492

seiner Brüder und Minister, sprach ein kurzes Gebet und steckte, nach­dem er sich von den teuren Toten verabschiedet hatte, mittels einer Fackel den Scheiterhaufen in Brand. Nun verließ alles den Palast, welcher zugleich von Hofbediensteten an den vier Ecken in Brand gesteckt wurde.

nrt.

Ende einer Schönheit. Eines jener weiblichen Moteore an dem Firmament des zweiten Kaiserreichs, welchem man den Namen ,, Le comète" beigelegt hatte, weil das reiche goldene Har wie ein Kometen­schweif die herliche Figur umwallte, ist augenblicklich im Munde aller Pariser  , die sie einst gekant. Theophile Gautier   machte zur Zeit ihres Glanzes Sonette auf sie, Cabanell malte ihr Porträt, und Leon Egnot Archäologische Funde. Aus dem ehemaligen Utica  , dessen Ruinen diente sie als Modell zu der niedlichen Statue ,, La Baigneuse"( die auf dem Boden der Regentschaft Tunis   gelegen sind, hat jüngst der Badende"). Ihr wirklicher Name war Adele Terchont, und unmittelbar vor Ausbruch des deutsch  - französischen Kriegs wies sie den Heiratsan- emige Forscher Graf d'Hérisson in 146 großen Kisten die Ergebnisse trag eines ältlichen Herzogs vom ältesten Adel zurück. Zu jener Zeit besaß sie eines der prächtigsten Häuser in den Champs Elysées  , hatte zwölf Pferde in ihrem Stall und einen Liter Diamanten in ihrem Toilettentisch. Jüngst starb diese einst so blendende Schönheit voll­ständig verarmt in einem pariser Hospital, und zwar an der schreck­lichsten Krankheit, welche eine Frau überhaupt befallen kann: an lupus vorax oder Gesichtskrebs, der sie vollständig entstellte. Gleich Zola's ,, Nana" blieb von ihrer Schönheit auch nur ihr wundervolles Har übrig, welches eine Länge von nahezu fünf Fuß erreichte. Dr. M. V.

Aus allen Winkeln der Beitliteratur.

-

Ein flinker Schneider. Die Beweglichkeit und Schnelligkeit unserer Bekleidungstünstler ist nicht allein allbekant, sie ist sogar sprüch­wörtlich geworden. Aber kaum dürfte jemals ein Glied dieses gemein­nüzigen Gewerbes diese seine Berufsgenossen, vor alle anderen Menschen auszeichnende Eigenschaft in hervorragender Weise betätigt haben wie jener Schneider einer rheinpfälzischen Stadt. Ein dort domizilirender junger Herr ist zu einer Hochzeit nach einem ungefär acht Meilen ent­fernten Orte geladen und hat sich zu diesem Zwecke bereits vor 8 Tagen bei genantem Bekleidungskünstler einen Frack bestellt. Wie es aber den bestellten Röcken, Hosen und Westen oftmals zu gehen pflegt, so auch unserm Frack er war am festgesezten Tage, dem Vorabend zur Hoch­zeit, nicht fertig. Unser Schneider verpfändet nun sein Wort, daß zu solchem Zwecke unentbehrliche Kleidungsstück bis zum anderen Morgen 6 Uhr, der Abgangszeit des Eisenbahnzuges, zu liefern. Doch unser Meister hat die Rechnung one den Wirt im ,, Grauen Affen", resp. dessen vortrefflichen Schoppen gemacht, denn er komt etwas spät und überstark angeheitert nach Hause, vergißt jedoch in dieser glücklichen Stimmung nicht den Frack und meint zu seinem Ehegespons, das, unter sothanen Verhältnissen die Nichterfüllung seines gegebenen Versprechens nicht nur ahnte, sondern bestimt voraussah: Na, ich stehe um 3 Uhr auf und in 24 Stunden ist der Rock fertig." Der Heurige" war aber stärker als der Wille des Meisters, denn die etwas stark genossene Quantität des ersteren bant den lezteren in einen festen Schlaf, aus dem er erst morgens halb 6 Uhr erwacht. D Schrecken!- was tun? Diese Frage würde mancher unbeantwortet gelassen haben, nur nicht unser wackerer und scharfsinniger Schneider. Flugs befielt er seinem Gehilfen, den seiner Vollendung harrenden Frack einzupacken, steckt selbst sein Hand­werkszeug ein, besteigt in Gemeinschaft mit seinem Kunden den Eisen­bahnzug und get im Waggon an die Arbeit. Wärend der zweiſtün­digen Fart ist das bewußte Kleidungsstück fix und fertig bis auf das Bügeln, das aber am Hochzeitsort bei einem Kollegen besorgt wird, sodaß binnen einer halben Stunde nach der Ankunft des Zuges das Festgewand wie angegossen auf dem Leibe des Kunden sizt. Daß all­gemeine große Heiterkeit und endlich auch klingende und mündliche An­erkennung ob dieser Parforcleistung unserem flinken und findigen Schnei­der zuteil wurde, wird jeder Leser glauben. So sehr nun dieser Vor­fall geeignet sein dürfte, die Herrn Passagiere   zu einer praktischen Ver­wendung der Farzeit im Eisenbahnwagen anzuregen, so ist doch wol die Moral von der Geschicht': Siz' zu lang im Wirtshaus nicht! nrt.

Die Leichenfeier einer indischen Königin. In Bangkok  , der Hauptstadt Siams, wurde am 16. März die Beisezung der mit ihrer einzigen Tochter bei einer Flußfart ertrunkenen Lieblingsgattin des Königs vollzogen und zwar mit riesigem Prachtaufwand. Den Tag vorher wurden die beiden in Sandelholzsärgen ruhenden Leichen von Hofbeamten und Priestern nach einem zu diesen Zweck aufgefürten höl­zernen Palast übertragen und auf einen aus wolriechenden Hölzern er­richteten Scheiterhausen gestellt. Die tote Königin trug europäische, ihre Tochter einheimische Kleider und beiden waren ihre kostbarsten Schmucksachen angelegt. Hofdiener und Offiziere hielten die Nacht über mit brennenden Fackeln Wache bei den Leichen und am anderen Morgen verrichteten die Priester vor dem Scheiterhausen, auf dem man zwei mit Wasser vom heiligen Gangesflusse gefüllte silberne Eimer gestellt hatte, Totengebete. Dann erschien der König Chuan- Long in Begleitung

von J. D. H. Temme( Fortsetzung).

-

seiner viermonatlichen Ausgrabungen, bei welchen 150 sizilianische Ar­beiter tätig waren, nach Paris   gebracht. Die größtenteils aus Grab­stätten herrührende Samlung enthält außer wirklichen Kunstschäzen, z. B. der Statue eines Knaben Herkules, fünf noch ungeöffnete steinerne Särge, Mosaikböden, reiche Vasen, Gefäße aus irisirendem oder weichem Glas, Frauenschmuck und Hausrat aller Art.

nrt.

Eigentümliche Benüzung von Postbrifkästen in Rußland  . In Moskau   fanden sich im vorigen Jare beim Entleeren der Brifkästen im Postamte: 1271 Pässe, 43 Wechsel von zusammen 27 323 Rubel, 1075 Aufenthaltsscheine, 2 ausländische Wechsel, 59 Droschkenkutscher­scheine, 3 Talons auf 6691,91 Rubel, 60 Leihkassenscheine, 1 Schuld­verschreibung von 1500 Rubel, 47 Handelspatente, 1 Billet der 2 innern

Prämienanleihe, 133 diverse Quittungen, 204 Bettel verschiedenen In­halts, 87 Abschiedsdiplome, 59 Kontremarken vom Adreßkomptoir, 23 Atteste, 139 Messingmarken, 1 Georgenfrone( hoher Orden), 2 Me­daillons, 1 goldenes Kreuz, 1 Versicherungspolice, 2 Abrechnungsbücher, 1 Billet der Koma- Wolgabank auf 2700 Rubel, 1 Quittung der mos­fauer Kaufmansbank über 700 Rubel und außerdem eine Anzal anderer Bescheinigungen über den Empfang von zur Aufbewarung übergebenen Gegenständen. Es ist nicht unwarscheinlich, daß diese Sachen gestolen wurden und von den Dieben, da sie nichts damit anfangen konten, in den Brifkasten geworfen wurden.

"

Redaktionskorrespondenz.

"

"

nrt.

Rapperswil( Sankt Gallen  ). Adjunkt B. Eine ,, politisch- literarische" Wochenschrift, die wir Ihnen mit gutem Gewissen als in echt freisinnigem Geiste redigirt empfelen tönten, gibt es leider gegenwärtig nicht. Da Sie sich jedoch auch nach einer periodischen wissenschaftlichen Schrift erkundigen und wir wol vorausfezen dürfen, daß sich Ihr wissenschaftliches Interesse auch auf das staatswissenschaftliche Gebiet erstrect, so raten wir Ihnen, Sich auf die Staatswirtschaftlichen Abhand lungen", welche im Verlag von Erich Koschny in Leipzig   erscheinen, zu abonniren. Mit Ihrem Wunsche bezüglich der täglich einmal erscheinenden Beitung erget es uns, wie mit dem bezüglich der literarisch- politischen Wochenschrift, wir kennen teine, die Ihren Wünschen ganz gerecht werden dürfte. Die Frankfurter   Beitung wie die Berliner Volkszeitung" werden von hervorragenden Kräften redigirt und beobachten eine der Reaktion im allgemeinen entschieden feindliche Haltung, aber sie er­wöchentlich nur zweimal, im übrigen wäre er wol wert, daß Sie mit ihm einen Versuch scheinen täglich mehr als einmal, und der Reichsbürger  " in Leipzig   erscheint machten. Giebichenstein  . Abonnent seit fünf Jaren. Knochen, die man an Stelle von Elfenbein verwenden will, reinigt und entfettet man mittels einer Lösung von einem Teile Potasche in 20 Teilen Wasser, die durch Kochen mit Aezkali äzend gemacht worden ist. Man nimt einen Teil dieser Flüssigkeit, verdünt mit 5 Teilen Wasser, kocht den Knochen zwei bis drei Stunden darin, wiederholt das Kochen, diesmal in reinem Wasser, kült den Knochen allmälich ab und trocknet ihn im Schatten. Je frischer diese Knochen zu allerhand Schnizereien u. dgl. verarbeitet werden, desto schöner werden sie und desto mehr gleichen sie dem Elfenbein. Vergilbte Knochen werden wie Elfenbein wieder weiß gemacht, nämlich indem man sie befeuchtet und unter einer Glasglode dem direkten Sonnenlicht aussezt oder, wenn sie sehr vergilbt sind, mit fein geschlämtem Bimsstein abreibt, in Wasser reinigt und dann erst unter der Glass glode bleicht. Das Knochenöl wird als Nebenprodutt gewonnen, wenn man durch Glühen der Knochen bei Luftabschluß( in geschlossenen Gefäßen) Knochenkole, das sogenante Beinschwarz, darstellt. Für Ihre vermutlichen Zwecke dürfte es Ihnen inter­essant sein, zu erfaren, daß eine elfenbeinartige Steinmasse bereitet werden fann aus Gips, den man, in Formen gepreßt, 24 Stunden auf 120 bis 130 Grad Celsius erwärmt, einen Augenblick in Wasser von 40 Grad Celsius taucht und dies alle 10 bis 15 Minuten wiederholt, bis sich der Gips vollständig mit Wasser getränkt hat. Alsdann muß er völlig ausgetrocknet und mit Del oder Firnis getränkt werden, wodurch sie an der Oberfläche durchscheinend werden.

Görlik. H. R. Als Mittel gegen den Bandwurm wird eine Abkochung der Farrenkrautwurzel oder der möglichst frischen Granatwurzelrinde empfolen. Auch Koussoblume, die Blüten der in Abessinien wachsenden Brayera anthelminthica, werden mit Erfolg angewant. Ueber das Nähere der Praxis bei der Bandwurm abtreibung   erkundigen Sie sich bei Leuten, die die Prozedur bereits einmal durch gemacht haben oder, was immer am besten ist, Sie vertrauen Sich einem verständigen Ärzte an.

Sprechsal für jedermann.

Heinrich Gaßmann aus Duderstadt  , welcher im Jare 1858 nach Amerika   ausgewandert ist, hat von jener Zeit an nichts mehr von sich hören lassen. Er und alle diejenigen, welche von seinem Ver­bleib etwas wissen, werden gebeten, die bezüglichen Mitteilungen an seinen unterzeichneten Bruder gelangen zu lassen.

-

Karl Gaßmann, Ostrandweg 152, Dortmund  .

Inhalt. Herschen oder dienen? Roman von M. Kautsky( Fortsezung). Universitätsleben und Universitätsfreunde. Eine Erinnerung Wie die Australier mit ihren Toten umgehen, von Dr. Max Vogler. Die ungarische Adelsherschaft. Kulturgeschichtliche Skizze von C. Lübeck Der Herenmeister( mit Illustration). Kunterbunte Reminiszenzen: Das Wartburg  - Autodafé. Ein eigenartiges Völkchen. Römische Fremdenfürer. Naiv. Ende einer Schönheit. Aus allen Winkeln der Zeitliteratur: Ein flinker Schneider. Die Leichenfeier einer indischen Königin. Archäologische Funde. Eigentümliche Benuzung von Postbrifkästen in Rußland  . Redaktionskorrespondenz. Sprechsal für jedermann.

-

-

Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser   in Gohlis  - Leipzig  ( Mödernsche Straße 30 d).- Expedition: Färberstr. 12. II. in Leipzig  . Druck und Verlag von Franz Goldhausen in Leipzig  .