seiner akademischen Studien durchreiste Bulwer Frankreich   und hielt sich längere Zeit in Paris   auf. In den besten Romanen Bulwers bemerkt man deutlich den Einfluß dieses Aufenthalts, denn kein englischer oder deutscher   Romanschriftsteller hat die Charaktereigentümlichkeiten der Franzosen   so meisterhaft zu schil­dern verstanden, bei keinem finden wir den leichten, fließenden Stil, die geistreichen Dialoge, den glänzenden Esprit, welchen wir an den besseren französischen   Schriftstellern bewundern, in so feiner, verständnisvoller Weise wiedergegeben. Im Jar 1826 gab der Dichter in Paris   ein Bändchen Poesien:" Weeds and Wild Flowers"( Unkraut und wilde Blumen) heraus, doch waren dieselben nur für einen kleinen Kreis von Freunden und Ver­ehrerinnen bestimt und kamen nicht in den Buchhandel.

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Nach seiner Rückkehr aus Paris   trat Bulwer  , auf Anregung einiger Verwanten von väterlicher Seite, als Offizier in ein Dragonerregiment. Wärend dieser Zeit stattete der Dichter als Dandy dem damaligen Zeitalter Beau Brummels" seinen Tribut ab, one deshalb der Muse der Dichtkunst untreu zu werden; denn es ist wol ein Kuriosum, daß ein so eigenartiger Roman, wie " Falkland  " und eine so düster- leidenschaftliche Dichtung, wie " O'Neill, der Rebell", aus der Feder eines jungen Dragoner­lieutenants flossen. In dem leztern Gedichte ist der Einfluß der damals modernen, düster- byron'schen Färbung nicht zu verkennen; über den Roman" Falkland" sagt Bulwer   in der Vorrede zu diesem Werke: Er habe durch die Charakterschilderung und Ent­wicklung Falklands beweisen wollen, daß, alle Tugend und Weis­heit one die Leitung fester Grundsäze zweck- und machtlos sei'." Obwol der Roman Falkland noch einige Ungewantheit der Feder zeigt, so ist der Stil desselben dennoch von eigenartiger Schönheit, einzelne Passagen erinnern an Werthers Leiden" und zeugen von tief- poetischer Empfindung, auch ist mehrfach die Behauptung aufgestellt worden, daß Falkland wie Werther gleichfalls Bruchstücke einer großen Konfession" seien. Auch dieser Jugend­arbeit gegenüber verhielten sich Publikum und Kritik schweigsam. Im Sommer 1827 fernte Bulwer   ein junges Mädchen kennen, welches einen verhängnisvollen Einfluß auf sein Leben ausüben sollte. Miß Wheeler, die Tochter eines irländischen Adeligen, bezauberte den Dichter durch ihre Schönheit, er hielt um ihre Hand an, und am 29. August 1827 fand die eheliche Verbindung dieses in jeder Hinsicht ungleichen Pares statt. Diese Ehe war eine höchst unglückliche; nach der Geburt eines Sones und einer Tochter trenten sich die Gatten, weil ein Zusammenleben infolge unlösbarer Differenzen zur Unmöglichkeit geworden war. Wer hieran die größte Schuld trug, ist wol schwer zu entscheiden; dennoch darf nicht vergessen werden, daß die Gattin eines Dichters oder Schriftstellers mehr als jede andre Frau die Verpflich­tung hat, die geistige Arbeit ihres Gatten durch innige Teil­name, durch harmonische Einwirkung auf die Seelenstimmung in liebevoller Weise zu fördern, etwaige Launen oder nervöse Reiz­barkeit mit Ruhe und Geduld zu ertragen und alles zu ver­meiden, was auf die geistige Tätigkeit störend einwirken fönte. Wie wenige Dichtergattinnen dies verstanden haben, beweisen die unglücklichen Dichterehen eines Dickens, Byron und Bulwer  , welche aus Liebe geschlossen mit einer Scheidung endigten. Denn obwol wir durchaus nicht behaupten wollen, daß bei all' diesen glücklosen Verbindungen die Hauptschuld auf der Seite der Frauen lag, so trifft dieselben( mit Ausname von Dickens' Gattin) dennoch der Vorwurf, daß sie sogar nach der Scheidung keine würdevolle Diskretion beobachteten, sondern, wie dies Lady Byron   und Lady Bulwer taten, ihre Gatten mit ihrem Haß ver­folgten und die zartesten Familienangelegenheiten mit wider wärtiger Ostentation auf den öffentlichen Markt warfen. Lady Byron   trat zwar nicht selbständig auf, sondern versteckte sich hinter das skandalöse Machwerk der Mrs. Beecher- Stowe:" Warer Bericht über Lady Byrons Leben", welches in dem September heft 1869 des Macmillans Magazine" erschien und überall allgemeine Entrüstung erregte, weil es ein solches Lügengewebe enthält, daß Lady Byrons eigne Verwante es öffentlich als eine Beleidigung der Ehre Lady Byrons" erklärten. Lady Bulwer ging noch weiter; nachdem sie verschiedene Pamphlete, wie z. B.: Lady Bulwers Appellation an die Gerechtigkeit des britischen Volkes" veröffentlicht hatte, erschien im Jare 1857 der Roman: The World and his Wife", worin sie mit höchst unfeiner und unweiblicher Dreistigkeit eine Schilderung ihrer unglücklichen Ehe gibt. Bei einer im Herbste 1857 stattfindenden Walversamlung veranlaßte die zornige Dame eine skandalöse öffentliche Szene, indem sie sich mit Gewalt auf die Rednerbüne drängte und dem

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anwesenden zalreich versammelten Publikum ihre Anklagen gegen ihren Gatten in der übertriebensten Weise vortrug. Diese nicht zu entschuldigende niedre Handlungsweise Lady Bulwers hatte grade das von ihr befürchtete Resultat zur Folge: Bulwer   wurde one jede Opposition wiedergewält und gab seinen Siz im Parla­mente erst in späteren Jaren auf, nachdem ein langjäriges Gehör­leiden ihm jede politische Tätigkeit unmöglich gemacht hatte. Der Dichter beobachtete allen diesen direkten und indirekten Angriffen gegenüber ein taktvolles Schweigen; bei einem Manne von seiner geistigen Begabung, welcher mit spielender Leichtigkeit seine glänzende Dialektik zu seiner Verteidigung hätte verwenden können, spricht dies sehr zu seinen Gunsten. Daß Bulwer   sogar unter so unseligen häuslichen Verhältnissen als Schriftsteller das leistete, was er geleistet hat, beweist nicht nur eine ungewön­liche geistige Kraft, sondern auch Ruhe des Gewissens und Gemütes. Wärend alle jene gehässigen Konflikte spielten, schrieb er Pelham"," Der Verstoßene"," Devereux"," Paul Clifford". Godolphin"," Die Pilger des Rheins"," Die lezten Tage von Pompeji  "," Rienzi  "," Die Cartons"," Meine Novelle" 2c. Eine Fülle von interessanten Gestalten entfaltet sich beim Durch­leſen dieser verschiedenartigen Zeitbilder vor unserm geistigen Auge." Pelham oder die Abenteuer eines Gentleman" wird von einigen englischen Kritikern als der beste Roman Bulwers be­zeichnet. Der Held desselben ist ein Dandy, aber kein gewönlicher Stuzer, sondern ein Mann von Bildung und Erziehung; Bulwer  schildert dessen Charakterentwicklung innerhalb aller Versuchungen, welche das fashionable londoner Leben und Treiben für einen jungen, sich selbst überlassenen Mann bietet. Alle Gestalten dieses Romans sind, wie Bulwer   selbst zugestanden hat, frisch nach dem Leben gezeichnet und deshalb so ungemein fesselnd und intereſſant; die eingeflochtenen Schilderungen der vornemen pariser Salons sind höchst graziös und elegant; auch kritisirt der Autor das steife, formelle, oft lächerliche Wesen der vornemen englischen Gesellschaft auf höchst ungenirte Weise. Sogar bei den obersten Zehntausend" fand" Pelham" den höchsten Beifall, und noch nach Bulwers Tode wurde Pelham" von verschiedenen Literarhistorikern als eine klassische Repräsentation des Dandytums und dessen Blüte­zeit bezeichnet.

In dem Roman: Der Verstoßene" spiegelt sich klar der gei­stige Entwicklungsprozeß des Dichters wieder; man empfindet beim Lesen dieses Buches, daß Bulwer   den Kontrast zwischen Wirklichkeit und Ideal, zwischen dem menschlichen Streben und den irdischen Leidenschaften empfindet und selbst durchzufämpfen bemüt ist. Auch hier ist der Weltmann, sowie der unpraktische Gelehrte meisterhaft geschildert; auch verraten alle Verknüpfungen und Entwicklungen in Stimmung und Handlung eine bedeutende Menschenkentnis; der Stil ist gefällig und glänzend, der Dialog oft von Wiz durchwürzt. Dann begegnen wir zum erstenmale Bulwer's charakteristischer Eigentümlichkeit: den Gang der Hand­lung durch philosophische Reflegionen zu unterbrechen. Diese Eigenart ist von tausenden von Lesern auf das verschiedenartigste beurteilt und größtenteils mehr getadelt, als gelobt worden; von dem Standpunkte der ästhetischen Stritit aus betrachtet, kann man dieselbe jedoch nur als eine Bereicherung des fittlichen Gehaltes der Bulwer  'schen Romane betrachten. Als Stilprobe füren wir eine solche Stelle an: Ich bin Vandale genug, zu glauben, daß für viele jugendliche Gemüter die Liebhaberei für Poesie und poetische Träume großen und bleibenden Schaden stiftet, denn sie dient dazu, den Charakter zu entnerven, erzeugt falsche Lebens­ansichten und läßt die edeln Anstrengungen und Pflichten des tätigen Menschen als knechtische Plackerei erscheinen. Freilich hat nicht alle Poesie diese Wirkung, namentlich nicht die klassische in ihren erhabenen Meistern, nicht die Poesie des Homer, Virgil und Sophokles  . Aber diejenige Poesie, welche von der Jugend am meisten gesucht und geliebt wird, ich meine die sentimentale Poesie, muß einen nachteiligen Einfluß üben auf solche Gemüter, welche schon vornweg zur Sentimentalität neigen und einer Stälung bedürfen, um zu einer gesunden Manheit heranzureifen.-- Anderseits paßt die sentimentale, moderne Poesie für viele Geister von anderem Guß, für solche Geister, wie sie unser modernes Leben mit seinen harten, positiven Formen so gerne hervorbringt. Denn wie in gewissen Himmelsstrichen die wolwollende Fürsorge der Natur reichlich den Samen der jenigen Pflanzen und Kräuter ausstreut, welche gegen die unter dem Einflusse der dortigen Atmosphäre vorzugsweise herschenden Krankheiten als Heilmittel dienen, ebenso mag auch die weichere und romantischere Gattung der Dichtkunst sich als Heilmittel und

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