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stetig fortschreitender Körperzuname sind zunächst die Abname des Wassergehalts in der Wechselwirkung( oder im Kampfe) des Organismus mit der Außenwelt, und das Herannahen, beziehungsweise Hervortreten des Beugungstriebes. Die fortschreitende Abname des Wassergehalts der Körpermassen wird zulezt die Ursache des Rückgangs der Leibesdimensionen und der Abname, des Aufhörens der Fortpflanzung.
Es scheint der aktive Aether auch an ganz bestimte Proportionen von festen Bestandteilen und Wasser sich zu knüpfen und bei einem unter ein gewisses Minimalmaß gefallenen Wassergehalte nicht mehr an die Formelemente gebunden bleiben zu können. Es schwebt hier nur der Zustand des gesunden Lebens mir vor. Könte das Ausgesprochene mit Genauigkeit erwiesen werden, könte etwas von den Beziehungen des aktiven Aethers zu der Chemie des Leibes festgestellt werden, so wäre der Einsazpunkt des Hebels für die Erkentnis der Seele und deren Rapporte zu dem Individuum gewonnen.
Der Einfluß des Lichtes auf den Organismus bedingt die stetig fortschreitende Abname des Wassers in den Formelementen und Flüssigkeiten, und das Ausreifen des Individuums im ganzen und in seinen Einzelheiten. Je intensiver das Licht, desto früher das Lebewesen auf der Höhe seiner Entwickelung, reif; daher komt es, daß man, von den Polen nach dem Aequator aufsteigend, die Reife der Menschen immer früher eintreten siet, die Fähigkeit
der Fortpflanzung immer früher erscheint, die Komplexion bestimter, das Temperament ausgeprägter, die Nervenaktion heftiger wird. Kann man hieraus schließen, die Individualität des Menschen präge mit der zunemenden Intensität des Lichtes stärker sich aus? Nur wenn man gewisse begrenzte Gebiete, z. B. Erdteile in das Auge faßt, bestimte Menschenarten und Menschenrassen, möge man diese Frage mit Ja beantworten. In Europa nimt die Lichtstärke von Norden und Often nach Süden und Westen zu. Ganz dieser Zuname entsprechend tritt das Individuum früher in seiner Besonderheit und physischen, moralischen, gesellschaftlichen Selbständigkeit hervor, je weiter man von Nordost nach Südwest sich begibt; es wird in diesem Maße die Individualität demnach deutlicher auskrystallisirt sich zeigen. Man vergleiche den mittleren Großrussen mit dem durchschnittlichen Südfranzosen am Mittelländischen Meere und stelle dazwischen die Repräsentanten des Durchschnitts aus den Nationen, welche an der Linie MoskauMarseille wonen, und mein Ausspruch ist in aller und jeder Beziehung bestätigt.
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In den Klassen der Gesellschaft, welche mehr oder minder dem Einflusse des Lichtes entzogen wird, tritt die Reife später ein, sind Komplexion und Temperament weniger bestimt, und gelangt die Individualität in geringerem Maße zur Ausprägung, als in den besser gepflegten Klassen.
Harmlose Plandereien und Geschichten.
( IV. Die schlimste Nacht meines Lebens. Matthäi am lezten mit meinen Kräften. - Die Aussicht, umzukommen.- Der Herr Feldprediger. - Ein Nachtlager und seine Folgen.)
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Es konte nur eine ganz kurze Zeit gewesen sein, wärend der ich bewußtlos dalag. Als ich mich zu erheben vermochte im ersten Augenblick allerdings nur auf die Kniee hörte ich unsere Truppen noch an mir vorbeistampfen. Mit Mühe und unter heftigen Schmerzen im Leibe gelang es mir, mich auf die Beine zu stellen. Dabei erkante ich, daß ich über eine zerschmetterte Lafette gefallen war. Eine rasche Betastung der schmerzenden Stellen meines Körpers ergab, daß nichts gebrochen oder äußerlich verlezt war. Aber der Versuch rasch zu laufen, oder auch nur ein einigermaßen hinreichendes Marschtempo anzuschlagen, scheiterte kläglich. Mit jedem Schritte war es mir, als müsse ich wieder zusammenbrechen und nur ganz langsam fonte ich vorwärtshumpeln auf mein Gewehr gestüzt, mich mit ihm vorwärtsstemmend und alle Minuten stehend bleibend, um Atem zu schöpfen.
Als ich wieder dicht an unsre Marschlinie herangekommen war, erfante ich, daß unser Regiment bereits auch in seiner lezten Kompagnie an mir vorbei war etwa der vorlezte Zug unsrer Brigade war es, den ich eben im Eilschritte vorwärtsgehen sah.
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Ein mir fremder Hauptmann bemerkte mich und fragte, als er mich neben seiner Kompagnie hinschleichen sah, in nicht unfreundlichem Tone, was mir fele.
In wenigen Worten schilderte ich ihm mein Misgeschick. Ich sah, wie der Mann die Achseln zuckte dann sagte er:
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Ihre Lage ist fatal. Aber Sie sind Soldat und werden Sich hinein zu finden wissen. Daß Sie nicht mehr vorwärts können, glaub' ich gern. Was Sie machen sollen, weiß ich nicht. Krankenwagen werden Sie an der Queue unsrer Kolonne heute nicht finden. Also suchen Sie irgendwo unterzukommen. Viel Glück."
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Damit verschwand er, so geschwind als er konte, im nächtlichen Dunkel. Der Mann hat deine Situation richtig erfaßt, sagte ich zu mir selbst. Guter Rat ist jezt für dich teuer, wol unbezalbar teuer. Der, den er gab: ,, Suchen Sie irgendwo unterzukommen!" war, um ein ein geflügeltes Wort neuster Zeit zu gebrauchen, billig und schlecht. Die einzige Möglichkeit für einen Soldaten in meiner Lage ein leidliches Unterkommen zu finden, wären die Krankenwagen gewesen, deren mehrere bei gewönlichen Märschen hinter jedem Regimente dreinfaren. Heute hatte man sich damit keine Umstände gemacht. Unsere Armee sollte offenbar so beweglich als möglich und von allen nicht unbedingt nötigen Anhängseln frei sein. Und die Losung war, wie es unser Batallionskommandeur völlig zutreffend angekündigt hatte: Was fällt, fällt!" Das heißt aus dem Tautologisch- Lafonischen ins Allgemeindeutliche übersezt: Wer nicht mit vorwärts kann, wird seinem Schicksal überlassen, gleichviel ob dieses in dem Untergange bestet oder nicht. Untergehen, umkommen, hülfflos umkommen gewiß! In meinem Zustande, mit den immer zunemenden, kaum noch das Aufatmen gestattenden Schmerzen im Leibe konte ich mich nicht mehr lange vorwärts schleppen, dann mußte ich auf dem Landwege, den ich neben den an mir vorüberziehenden Truppen in die Nachtfinsternis hinein entlang taumelte, zusammenbrechen. Wollte mir das Schicksal besonders übel, so marschirte vielleicht schon die nächste Kompagnie über meinen Leib hinweg. Wenn die Menschen nun auch alle den am Boden liegenden Kameraden mit ihren Fußtritten verschont hätten, was bei der Eilfertigkeit des Marsches und der Dunkelheit der Nacht fast
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unmöglich war, die Pferde und Kanonen am Ende unsrer Marschkolonnen namen solche Rücksicht sicherlich nicht. Also zertreten und zermalmt werden das Los fonte mich in wenigen Stunden, vielleicht Viertelstunden oder noch eher, treffen.
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Aber ich konte ja Glück haben. Vielleicht ging der ganze, meilenlange Zug von Soldaten und Geschüzen, der jezt noch hinter mir war, an mir seitlings vorüber, one daß mir ein Har gekrümt wurde!
Vielleicht! Aber wenn auch! Was wurde aus mir dann? War unser Korps des Weges dahin, kam schwerlich dieselbe Bahn ein andrer deutscher Truppenteil am nächsten oder den folgenden Tagen schon. Wenn ich also auf menschliche Hülfe rechnen wollte, so konte sie höchst warscheinlich nur kommen von den französischen Bewonern dieser Gegend. Und war vorauszusehen, daß diese unmittelbar nach dem Gemezel der jüngstvergangenen Zeit, unmittelbar nach der furchtbaren Niederlage, der für den französischen Nationalstolz warhaft zerschmetternden Demütigung von Sedan die Humanität und allgemeinchristliche Nächstenliebe soweit treiben würden, einen einzelnen, hülflosen, oder doch wenigstens nur wenig widerstandsfähigen, ihnen auf Gnade oder Ungnade überlieferten Feind zu pflegen oder auch nur zu schonen?
Schwerlich! Ganz im Gegenteil war uns von mehreren unserer höheren Offiziere wiederholt und sehr dringlich ans Herz gelegt worden, wir möchten uns vor den Bewonern des feindlichen Landes ja nach Möglichkeit in acht nemen, schon viele der infolge von Uebermüdung, Erkrankung oder Verwundung Zurückgebliebenen seien der Erbitterung des unter den Drangsalen des Krieges sicherlich ja furchtbar leidenden französischen Volkes zum Opfer gefallen, förmlich hingeschlachtet oder wie tolle Hunde totgeschlagen worden.
mann
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Bei solchen Aussichten allein zurückbleiben, war gewiß nicht verlockend. Es blieb nichts übrig, als alle Kräfte aufzubieten und hinter unsern Truppen herzuschleichen, solange auch nur die geringste Spur den Weg verriet, den sie eingeschlagen hatten. Sie mußten doch endlich einmal irgendwo halt machen und Quartiere oder ein Biwack beziehen. Ich biß die Zäne aufeinander, so fest ich konte, und schleppte mich weiter. Wie Schemen zogen Truppen auf Truppen an mir vorüber. Unter den tausenden bekümmerte sich fast niemand um mich. Einige Jäger riefen mir freundliche Worte der Teilname zu, einer von ihnen ließ mich einen Schluck aus seiner Feldflasche nemen, und ein junger Arzt fragte mich, was mir fele. Dann tat er wie jener Haupter zuckte die Achseln, sprach ein par nichtssagende Worte und eilte davon. Eines fiel mir auf: es fiel auch nicht ein barsches, böses Wort wider mich, der ich doch nur den Eindruck eines jener Maroden, wenn auch arg Maroden, machte, wie sie bei jeder marschirenden Soldatenabteilung in Feindesland so äußerst ungern gesehen werden. Aber die Ursache lag nahe: die Ermüdung war zu allgemein und durch die ausgestandenen Strapazen dieses und der vorangegangenen Tage allzu berechtigt, als daß jezt, nach wenigstens 9 Stunden lang ununterbrochenen Geschwindmarsches sich viele auch von den rauhesten und robustesten Offizieren gefunden, die zu einem brüsten Verdammungsurteil Lust gehabt. Dagegen war das Gefül, daß es bei allen nicht mehr lange gehen könte, allgemein.
,, Qual' dich nicht, Bruder," riefen mir die Jäger zu ,,, leg' dich ruhig in den Graben. Heut müssen wir alle dran glauben, das hält tein Teufel aus, wenns auch nur noch eine Stunde dauert, liegen wir alle da!"
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Mehr als ein Offizier hörte, wie die Leute so riefen, teiner erwiderte eine Silbe mehr, am liebsten hätten sie sich gewiß auch auf