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Christel hielt Wort, ja er leistete noch mehr als das. Nicht| Flizmeyer hatte nämlich seine Sophie an den Altar gefürt. Wenn nur war er in sehr kurzer Zeit ganz in seine Arbeit eingeweiht, sondern er zeigte auch Fassungsgabe und Verständnis für Schwe­reres und bald konte er den Chemikern von Fach in vortrefflicher Weise zur Hand gehen. Die Unterweisung von Freund Bums dorf hatte sehr gute Folgen, sodaß Flizmeyer bald der erste und beste Hilfsarbeiter im ganzen Laboratorium war. Hatte er auch nicht Chemie studirt, konte also auch keine chemischen Prozesse vornemen und leiten, so hatte er sich doch in verhältnismäßig furzer Zeit die technischen Bezeichnungen sowie verschiedene Ge­wichts- und Mischungsverhältnisse gemerkt, sodaß er ein derartiges Recept wol zu lesen und allenfalls auch eine Zusammensezung danach zu machen verstand. Auf diese Weise wurde er nach und nach unentbehrlich für das große Laboratorium und erhielt Auf­gaben, welche man sonst nie einem Hilfsarbeiter übertragen hatte. Dieser seiner vorher von niemand geahnten Leistungsfähigkeit ent­sprechend war denn auch die Achtung, mit welcher man ihn be­handelte, sowie auch die Besoldung. So hatte Christel Flißmeyer in der Tat einen bedeutenden Schritt weiter getan, hatte sich um einen bedeutenden Grad höher hinaufgeschwungen und hatte von nun ab natürlich auch eine viel höhere Meinung von sich selbst. Doch, wer wollte es ihm verdenken, wenn er bereit und ent­schlossen war, nach Möglichkeit noch weiter zu gehen? sprach doch seit kurzer Zeit noch ein ganz anderer Faktor mit. Christel

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Edward Bulwer- Lytton  .

er als Soldat auch viel Zeit bei dem Gärtner verbrachte, so gab es doch noch Stunden genug, in denen er nichts anzufangen wußte, auch nicht besonders mit Groschen versehen war, und da folgte er denn dem Beispiele seiner Kameraden, d. h. er schloß mit einer Köchin ein zartes Herzensbündnis, welches nicht one Folgen blieb; allein er tröstete die Geliebte, daß er mindestens als Gärtner, wenn nicht in noch höherer Stellung, schon für sie sorgen könne und werde, sobald seine Dienstzeit vorüber sein werde. Und nun hatte er auch seiner Sophie Wort gehalten und der Kleine August entwickelte sich zu einem prächtigen Jungen. Aller­dings war die Wal   der Gattin jezt nicht mehr so ganz nach seinem Geschmack, und wer weiß, wenn das Kind nicht gewesen, ob er nicht anders gewält hätte, denn die gute Sophie fonte nur sehr notdürftig einige Worte zusammenbuchstabiren, von Schreiben war keine Rede, wenigstens zog sie es stets vor, zu sagen, daß sie es nicht gelernt habe, als eine Probe ihrer Schreibekunst sehen zu lassen. Aber, wie gesagt, Christel hielt Wort und die sonst brave Sophie wurde seine Frau. So war es also noch die Sorge, wenn auch erst nur für eine kleine Familie, welche zu seinem Ehrgeize hinzukam und mit trieb, alle Kräfte aufzubieten, um vorwärts zu kommen. Das Glück schien dem Manne zum drittenmal hold zu sein, wenigstens legte er es sich so aus und seine Sophie erst recht. ( Schluß folgt.) Dennoch war es dieses mal trügerisch.

Sein Leben und seine Werke.

Von allen englischen Romanschriftstellern ist Bulwer   der vielgelesenste und bekanteste, sein Name wird nicht nur in ganz Europa  , sondern auch in Amerika   und Australien   mit Anerken nung genant, obgleich sowol die Kritik als das Publikum sich nie darüber einigen konten, ob Bulwer   wirklich geniale Begabung besaß, oder ob er nur ein gelehrter und feingebildeter Schriftsteller von außerordentlichem Darstellungstalent, großem Fleiße und ungewönlicher Reflexionsgabe war. Wie dem auch sei, so hat Bulwer   durch die Mannichfaltigkeit und Vielseitigkeit seiner Werke bewiesen, daß er den Beruf in sich fülte, als Ritter vom Geiste für die Mitwelt zu arbeiten, und er hat dies in einer seiner eigentümlichen Begabung entsprechenden Weise getan. Er ist der Begründer des philosophischen Romans genant worden, dessen Entstehung und Blüte durch die damalige Richtung der englischen Politik seine volle Berechtigung hatte, welche jedoch der denkende Leser nur dann vollkommen zu begreifen und zu verstehen ver­mag, wenn er den Zeitpunkt der Entstehung der einzelnen Romane Bulwers in Betracht ziet.

Die englischen Kritiker, insbesondere die Herausgeber der Zeit­schrift Monthly Magazine" haben Bulwer   nicht volle Gerechtig­feit widerfaren lassen. Seine okratische Abkunft wurde ihm törichterweise zum Vorwurf gemacht; man sagte, er sei adel- und ahnenstolz, er schreibe nur für einen von Vorurteilen beherschten Leserkreis, nämlich für die obersten Zehntausend" in England, und idealisire dessen von Thakeray mit scharfem Sarkasmus ge­rügte Holheit. Dem ist jedoch nicht so, denn Bulwer   hat nicht einen einzigen Roman geschrieben, dessen Tendenz in einer Ideali­sirung des Adels bestehe. Was jedem unbefangenen, gerechten Kritiker an ihm auffällt, ist die Vielseitigkeit seiner Leistungen. In Deutschland   wird Bulwer   meistens nur als Romanschriftsteller erwänt, wärend wir bei genauem Ueberblick seiner Werke die Entdeckung machen, daß er auch lyrischer und dramatischer Dichter war, daß er außerdem auf dem Gebiete des Epos und der Satire bedeutendes leistete und sich sogar als Geschichtsschreiber versuchte. Wenn er nun auch auf allen diesen Gebieten nicht immer den höchsten Grad der Vollkommenheit erreicht hat, so muß ihm den­noch zugestanden werden, daß man bei wenigen Romanschrift stellern eine so gründliche klassische Bildung in Verbindung mit idealer Lebensauffassung und philosophirender Reflexion findet. Bulwer   hat alle Vorteile der sorgfältigen Erziehung, welche ihm zuteil wurde, mit ungewönlichem Eifer benuzt und verdankt die Anregung hierzu hauptsächlich seiner Mutter.

Sein Vater, General in britischen Diensten, starb schon im Jare 1807, und die Sorge für die Erziehung seiner drei Söne, deren jüngster Edward war, fiel also der Mutter, Elisabet   Barbara Lytton, der lezten Tochter und Erbin eines alten Adelsgeschlechts in Norfolk  , zu. Auf ihren Wunsch namen ihre Söne neben dem Familiennamen noch den Namen Lytton an.

Edward George Earle Lytton Bulwer   wurde am 25. Mai 1805 in Heydon Hall, dem Familiensiz der Bulwer   in Norfolk  , geboren. Seinen Vater verlor er schon in seinem zweiten Lebensjare. Seine Mutter war eine hochgebildete, feine und edle Dame, welche selbst eine ungewönliche poetische Begabung besaß und schon von frühester Jugend an den Sinn für alles Schöne und Künstlerische in ihres Sones Seele pflegte. In welch' hohem Grade der Dichter diesen mütterlichen Einfluß erkante und würdigte, beweist die schöne Widmung", welche er einer späteren Ausgabe seiner Werke bei­fügte. Er schreibt: Dein seiner und gediegener Geschmack gab mir Anregung zum Studium der Literatur, und Du, meine erste Fürerin auf diesem Gebiete, warst auch mein erster Kritifer. Erinnerst Du Dich noch der schönen Sommertage, welche uns so kurz erschienen, wenn Du mir alte Balladen oder Pope's Gedichte oder Deine eignen zarten Poesien vorlasest? In dieser ersten Anregung lagen die Keime derjenigen Blüten, welche ich jezt auf einen durch tausend Erinnerungen einer unaussprechlichen Liebe geweiten Altar lege."-

Unter der liebevollen Leitung einer solchen Mutter verfloß des Dichters Kindheit. Mrs. Bulwer wonte damals auf ihrem Landsize Knebworth in Hertfordshire  , dessen reizende Lage und Umgebung der Dichter später in hochpoetischen Schilderungen verherlichte. In seinem achten Lebensjare begannen seine Schul­lehrjare in einer Privaterziehungsanstalt in Brighton  , später be­suchte er noch ein Institut in Margate  . Seine Lehrer rühmten an ihm eine außerordentlich rasche Auffassungsgabe, sowie einen Lerneifer, wie er mit glänzenden Naturanlagen nur selten ver­bunden ist. Schon im dreizehnten Jare dichtete Bulwer  , in seinem fünfzehnten Jare wurde sein Erstlingswerk veröffentlicht, eine Dichtung, welche den Titel trug:" Ismael, an Oriental tale." Dieselbe ist Walter Scott   gewidmet, welcher, wie Bulwer   zugestet, zuerst das Feuer der Dichtung in ihm entzündet habe. Dieses Gedicht, welches von der damaligen Kritik teils mit albernem Spott, teils mit totaler Nichtbeachtung aufgenommen wurde, ver­rät troz mancher Formfeler dennoch unverkenbar Talent, und zeichnet sich durch eine edle Sprache und auffallenden Wol klang des Versbaues aus. In seinem achtzehnten Lebensjare bezog Bulwer   die Universität Cambridge  . Dort zeichnete er sich nicht nur durch seltenen Fleiß und taktvolles Betragen, sondern durch ein ungewönliches Rednertalent aus, welches in den ver­schiedenen akademischen Klubs zutage trat. 1825 gewann er durch sein Gedicht über die Skulptur den von der Universität ausgesezten Preis, eine goldne Medaille. Wärend der Universitätsferien machte Bulwer   gewönlich große Fußtouren; er durchwanderte ganz allein die schönsten Teile von England, die romantischsten Partien des schottischen Hochlandes und sammelte auf diesen Reisen wol viele der poetischen Eindrücke, welche er in späteren Jaren in seinen Romanen so schön wiederzugeben verstand. Nach Vollendung

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