Aber er war ein zerschlagener Mann; der Schweiß rann ihm in Strömen von der Stirn; das Gesicht war kreideweiß; die Sprache versagte ihm zum öfteren; das Gefül war über ihn gekommen, daß er ein vernichteter Mensch sei.

460 den Tag zu legen. Und nun wurden sie alle als Straßenbuben| gescholten, als Straßenbuben behandelt. Sie waren wie aus Sie waren wie aus den Wolfen gefallen, diese jungen Männer. Sie trauten zuerst ihren Ohren nicht; sie hatten dann Blicke der Verwunderung, des Zorns, der Scham, des Erschreckens fast. Sprechen, sich verteidigen durften sie unaufgefordert nicht. Und wie hätte der Reltor, zumal in seinem Eifer, sie dazu auffordern sollen?

Jenes Häuflein der Unruhstifter da hinten auf den lezten Bänken des Auditoriums aber?

Helle Freude stralte in ihren Gesichtern, der Hohn, die Frech­heit der Schadenfreude!-

Der Herr von Münchow war endlich mit seiner Philippika fertig. Er schloß sie mit einer entsprechenden Drohung, entfernte sich mit seinem Bedellen.

Der Herr Makeldy? Niemals hat ein Mann mir mehr Mit­leid eingeflößt, als der arme Makeldy in jenem Augenblick, da der Rektor sein Auditorium verließ, und in den drei Viertel­stunden, die darauf folgten. Er mußte sein Kolleg fortsezen.

Wir, die Zuhörer Makeldy's?

Der Korpsgeist ist doch ein wunderbares Ding! Bei den Lieutenants wie bei den Studenten! Und doch wie so ganz ver­schieden bei den einen und bei den andern! Bei jenen in der Disziplin, bei diesen in der Freiheit!

Kein Blick, kein Wort war in drei Viertelstunden gewechselt, die das Kolleg noch danerte. In der größten Ruhe, Stille und Ordnung wurde dann der Hörsal verlassen. Aber im gehen sprach jeder zu dem andern:

Um vier Uhr heute Nachmittag in der Vinea domini!"

Die Vinea domini( der Weinberg des Herrn") war ein großer öffentlicher Garten bei Bonn  , in welchem die allgemeinen Zu­sammenfünfte der Studenten stattzufinden pflegten, die allgemeinen " Burschenversamlungen".

Michie's Schopfhirsch.( Seite 468.)

An den allgemeinen Burschenversamlungen nam jeder, honorige" Student teil, gleichviel, ob er einer Verbindung angehörte oder nicht. Honorig" war jeder Student, der Satisfaktion" gab. Die Kameele" waren es nicht. Nur die anständigen Zuhörer des makeldy'schen Kollegs hatten sich zu der Vinea domini bestellt. Die ruppigen Schreier waren selbstverständlich ausgeschlossen.

Jene hatten sofort die Bestellung weitergegeben an Freunde und Bekante. Was in dem Garten zu verhandeln war, betraf die Ehre der ganzen honorigen Studentenschaft in Bonn  .

Um vier Uhr nachmittags waren über dreiviertel der bonner Studirenden in der Vinea domini versammelt.

Die Universität Bonn   zälte damals an oder über tausend Studirende. Ihre Frequenz hatte ihren Höhepunkt erreicht; sie ist nie wieder zu ihm hinaufgelangt. Die Schuld trug das Er­eignis, von dem ich hier erzäle. Es war eine schlimme Kata­strophe für das schöne Bonn  .

An achthundert Studenten waren in dem Garten beisammen. Alle waren voll tiefster Entrüstung über die schmachvolle Be­Handlung, die in jener rohen Weise öffentlich der ehrenhaften bonner Studentenschaft zugefügt worden war. Alle waren von der Ueberzeugung durchdrungen, daß den Studenten eine Genug tuung zuteil werden müsse, und von dem Verlangen, sich diese

zu verschaffen. Die Ansichten gingen nur darüber auseinander, worin diese Genugtuung bestehen solle, und da machten zulezt zwei sehr verschiedene Meinungen sich geltend.

Eine dritte, zuerst aufgeworfene, war auch zuerst wieder be­Es war die, von dem Rektor der Universität seitigt worden. eine öffentliche, wenn auch nicht Abbitte, doch Ehrenerklärung zu fordern, dahin, die Worte, die er an das Auditorium Makeldy's gerichtet, hätten nur dem kleinen Haufen der gemeinen, wüsten Schreier des Sales gegolten; in keiner Weise hätte aber der überwiegend größere, anständige und ehrenwerte Teil der Zuhörer­schaft dadurch betroffen werden sollen.

Es war eine Erklärung, die nach allen Seiten der Warheit entsprach, die keine Abbitte enthielt, für den Rektor umsoweniger irgendeine Demütigung enthalten fonte, als sie nur seine Worte auf den richtigen Sinn zurückfürte, den sie nach seiner Absicht hatten aussprechen sollen. Man brauchte aber nur an die preußische Bureaukratie zu denken, den glatten und flachen märki­schen Junker Münchow sich anzusehen, und sich den hundertsten Teil von dem ins Gedächtnis zurückzurufen, was man aus des Herrn von Rehfues früherer Wirksamkeit als Erzieher des würtembergischen Kronprinzen in Erfarung gebracht hatte, und was von seinem übermütigen, herschsüchtigen und gewalttätigen

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