Persönlichkeiten, teils deren Schicksale nicht so geartet sein, daß sie ein allgemeines Interesse in Anspruch zu nemen vermöchten.
Allein einiger ganz absonderlichen Sonderlinge darf ich noch erwänen, die überall zu den Seltenheiten und Sehenswürdig feiten gehören würden, und die zudem so, wie sie waren, wol nur durch das eigentümliche deutsche Studentenleben sich herausbilden fonten. Und da muß ich vor allen des alten braven Muck von Nollendorf gedenken.
Er war eine der ersten Bekantschaften meines Universitätslebens.
Ich fand ihn in den ersten Tagen nach meiner Ankunft in Göttingen zu Michaelis 1816. Er hielt sich zu den Westphalen, one Mitglied der Verbindung zu sein. In früherer Zeit hatte er zu dem Korps gehört. Das war aber schon lange her, und die ältesten Mitglieder der Verbindung konten sich nur erinnern, von ihm gehört zu haben. Er war ein bejarter Herr, als ich im Jare 1816 ihn kennen lernte; er hatte das Aussehen eines Greises, wengleich sein Har nicht grau war. Seine Gestalt war gebückt, schien sich kaum zusammen halten zu können. Sein Gang war schleppend, mühsam. Das Gesicht war bleich, eingefallen; nur die großen, tief dunklen Augen hatten einen wunderbaren Glanz; keinen unheimlichen, vielmehr einen milden, woltuenden. Milde und Wolwollen war der Charakter des braven Mannes. Er hatte schon in den Jaren 1810 bis 1813 in Göttingen studirt. Im Anfange des Jares 1813, als König Friedrich Wilhelm III. von Preußen sein Volk zu den Waffen rief, das Land von den Franzosen zu befreien, war Muck von Nollendorf aus Göttingen verschwunden. Er war kein Preuße, vielmehr Olden
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burger; aber er war einer der ersten, die dem patriotischen Rufe des Königs gefolgt waren. Er war in das Corps des Generals von Kleist eingetreten. Er war durch seinen Mut, wie durch seine Intelligenz ausgezeichnet, bald Offizier geworden. Nach der Schlacht von Nollendorf war er zum Hauptmann und Kompagniechef ernant. Wie diese Schlacht seinem General offiziell den Namen Kleist von Nollendorf eintrug, so hieß der brave Muck unter seinen Freunden und Kameraden seitdem Muck von Nollendorf.
Ich darf hier bemerken, daß auch der Name Muck nicht der seiner Familie war. Ich habe diesen Namen niemals erfaren. Niemand fragte den alten braven Menschen danach; gedruckte Studentenverzeichnisse gab es damals, wenigstens in Göttingen , nicht. Er selbst sprach nicht darüber, wie er überhaupt nie von sich selbst sprach. Um so unterhaltender, belehrender und liebenswürdiger war sein Umgang. Er schloß sich am liebsten den jüngeren Studenten an, den Füchsen. Zum lernen sei er zu alt und zu stumpf, sagte er, um so mehr bedürfe er der Auffrischung, die er nur durch die Jugend finde. Er war durch und durch ein Edelmann, indem er durch und durch ein edler Mann war. Als ich zu Michaelis 1817 Göttingen verließ, war er noch da. Auch im Jare 1818 hatte man ihn noch gesehen; aber immer seltener, und immer, auch beim wärmsten Sonnenschein, nur in Pelze eingehüllt. Im Jare 1819 war er ganz verschwunden. Es hieß, er sei in seine Heimat Oldenburg zurückgekehrt, wo er bald nachher gestorben sei.
Nach ihm darf ich von einem andern Sonderling erzälen, den ich im Jare 1816 in Göttingen kennen lernte und noch im Jare 1824 dort wiederfand: Wippermann.( Fortsezung folgt.)
Die ungarische Adelsherschaft.
Kulturhistorische Stizze von C. Lübeck.
Die Hausgenossenschaft oder Hausgemeinschaft, deren Spuren wir bei den Szeklern warzunemen glaubten, sie zeigen sich auch bei den Kumanen und Jazygen und überall bei den unterworfenen slavischen Völkerschaften. Die Vereinigung der Abkömlinge desselben Stammvaters, welche dasselbe Haus oder denselben Hof bewonen, gemeinsam arbeiten und die Produkte der ländlichen Arbeit gemeinsam verzehren diese bilden die Hausgemeinschaft. Das Haupt derselben ist der Gospodar, der von der Familiengemeinschaft erwält oder von seinem Vorgänger ernant wird und die auszufärenden Arbeiten u. s. w. zu leiten und zu überwachen hat. Die Hausgemeinschaften bestehen in der Regel aus 20-25, mitunter auch aus 50-70 Personen, die Größe des Gutes beträgt zwischen 25 und 50 Foch(= 57 Are 53 Centiare). Das Genossenschaftsvermögen ist unveräußerlich und unteilbar.
Alles Land war vor der Ankunft der Hunnen und Magyaren im Besize von Hausgemeinschaften. Den Dorfverbänden gehörten die Wälder und Weiden zu gemeinschaftlicher Benuzung. Als 1690 die Serben in die entvölkerten Landesteile zwischen Sau und Drau einwanderten, erschienen sie in Familiengemeinschaften. Die Geschichte erzält uns von 36-37 000 serbischen Familien unter der Fürung des Patriarchen Tschernowitz . Die Hausgemeinschaft ist all' diesen südslavischen Völkerschaften eigentümlich, und tatsächlich findet man heute noch in Ungarn und seinen Untertanenländern die Hausgemeinschaft zum teil sogar in alter Ursprünglichkeit wieder, und alles deutet darauf hin, daß auch die Magyaren anfänglich in Hausgemeinschaft lebten. Auf jede Session oder jedes Bauerngut kamen in neuester Zeit noch in Ungarn etwa drei verwante Bauernfamilien. Die Zal derartiger von Familiengemeinschaften bewonten Güter betrug am Ende des vorigen Jarhunderts 207 018, im Jare 1828 soll diese Zal warscheinlich infolge Urbarmachung öder Landstriche sogar auf mehr als 250 000 gestiegen sein.
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Im Jare 1805 bezifferten sich die in den Hausgemeinschaften lebenden mänlichen Bauern auf 643215, außerdem gab es 783 364 Besizer und Unterbefizer, d. h. solche Bauern, welche keiner Hausgemeinschaft angehörten oder ein Haus und einen Hausgrund zu durchschnittlich 150 Klaftern besaßen, und solche, welche bei anderen Bauern einwonten, also feinen Grundbesiz oder Anteil daran ihr Eigen nanten. Dies der Boden, auf dem die magharische Adelsherschaft entstand. Warscheinlich ist sie nicht die erste gewesen. Vor den Magyaren hatten ja schon verschie
( 1. Fortsezung.)
dene Völkerschaften von dem Lande dauernd Besiz ergriffen, u. a. auch die Averen, welche es in Kanschaften teilten und dem Lande eine allerdings mehr militärische als bürgerliche Organisation verliehen. Historisch ist die Adelsherschaft mit den Magyaren verknüpft, und hier ist sie in erster Reihe ein Ausfluß des Eroberungsrechts. Das Land fiel den schwerttragenden Männern zu, die es auch gegen neue andringende Völkerschaften zu verteidigen hatten. Große Teile des Landes wurden ausgeschieden; die Wälder und Wiesen den Bauern genommen; alle Rechte, die sie bisher besessen, ihnen geraubt. Immerhin dachten die magyarischen Herrn doch flüger und billiger als die germanischen. Sie sahen ein, daß der Bauer one Wald und Wiese nicht existiren konte. So blieben die Bauern im Besize von Waldungen und an diesen bäuerlichen Waldbesiz erinnert zur Zeit des Feudalismus die Bestimmung, daß überall dort, wo Wald bestand, das Recht der freien Holzung den Bauern ausdrücklich gewart war. Gegen eine kleine Abgabe( von 6-12 kr.) von jedem Schweine erhielt der Bauer das Recht der Eichelmästung, ferner verblieb ihm das Weide recht, wobei auf jedes Bauerngut 4-22 Joch Weide fielen. Auch fonte jede Gemeinde die Sonderung eines diesem Ausmaste entsprechenden Weidegrundes von der grundherlichen Weide, die ehemals der Familiengemeinschaft gehörte, gesezlich verlangen. Dies deutet darauf hin, daß bei der Eroberung des Landes den Unterworfenen ausdrücklich gewisse Existensquellen gewart blieben. Die Möglichkeit ist immerhin nicht ausgeschlossen, daß diese Bauernrechte erst in der Zeit des Feudalismus ent standen und nur Rechte des magyarischen Bauern waren. Der Feudalismus entwickelte sich erst sehr allmälich. Einen Wendepunkt zum Schlimmeren bezeichnet die Zeit des heiligen Stephan, der mit der christlichen Religion zugleich eine neue Organisation der Kriegsmacht einfürte. Das Prinzip der ausschließlichen Lan= desverteidigung durch die herschende Klasse wurde von ihm aufgegeben, das Land nach den Burgen in Stomitate geteilt und die Burguntertanen verpflichtet, unter der Fahne des Obergespans in den Krieg zu ziehen, wärend die Edelleute direkt unter der königlichen Fahne zu dienen hatten.
Die Burguntertanen bestanden mehr oder weniger aus Unterworfenen und Fragmenten der Adelsklasse, in welcher sich troz der strengen Aufrechterhaltung der politischen Gleichberechti gung, mit der Zeit große soziale Verschiedenheiten herausgebildet hatten.