Er machte eine Pause, meine Erwiderung zu erwarten.
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Ich mußte sprechen. Ich war ruhig geblieben; ich war unzweifelhaft ruhiger als er, und wenn gleich sein Aeußeres nicht die mindeste Unruhe verriet, so hatten seine Worte doch kundgegeben, daß in seinem Inneren sich ein Gewitter angesammelt hatte, dessen Losbrechen mit jedem Augenblicke zu erwarten war. Mit meiner Ruhe erwiderte ich seinem Vorwurfe:
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Und wodurch, Herr Geheimrat, sollte ich meine Pflichten und Rücksichten verlezt haben?"
Er war doch der hohe und vorneme Beamte, der ganz seine Ruhe beibehalten konte, um mit desto größerer Strenge mir vorzuhalten:
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, Sie haben den Beschluß durchgesezt, die Universität Bonn in Berruf zu erklären. Daß Sie auf der hiesigen Universität nicht ferner geduldet werden dürfen, verstet sich von selbst. Sie
haben noch heute die Stadt zu verlassen! Den Gesezen gemäß müßte eine öffentliche schimpfliche Relegation Sie treffen. Ich habe Abstand davon genommen, weil die Schmach einer solchen Maßregel auf den Prinzen und das hohe fürstliche Haus zurückfallen würde. Ich werde aber noch heute Seiner Durchlaucht dem Fürsten zu Bentheim Anzeige erstatten, daß und warum Ihre Ausweisung von hier erfolgen mußte. Eine gleiche Mitteilung werde ich Ihrer vorgesezten Justizbehörde machen. Wird Ihre amtliche Laufbahn zerstört, Sie haben es sich selbst beizumessen."
Eine fernere Erwiderung war mir dadurch abgeschnitten. Was hätte ich ihm auch noch sagen können?
Der Prinz und ich verließen Bonn noch an demselben Tage. Wir gingen nach Marburg . ( Fortsezung folgt.)
Cin kleiner Streber.
Ein Stück modernsten Menschenlebens.
1. Der Bauer wird Gärtner . Christian, oder wie er genant wurde, Christel Flizmeyer, war der Son eines unbemittelten Landmans und, wie sich das sowol nach den gegebenen Verhältnissen wie der Sitte der Gegend von selbst verstand, ebenfalls für den Ackerbau bestimt. Diese Bestimmung jedoch, die natürlich vom Vater ausging, war garnicht so recht nach den Wünschen des Sones. Nicht als ob hervorragende Geistesanlagen ihn für eine höhere Laufbahn befähigt und danach zu streben berechtigt hätten, sondern weil sich schon von frühe an eine eigentümliche Neigung bei ihm geltend machte. Er war einige male mit in die Hauptstadt genommen worden, und da hatte er, wie man zu sagen pflegt, Feuer gefangen. In einer solchen Stadt, so dachte sich im stillen der unerfarene Knabe, da müßte es sich herlich leben lassen, und darum hielt er schon des Wonorts wegen einen jeden Städter für glücklich.„ Ach," seufzte er oft im stillen, wenn ich doch auch in der Stadt leben könte! Aber das ist ja für den Bauern nicht möglich, den kann man ja nur solange in der Stadt gebrauchen, als er von den Erzeugnissen seines Feldes und seiner Arbeit zum Verkaufe dahin bringt, dann muß er wieder in sein Dorf zurückkehren." Zudem sah Christel noch, wie der Bauer von den Städtern in herablassender, ja oft nichtachtender Weise behandelt wurde, und das ärgerte ihn. Wenn er dann noch Altersgenossen auf den Straßen der Stadt oder vor derselben einhergehen sah, wie sie sich so ganz anders benamen, so flink und fix, so beneidete er sie darum, und kam sich selbst als ein recht dummer und ungeschickter Bauernjunge vor. Das alles wirkte zusammen, sodaß Christel sich schämte, ein Bauernjunge zu sein. Sein einziges Sinnen und Trachten ging von dieser Zeit ab dahin, den Weg ausfindig zu machen, auf welchem er etwas andres werden konte als ein Bauer, einen Lebensberuf ergreifen zu können, der es ihm ermöglichte, in der Stadt Beschäftigung zu finden, und daher dort wonen, sowie das vermeinte Glück eines solchen Aufenthalts mitgenießen zu können. Nun winkten ihm allerdings drei Jare Soldatenleben, wenn auch etwa nicht grade in der Hauptstadt, so doch überhaupt in einer Stadt. Allein bis dahin mußten immer erst noch einige Jare vergehen, sodann hatte er schon gehört, daß das Soldatenleben auch seine großen Schattenseiten habe und so mancher aus der Kaserne mit der größten Herzensfreude nach seinem Dorfe zurückkehre. Aber selbst wenn das alles nicht wäre, wenn er als Soldat sogar nach der Hauptstadt käme, und dort ein flottes Leben füren fönte, was sollte er beginnen, wenn die Zeit herum sein würde? Er mußte ja doch wieder zurück in sein Dorf und würde es dann jedenfalls noch unerträglicher finden, wieder den Bauern spielen zu müssen. Dieser Weg, der durch die Kaserne fürte, schien ihm also nicht als der richtige, und darum sann und grübelte er weiter, um einen andern zu finden.
An einem Herbsttage war Christel wieder einmal mit seiner Mutter nach der Hauptstadt gefaren, und zwar mit einem Wagen voll Kartoffeln, um dieselben zu verkaufen. Sie hatten ihren Wagen kaum auf dem Marktplaze aufgestellt, als schon ein Mann kam, die Kartoffeln untersuchte und sofort den ganzen Wagen voll kaufen zu wollen erklärte, wenn er den Sack zu dem von
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ihm gebotenen Preise erhielte. Man war bald handelseinig und der Mann bat, nur mit ihm zu kommen und die Kartoffeln nach dem Besiztum seiner Herschaft zu faren, das außerhalb der Stadt liege. Er sei nämlich, so erklärte der Käufer, der Gärtner des allbekanten großen Fabrikanten Gensbach. Die Fabrik lag nicht gar weit vor dem Tore der Stadt, bald war man da, lud die Kartoffeln ab, die Frau nam das Geld in Empfang und ließ sich, da es noch früh am Tage war, von der Frau des Gärtners zu einer Schale Kaffee einladen, wärend der Gärtner dem Christel ein Gläschen Korn vorsezte und hierauf ihm das Besiztum, die Fabrik, soweit der Eintrit gestattet war, das Herschaftshaus mit Park und Garten u. a. zeigte. Dieser Vormittag war für Christel entscheidend. Schon beim Verkaufe der Kartoffeln war ihm aufgefallen, daß der Käufer ein näheres Verständnis für Feldfrüchte und den Ackerbau besize, als er dann erfur, derselbe sei Gärtner und, wie er ihm beim Rundgange nachträglich noch bekante, ebenfalls vom Lande in die Stadt gekommen, da glaubte Christel seinen rechten Weg erkant zu haben. Die Gärtnerei war der dem Landwirt am nächsten verwante Beruf, Gärtner konnte ein Bauerjunge doch wol one besondere Schwierigkeiten werden, und- Gärtner brauchte man in der Stadt, als Gärtner fonte er in der Christel Flizzmeyer Stadt Beschäftigung finden und leben. beschloß, Gärtner zu werden. Wie er eine solche Veränderung anfassen werde, das wußte er selbst noch nicht, aber das mußte sich ja noch zeigen. Vorläufig behielt er seinen Entschluß noch in sich verborgen, weder der Gärtner noch die Mutter erfuren davon; der lezteren fiel nur die große Heiterkeit auf, welche ihr Christel auf dem Heimwege an den Tag legte, und als sie etwa auf der Hälfte des Weges an ein Gasthaus tamen, so forderte er seine Mutter auf, doch etwas einzukehren, um wenigstens, da sie sobald ihr Geschäft gemacht, nun ein gutes Glas Bier sich zu gönnen. Die gute Frau willigte zwar ein, schüttelte aber fragend das Haupt, denn das war noch nicht dagewesen.„ Junge, was hast du denn heute? Was ist denn nur los mit dir? Ich verstehe dich heute garnicht?" so lauteten die Fragen der verwun derten Mutter. Aber Christel gab keine erklärende Antwort, er lächelte nur und brachte eine Redensart, die er in der Stadt einmal gehört hatte, zur Anwendung, indem er mit der Mutter anstieß: Komm her, Mutter, wir sein's vergnügt und haben es Nach einer kleinen halben Stunde furen garnicht nötig." Mutter und Son vollends nachhause, und auf dieser lezten Strecke des Heimweges wunderte sich sogar der alte Schimmel darob, daß diesesmal eingekehrt worden und er etwas extras gekriegt habe.
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Der Winter kam und verging in der altbekanten Weise. Christel verrichtete seine Arbeit wie es sich gehörte, nur fiel auf, daß er schweigsamer war als sonst, oft über irgend etwas nachzudenken schien, oft auch leise vor sich hinsprach, wenn er sich allein und unbelauscht glaubte. Als aber das Frühjar kam, da bat er an einem schönen Sontage den Vater, allein in die Stadt gehen zu dürfen. Obwol dieser keinen besonderen Grund herausfinden, oder erfaren fonte, gab er doch dem Sone die Erlaubnis und dieser machte sich hurtig auf den Weg. In der Stadt angekommen, lenkte er seine Schritte zuerst nach der Gersbach'schen Fabrik