Es geschah dies durch einen recht hübschen Scherz. Der Kaiser wußte, daß Meinwerk in der lateinischen Sprache nicht ganz fest war und das war ja grade bei den hochgestellten Geistlichen der damaligen Zeit nichts seltenes; des halb benuzte er eine günstige Gelegenheit, um mit Hülfe eines Kaplans in sein Meßbuch bei den Worten pro famulis( domini)" ( für die Diener des Herrn) das" fa" auszukrazen, und befal nun dem Bischof, am folgenden Tage eine Seelenmesse für des Kaisers Eltern zu lesen. Mit großer Ruhe betete der Bischof" pro mulis"( für die Maulesel des Herrn) und verbesserte erst nachher, durch das Benemen der Anwesenden aufmerksam geworden, den Jrtum.- Er entging dadurch dem Spotte des Kaisers und des Hofes nicht. Für meinen Vater und meine Mutter" sagte Heinrich solltest du beten und nicht für die Ejel!"- Der Bischof drote ihm mit dem gött lichen Zorn und ließ nachher seine Wut an dem Kaplan des Kaisers aus, indem er diesen geißeln hieß und dann seinem Herrn zurücksenden.
-
"
In der Schlauheit, die weltlichen Gebieter zu Geschenken an sie zu bewegen, haben sich übrigens die geistlichen Herren von damals, und bekantlich mehr oder minder zu allen Zeiten, gegenseitig überboten. So machte z. B. der Bischof Leo von Barcelli ( zur Zeit Konrads II. , des Nachfolgers des im vorstehenden oft genanten zweiten Heinrich) dem Herzog Wilhelm von Aquitanien trügerische Aussicht auf die Krone von Italien , verfelte aber nicht, denselben gleichzeitig um eine Gabe anzugehen, indem er ihm u. a.
( Schluß.)
schrieb:" Sei nicht betrübt, teurer Freund, wenn die Lombarden Dich hintergangen haben. Ich werde Dir den besten Rat geben, wenn Du mir trauen willst. Sei getrost, unbekümmert um das Vergangene, vorsichtig für die Zukunft. Schicke mir ein wunderbares Maultier, tostbares Baumzeug und einen prächtigen Teppich, um den ich Dich schon vor sechs Jaren bat. Warlich, ich sage Dir, Deine Gabe soll Dir nicht verloren sein, und ich will Dir geben, was Du willst." Der Herzog Wilhelm war feineswegs auch seinerseits klug genug, die betrügerische Absicht des Bischofs zu erraten, und schrieb ihm u. a.," er warte auf Leo's besten Rat, ein wunderbares Maultier hätte er nicht, warscheinlich meine der hochwürdige Herr eines mit Hörnern oder drei Schwänzen oder fünf Füßen, dergleichen leider im Land Aquitanien nicht zu finden seien, doch würde er ihm nächstens ein gutes Tier schicken, - betreffs des Teppichs habe er vergessen, wie lang und breit er sein solle, er bitte daher um nähere Nachricht darüber u. s. w." Aenliche Fälle, in denen die Geistlichen fast immer, wie hier, ihren Zweck erreichten, waren damals etwas ganz gewönliches.
-
Den im vorstehenden mitgeteilten flüchtigen Zügen aus dem Leben des Bischofs Meinwerk die auch wir in der Absicht erzält haben, daß so hoher Personen Tugenden nicht durch des Schweigens Ungefähr verborgen bleiben," wie wir uns nach der Art damaliger Geschichtschreiber im Anschluß an Sulpicius Se verus ausdrücken seien noch einige Tatsachen über einen anderen, kaum minder wunderlichen Heiligen jener Zeit, über den Bischof Megingaud von Eichstädt, den Freund kurzer Messen und langer Tafeln," so bezeichnet ihn Sugenheim lakonisch hinzugefügt.
-
Megingaud war gleich Meinwerk ein naher Verwanter Kaiser Heinrichs II., dem er jedoch auch nicht das allergeringste Entgegenkommen bewies. Als der Kaiser beispielsweise an die Gründung des Bistums Bamberg , seiner, von ihm in jeder Weise ausgezeichneten Lieblingsschöpfung, ging, gewann er dafür allmälich die Zustimmung sämtlicher Bischöfe und weltlichen Großen,