von ihnen, ein prachtvolles bemostes Haupt, trat vor und bat mich, seine und seiner Freunde Begleitung anzunemen, welche mir ein Beweis sein solle, wie sehr mein manhaftes Auftreten für die bonner Burschenehre noch in ihrer aller Andenken lebe.
Ein langer Zug von Wagen begleitete mich zu der Rheinfäre. Ein stattlicher Zug noch sezte mit mir über den Rheinstrom, fur mit mir weiter bis Königswinter .
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Vierzehn Tage blieb ich in dem schönen Königswinter . Vierzehn Tage, die noch in meinem hohen Alter zu den schönsten und liebsten meiner Erinnerung gehören. Es war im Spätsommer; das Wetter war klar und beständig; bei Tage heiß auf den Bergen, wundervoll erfrischend in den Tälern und Schluchten; des Abends überall mild und erquickend. Der liebste und reizendste Punkt blieb für mich das freundliche Honnef am Fuße des Drachen fels, damals noch das stille, verborgne und verschwiegne Dörschen. In seinem prunklosen, um desto komfortableren Wirtshause war man vortrefflich aufgehoben; man fülte sich wie zuhause, und das Wirtstöchterlein war das hübscheste, anmutigste und unschuldigste Kind von sechzehn Jaren, das man sehen konte. Es ist der schwärzeste Undank meines Lebens, daß ich ihren Namen, selbst ihren Vornamen, vergessen habe. Täglich war ich bei ihr, durch streifte ich mit ihr das Siebengebirge . Wir erstiegen den Drachen fels , die Löwenburg, die Wolkenburg, den Delberg und wie sie weiter heißen, jene sieben Berge des wundervollen Rheingebirges, deren jeder eine reizendere, entzückendere, großartigere Aussicht darbietet, als der andre. Zum Abend brachte sie mich auf den halben Weg bis Königswinter , wo die bonner Freunde sich schon eingefunden hatten. Manchen Abend kehrte ich freilich auf dem selben Wege mit ihr wieder um, begleitete sie nach Honnef zurück, ließ Freunde Freunde sein, blieb die Nacht in Honnef , wo ich immer ein freundliches Quartier fand.
Und ich habe dennoch den Namen des lieben Wirtstöchterleins von Honnef vergessen!
Der Prinz und ich verließen Bonn , gingen nach Marburg . Warum wir grade Marburg wälten, es hatte seine besondre Bewantnis. Ich muß diese hier mitteilen, obgleich ich dadurch schon einen Gegenstand berüre, den ich hauptsächlich erst später besprechen kann.
Unfre, des Prinzen und meine, bonner Universitätsfreunde zogen uns mit sich nach Marburg .
Der Kreis dieser Freunde war eigentlich ein Unikum.
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Ich nenne zuerst Borchard ich glaube, sein Vorname war Friedrich. Er war von Geburt ein Rheinländer, ein Kölner , wenn ich nicht irre. Er war ein merkwürdiger Mensch. Ein schöner Mann, dem Frauen und Mädchen nachliefen, machte er sich ebensowenig etwas aus seinem Aeußeren, wie aus den zärt lichen Blicken schöner verliebter Augen. Um so schärfere Blicke hatte er für jede Miene, für jede Bewegung eines Studenten, der ihm begegnete, den er nur von weitem sah. Eine Natur, die one Streit und Händel garnicht leben konte, bildete er sich ein, jedermann suche Streit und Händel mit ihm. So lag er fortwärend auf der Mensur. Dabei war er der gutmütigste Mensch von der Welt. Er war ein vortrefflicher Schläger; nie wurde er verwundet. Ein Ehrenpunkt war es ihm aber auch, von seiner Ueberlegenheit über den Gegner keinen Gebrauch zu machen. Er mußte nur Streit haben und sich schlagen. Er studirte Jura. Er wurde dann Advokat in seiner Vaterstadt Köln . Er war ein talentvoller Mensch; er wurde einer der ersten rheinischen Advofaten. Ein Streithammel war er immer geblieben, aber auch der ehrenhafte Charakter. Ich sah ihn im Jare 1848 in Berlin
wieder. Seine Vaterstadt Köln hatte ihn zu ihrem Vertreter in der berliner Nationalversamlung gewält. Er war noch ganz der alte streitsüchtige, bei der geringsten Gelegenheit auffarende und aufbrausende Mensch, der seine Freunde und Gesinnungsgenossen in tausend Verlegenheiten brachte.
Der zweite, den ich zu nennen habe, war ein in manchem ihm verwanter und doch im ganzen ein durchaus verschiedener Charakter, ein Freiherr von Harthausen aus Paderborn , das Barönchen genant. Ich habe nie wieder einen Menschen kennen gelernt, dessen Charakter so viele und so schroffe Widersprüche vereinigte, wie es bei diesem westphälischen Freiherrn der Fall war. Der Grundzug seines Charakters war eine tötliche Feindschaft gegen alles, was existirte, blos weil es existirte; weil es sich herausnam, zu existiren, zu leben, das Leben zu genießen, sich des Lebens zu freuen. Dabei machte er keine Ausname, auch nicht an sich selbst, vielmehr nicht gegen sich selbst. Er kante nur eine einzige Freude, die, über das Unglück sich zu freuen, über widrige Schicksale, betrogene Hoffnungen, Krankheit, Tod. Nichts haßte er mehr als jemanden, der glücklich, der zufrieden war. Er hatte nicht Ruhe, als bis er dem Verhaßten das Glück zerstört, die Freude vergällt hatte.
Er war bekant mit einem Baron Schüß, der in Bonn studirte. Eines Tages erfärt er, daß dieser Herr der einzige Sohn, die Hoffnung, der Stolz einer Witwe ist, die von dem Sone sich nicht habe trennen können, mit ihm nach Bonn gezogen sei. Der dumme Junge, das einfältige Weib! ruft er aus, als er es erfärt. Und sofort hat er einen Entschluß gefaßt. Am andern Morgen begibt er sich in die Straße, in welcher die Frau v. Schüß wont, zu der Zeit, in welcher der Son der Dame aus dem Kolleg komt und nachhause zurückkehrt. Er wartet auf diesen, get ihm entgegen, rempelt ihn an, daß der Ueberraschte von dem Trottoir über die Gosse in die Straße fliegt, ruft ihm dann hönisch zu: " He, he, Schüß, wie können Sie sich unterstehen, mich über die Gosse zu werfen? Sie werden mir Satisfattion geben!" Noch an demselben Tage läßt er den Herrn von Schütz fordern. Am zweiten Tage darauf gehen sie los". Im dritten Gange hat er dem unglücklichen Gegner die Nasenspize weggehauen. Das Muttersönchen wäre für sein Lebenlang gezeichnet!" sagte er mit Befriedigung. Und dennoch hatte dieses westphälische Barönchen seine schäzenswerten, gar seine braven Seiten.
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Er war unglücklich, wenn er kein Unglüc sah. Er ging darauf aus, es zu suchen; er weidete sich daran. Dann trat aber auch ein anderes Bedürfnis an ihn heran: er mußte helfen, unterstüzen,„ das Unglück zum Tempel hinausjagen", wie einer seiner Bekanten von ihm sagte. Und er half heimlich; man erfur es nur hinterher, durch einen Zufall; oft mußte man es erraten. Es war, als schäme er sich, Gutes getan zu haben.
Was zulezt aus ihm geworden ist, ich habe es von niemandem erfaren können. Er war nach Beendigung seiner Studien in seine Heimat zurückgekehrt, um bei dem Oberlandesgericht in Paderborn seine Laufbahn als praktischer Jurist zu beginnen. Er war Ausfultator geworden, dann Referendarius. Weiter hatte er es nicht gebracht, trozdem es ihm weder an Talent, noch an Kentnissen gebrach. Aber er hatte schon nach Jar und Tag mit jedem sich überworfen, mit dem er nur in irgendeine amtliche oder nichtamtliche Berürung kam, mit seinen Kollegen, seinen Vorgesezten, seinen Untergebenen. Er konte nicht ferner im Dienst bleiben, wenn er sich nicht änderte; er konte sich nicht ändern. Da war er eines Tages nach Amerika gegangen. Man hat nie wieder etwas von ihm gehört. ( Fortsezung folgt.)
Einiges über Töchtererzieher und Töchtererziehung.
Vom Töchterschuldirektor Dr. A. Prowe.
Als ich durch mehrjärige Agitation die erste deutsche- meines Wissens überhaupt unter allen Völkern die erste Versamlung von Pädagogen für rein weibliche Bildung vor 8 Jaren in Weimar zustande gebracht hatte, mußte ich eine Erfarung machen, die mein ganzes Streben, das Jarzehnte gedauert, auf einmal mir vergällte. Wir standen mit einer Anzal sehr renommirter und in den Versamlungen vorzugsweise bedeutend hervorgetretener Töchterschuldirigenten eines Sontagsnachmittags im Park vor dem Genius loci . Ein Herr fragte: Was ist das? Ich schwieg, weil ich mir die Frage nicht gleich zu deuten wußte. Als aber
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allseits nur unklare Vermutungen laut wurden, sagte ich verlegen: „ Es ist der Genius loci." Was ist das? Neues Erstaunen und Schweigen meinerseits. Kurz vorher hatte mir ein reisender Kaufmann unterwegs von Weimars Herlichkeiten erzält und beiläufig, als selbstverständlich ebenfalls von ihm besucht, unter allem anderen auch des jedem gebildeten Deutschen bekanten Genius loci flüchtig erwänt. Und diese geehrten, in ihrer Art sogar ge lehrten Kollegen wußten davon nichts?! Kurz wasblieb übrig? Ich mußte die Ciceronenschaft übernemen: Es ist der Altar des Ortsgenius oder Lokalschuzgeistes, den sich die Griechen zunächst
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