Er war mit anderen Schwerverwundeten und Sterbenden in eine Scheune gebracht, die an der Landstraße nach Paris lag. In der Straße zog an der Scheune gefolgt von seinem Generalstabe der General von Steinmetz vorüber. In dessen Begleitung wird davon gesprochen, daß in der Scheune ein schwer verwundeter preußischer Offizier liege, der dem besten westphälischen Adel angehöre. Der General von Steinmetz war bei den Westphalen nicht sonderlich beliebt. Die Generäle des Namens Steinmetz scheinen selten sich der Liebe ihrer Soldaten erfreut zu haben. In des, ein schwer verwundeter Offizier, der einer der vornemsten westphälischen Adelsfamilien angehört! Der General hält. Seine ganze Begleitung muß halten. Er steigt vom Pferde, get in die Scheune, läßt sich zu dem Lager des verwundeten Offiziers füren, ist außer ordentlich teilnemend. Kamerad, Ihr Name? Ich werde Sie zum eisernen Kreuze vorschlagen. Ernst von Bodelschwing- er hatte bis dahin sich nicht gerürt, kein Wort gesprochen nimt jezt seine Kraft zusammen, schlägt seinen Mantel zurück, mit dem er bedeckt war, und sagt einfach: Geben Sie sich keine Mühe, Exzellenz! Auf seiner Brust sah der General das eiserne Kreuz erster Klasse. Ernst von Bodelschwing aber hatte mit den Worten die müden Augen wieder geschlossen und der General von Steinmeh hat auch später die Liebe der groben Westphalen" sich nicht zu erwerben vermocht.
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Als Ernst von Bodelschwing genesen war, ging er nach Göt tingen , um hier seine Studien fortzusezen.
Er hielt sich zu den Westphalen, one in das Korps einzutreten. So lernte ich ihn kennen. Wir wurden befreundet, wenn wir auch Freunde nicht werden konten. Das Höchste auf Erden war ihm das preußische Königshaus und das preußische Regiment. Ich war, wie ich schon an einer anderen Stelle meiner Erinnerungen mitteilte, in einer Scheu vor allem, was preußisch war und preußisch hieß, als Kind auferzogen, hatte dadurch Eindrücke empfangen, von deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit ich erst im gereiften Mannesalter mir ein eigenes Urteil zu bilden vermochte, und hatte außerdem von meinem Vater und meinem Dheim, einem klaren und freisinnigen katolischen Geistlichen-
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welche beide meine erste Ausbildung leiteten- republikanische Grundsäze in mich aufgenommen.
Ernst von Bodelschwing lebte in Göttingen nur seinen Studien und seiner Gesundheit. Hauptsächlich war ihm daran gelegen, seine Brustorgane, die durch die empfangenen schweren Wunden gelitten hatten, zu stärken und zu kräftigen. Zu diesem Zwecke machte er fast täglich Fußpromenaden, die er immer weiter ausdehnte. Er hatte es so weit gebracht, daß er innerhalb drei Tagen von Göttingen zum Brocken hin und zurück marschiren fonte, one daß es ihm Beschwerden verursachte. Vollständige Heilung hatte er dennoch nicht gefunden.
Ich sah ihn seit Göttingen erst im Jare 1849 wieder, in Berlin , in der sogenanten„ aufgelösten zweiten Kammer", deren Mitglieder wir beide waren.
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Ich war schon im Anfange der vierziger Jare gleichzeitig mit ihm in Berlin ; er als Minister, ich als Staatsanwalt; wir hatten uns damals aber nicht gesehen. Er hatte mich nicht aufgesucht, da natürlich ich ihn nicht. In der Kammer kam er schon am ersten oder zweiten Tage zu mir, an meinen Plaz auf der äußersten Linken. Er begrüßte mich wie der alte Freund den alten Freund. Wir waren so alte Freunde!" sagte er dabei.„ Wir waren?" fragte ich. Sind wir denn Feinde?"" Feinde nicht, aber Gegner!"" Und warum müssen wir es sein?"" Unsre Damit waren wir, Ansichten gehen zu weit auseinander." zumal in dem Hause der Politik, auf das Gebiet der Politik geraten. Er hätte nie geglaubt, sagte er zu mir, den alten Westphalen als Revolutionär wiederzusehen. Und ich entgegnete ihm, ich hätte dem alten westphälischen Adel eine andre Ehre zugetraut, als die, dem preußischen Absolutismus zu dienen. Damit schieden wir kalt von einander, und wir sprachen uns nicht wieder.
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Es tat mir leid. Er war ein braver, überzeugungstreuer Mann. Aber meine Ueberzeugung hatte auch ich.
Er starb wenige Jare später. Die zerschossene Brust hatte nicht wieder genesen können. ( Schluß folgt.)
Wie die die Australier mit ihren Toten umgehen.
Von Dr. Max Vogler.
Die Toten- und Begräbnisgebräuche eines Volkes kenzeichnen in der Regel den Grad von Kultur, welchen dasselbe besizt, und insbesondere dürfen sie als untrügliches Merkmal für die mehr oder minder geläuterte religiöse Anschauung eines solchen gelten. Wenn wir von diesem Gesichtpunkte aus auf die Art wie die Australier mit ihren Toten umgehen, einen kurzen Blick werfen, so werden wir darin allenthalben ihre niedrigen Religionsbegriffe ausgedrückt finden, sind doch bei manchen dieser Völker kaum Spuren eines besonderen religiösen Meinens zu erkennen, sucht man doch bei ihnen irgend welche Tempel, und selbst Gözenbilder, sonst die häufigsten Symbnle roher Naturreligionen, vergeblich. Nur eine ganz unklare Vorstellung von einem guten und bösen Geiste waltet bei ihnen vor und drückt sich in verschiedenen Gegenden in verschiedenen Namen aus. Nichtsdestoweniger aber erscheint auch diesen wilden Stämmen der Tod bedeutungsvoll genug, um in einer gewissen feierlichen Weise mit den Leichen zu verfaren, und eben das zu beobachten ist von mannigfachem Interesse.
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Die Leichen werden teils verbrant, teils in hole Baumstämme oder künstliche Gräber und Erdhügel gesezt. Im ersteren Falle wird selbst hier und da die Asche gesammelt und sorgfältig bergraben. Ein höchst sonderbarer Gebrauch aber ist es jeden falls, wenn man in manchen Gegenden dem Verblichenen, ehe man seinen Körper den Flammen übergibt, die Haut abziet, was hernach mit dieser Haut angefangen wird, ist noch nicht zu erforschen gewesen. Mit Schaudern geradezu muß es uns erfüllen, wenn der Reisende Hochstetter erzält, daß die Leiche eines eben verstorbenen Knaben von seinen Verwanten über dem Feuer gebraten und gegessen wurde. Vater und Mutter waren bei dem Vorgange mit zugegen und stießen laute Klagen aus. Herz, Leber und Eingeweide wurden unter die anwesenden Krieger verteilt; die gerösteten Oberschenkel, als die größern Leckerbissen, wurden von den Eltern selbst verzehrt. Schädel und Knochen packten die Eingebornen schließlich sorgfältig zusammen und namen
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sie in ihren Säden aus Grasgeflecht auf die Reise mit." Bei den Neuseeländern, die übrigens auch das Fleisch der erschlagenen Feinde noch verschlingen, werden die Leichen gemeiner Personen one alle Feierlichkeit bestattet, die der Sklaven in das Wasser oder unbeerdigt auf den Anger geworfen, die der Häuptlinge mit Auszeichnung begraben, nach Verlauf der Verwesungszeit die Gebeine aber aus dem Grabe genommen und sorgfältig aufbewart. Nach der Vorstellung der Ureinwoner von Neuseeland überschreiten die Geister der Verstorbenen bei der Höle Reinga, am Nordkap der Nordinsel , die Quelle zum Totenreich. An jener Höle stet ein uralter geweihter Pohutukanabaum, dessen tief hinabreichende Aeste den Geistern der Toten als Leiter dienen. Der Weg fürt erst in die Erde tief hinab, dann wieder bergauf und endlich auf dem Geisterpfad Rerenga wairu an ein Meer. Dort besteigen die Geister den Totenkan und faren über nach dem Lande Hawaiki, der„ Wiege des Volkes". Unaushaltsam ziehen die Schatten ihren Weg durch die dunkle Pforte der Unterwelt nach dem Jenseits, ihrer ursprünglichen Heimat. Vergeblich wäre es, nach ihnen zu greifen, um sie zu erfassen, denn sie sind wesenlos. Wenn aber große Schlachten geschlagen werden, dann hören die Bewoner der nördlichen Gegenden der Insel zur Nachtzeit den Flug der Geister durch die Lüfte.
Unter den Bewonern der Gesellschaftsinseln bringt man beim Begräbnis großer Häuptlinge oft Menschenopfer, und es ist durchaus nichts seltenes, daß neben der großen Platform, auf welcher Schweine und Lebensmittel geopfert wurden, eine Menge von Schädeln getöteter Menschen gefunden wird. Doch werden die Opfer wenigstens nicht gemartert, sondern unversehens durch einen Streich von hinten zu Boden gestreckt. Die Leichen der Häuptlinge stellt man in einem besonderen Gebäude aus, das von Palissaden dicht umzäumt ist und reichen Schmuck an purpurnen Federn, Tüchern und sonstigen Zierrat zeigt. Zwei Leute sind eigens bestellt, dasselbe bei Tag und Nacht zu überwachen, die Federn und Tücher passend zu ordnen, die fortwärend zufließenden