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Uebrigens glaube ich nicht an Bekehrung und Ueberredung, will mit meinen Ansichten nicht Propaganda machen. Beweisführung in ästhetischen und pädagogischen Dingen ist gleich schwer. Lessings Kampf gegen französische Klassik hat manches von der einseitigen Betrachtungsart, die in untergeordneten Köpfen zur Verblendung fürt. Gervinus Begeisterung für Shakespeare streift wie Hölderlins Entusiasmus für Hellas oft an die Grenzen des Fanatismus. Die Dinge dieser Welt sind nicht so oder so, sie find so und so: sagte mein alter Bogumil Golz gern. Ich wage natürlich erst recht nie, die törichte Meinung zu hegen: ich allein hätte Recht.
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Geradewegs gesagt: das teistische Judentum ist mir gegen den Strich sein Adonai erwärmt und erhebt mich nun einmal ebensowenig als die Phrasen Ciceros von seinem Optimus Maximus. Das panteistische, polyteistisch bunt in tausend Falten umschleierte indisch- hellenische Heidentum gewärt mir reichere Narung für Geist und Gemüt, erfüllt mir Herz und Hirn mit weicheren, wärmeren Blutwellen, als der ganze jüdische Canon". - Die Kunst- und Formlosigkeit der Semiten, die Zerfarenheit selbst des( nach Goethe so erhabenen") Alkoran, die gesamte muhamedanische Literatur ist mir nur ein matter, fahler Dämmerschein gegenüber dem sonnigen Glanz der indisch- hellenischen Kunst und Literatur. Für diese schwärme ich, wie andre für die Bibel. Megadhuta, den Wolkengesanten
Wer schickt ihn nicht gerne zu Seelenverwanten?
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Und Sakontala- Himmel und Erde mit einem Worte begreifend was ist dagegen die kleine Ruth, der sich selbst übertrumpfende und so abstumpfende Hiob?
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Die Erscheinung der Athene hinter Achill , der das Schwert gegen Agamemnon ziehen will, ist für meine innerste Seele noch heute wie in der Knabenzeit herlicher, entzückender als die sämt licher Engel, die mit den Erzvätern parlamentiren kommen. Ich kann doch nichts dafür: die Opferung der Iphigenie, durch Ar temis selbst unterbrochen, und ihr Ersaz durch die weiße Hinde mir ist das ergreifender, edler als der holzschleppende saat, der messerschleifende Abram und der Bock als Ersaz!! Die Psalmen sind mir nicht so anmutend, zusagend wie die menschlich- feine, sozusagen tellurisch sichere Antologie.
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Der große Zimmermansson oder Pflegeson sagte: In meines Vaters Hause sind viele Wonungen.
Glaubt man, Deutschlands Töchter mit Judentum besser als mit der Antike zu bilden: Wolan! so laßt uns one zänkischen Wortstreit den Kampf auf das praktische Gebiet der Tat verlegen! aber ehrlich! behandelt mein Griechentum wie ich euer ökumenisches Nazarenertum und wenns euch möglich ist, behandelt euere Dogmen und Legenden wie ich die altheidnischen Myten und Philosopheme.
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Ja, das wird nicht geschehen. Eher wendet sich das Geschlecht vom Nationalitätenschwindel zum Weltbürgertum unsrer Klassiker zurück, als daß es aufhörte, den Kreuzestod als Mysterium zu behandeln. Die teologische Richtung soll nach ihrer Meinung ,, die Welt überwinden." Das geschichtsphilosophische Schiboleth soll nur rückwirkende Kraft haben, nicht mehr für die Zukunft soll das große Wort gelten: Was da von Gott bestet; was nicht verget." Und doch gilts noch! Umsonst widersezt sich diesem Zauberspruch alles Lebendige. Bis jezt finde ich nicht, daß troz alles Geräusches und oft zeternden Geschreis die judaisirende Richtung seit 100 Jaren Fortschritte gemacht. Selbst Heine, Börne, Auer bach und die Reformsynagogiker erst recht hellenisiren. Täglich mehr beeinträchtigt wird das Terrain der Bibelgläubigkeit, je mehr sich das Terrain der Bibelverbreitung ausdehnt. Bischof Colenso und Thomas Buckle restituiren um die Wette den englischen Deismus, diesen ersten am Horizont des philosophi schen achtzehnten Jarhunderts auffliegenden Schimmer hellenisch
freier Weltanschauung. Voltaire bleibt Prototyp des französischen, ja vielleicht des ganzen romanischen Genius. Ihm huldigt nicht mehr Frankreich allein; Italien und Spanien sind ebenso reif. Diderots weithin wuchernde Geistessat mit seinem Ableger Rousseauschen Gedankenschlinggerankes, der ganze freie Geist des 18. Jarhunderts läßt sich nicht mehr ersticken. Die neueste Phase seiner Offenbarung hat den 30 järigen Krieg bald überstanden. Bei dem Hellenentum stet dieser hohe reine Menschengeist, der unvermittelt freie Gedanke, die kritische Vernunft und Wissenschaft des Menschen allerhöchste Kraft. Auf der anderen Seite sehe ich Zerrbilder, wie Inquisition und ,, Großen Bann"; Galileifolter und Knaack. Troz alledem, irren ist menschlich. Vielleicht wandle ich falschen Weg. Wie dem auch sei: get ihr rechts hin laßt mich linkwärts gehn.
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Und nun, um zurückzukehren, der langen Rede kurzer Sinn: Die Ueberfütterung des Mädchens über das 10. Lebensjar hinaus, wie es bislang in allen oder doch fast allen Mädchenschulen der Fall war, diese ungesunde Superfötation mit religiösem Lernstoff muß in fürzester Frist ein Ende nemen mit Schrecken. Der gesunde Sinn unserer jezt heranreifenden Töchter selbst, dieser künftigen Mütter des Volks, empört sich allmälich schon aus eignem Antriebe gegen dies Unrecht.
Daß nicht das Gegenteil Plaz greife, daß Irreligiosität im waren Wortsinn verstandesdürr nicht unser Gefül verknöchere: dafür sorgt die Sache selbst. Wir wissen ja, daß kein Baum bis jezt in den Himmel gewachsen ist.
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Verlangen wir also mehr utilitarischen praktischen- Realienunterricht: so poltere kein Zionswächter los, wir wollten die Mädchen zu Köchinnen machen oder zu Buchhalterinnen oder Salondamen.
Nein. Wer Ernstes ernsthaft prüft, verstet uns: wir wollen ein einziges Prinzip der Mädchenerziehung aufstellen. Danach suchten wir und konten es unmöglich in dem stets verschiedenartigen, settirerischen Religionsfach finden. Wir finden es kurzgesagt nur im Naturgebiet.
Unsere Forderung für alle weibliche Bildung lautet: Kindergarten und Mädchenschule bilde des Weibes ureigenen innersten Natursinn!
Alle Dichter, alle Denker, die je ein Wort über den Unterschied zwischen Mann und Weib verlautbart haben, sagten übereinstimmend: Im Weibe herscht unvermittelt die reine, durch kein Schematisiren und Spekuliren verfälschte Natur. Die Reflexion ist des Mannes, die Intuition des Weibes. Von tausenden solcher Aussprüche wimmelt alle Literatur.
Diesem Grundzug des Mädchencharakters folgend, empfelen wir als die wesentlichsten Zweige der wissenschaftlichen Anleitung für aufwachsende Töchter zuvörderst Botanik und Zoologie, womöglich im Freien auf Spaziergängen und längeren Excursionen, jedenfalls nie one unmittelbare dingliche Anschauung eingeprägt und gefördert. Als frühestes praktisches Fach schließe sich an diesen teoretischen Unterricht die Blumenzucht und Gartenbaukunst: nach Kräften zum Wissen das eigene Können gesellend. Immerhin bleibe jedenfalls die Anregung zu solchen Lieblingsbeschäftigungen des jungen Mädchens unter allen Umständen das Hauptziel des Lehrganges. Ein totes ödes Scheinwissen, Gedächtniskram voll sinloser alle jarzehnt wieder abgeänderter schulstaubüberzogener Nomenklatur, Wichtigtuerei mit hergebeteten auswendig gelernten? Charakteristiken und Objektsbestimmungen ist so lächerlich und verdamlich wie Grammatik one Stilfertigkeit, Dogmatik one Herzensfrömmigkeit, Matematik one Anwendbarkeit
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Wo sollen also unsere Mädchenschulen das alles üben? fragt man. Antwort: In Schulgärten, one die bald keine Volksschule mehr gedacht werden kann.
Ueber die Mittel, Kälte zu erzeugen.
Von Rothberg- Lindener.
Seitdem bei uns diejenigen Wissenschaften zu Ansehen und Verbreitung gelangt sind, welche sich als eines Hülfsmittels der Matematik bedienen; die der erkanten mangelhaften Verläßlichkeit der einzelnen Beobachtungen von festzustellenden Größen eine möglichst große zal von solchen gegenüberstellen, um durch einen so gewonnenen Durchschnitt die einzelnen Ungenauigkeiten zu
kompensiren, seitdem ist uns allen der Begriff der Durchschnittsgröße ein sehr handlicher, ja im täglichen Gebrauch fast unentbehrlicher geworden. Wir vergessen dabei nur zu leicht, daß dieser oft als Autorität zitirte Freund zu den schwankendsten Gestalten gehört, den wir der Vorstellung genau entsprechend nur äußerst selten in physischer Wirklichkeit vor uns sehen. Stet er