Elend als Faktor bei der Bildung der Leibeigenschaft dagegen so ziemlich ausgeschlossen.
In der Mitte unseres Jarhunderts, unmittelbar vor der Aufhebung der Leibeigenschaft in Ungarn befanden sich unter den 13 millionen Einwonern, welche das eigentliche Königreich Ungarn mit Ausschluß von Siebenbürgen bewonen, etwa 600 000 Seelen, welche dem privilegirten Stande der Edelleute angehörten. Es wonten etwas über 1 million Menschen in den Städten. Die übrigen 11 millionen gehörten dem leibeigenen Bauernstande an. Mau ersiet hieraus den Umfang der feudalistischen Krystallisation, die über ein Volf von ca 12 millionen eine Gruppe von 600 000 Seelen oder von etwa 200 000 Männern zu Herschern erhebt! Damit ist nun keineswegs gesagt, daß die Gesamtheit der 11 millionen Bauern ehemals zur herschenden Klasse gehört. Daß ein großer Bruchteil zu ihr zälte, das ergibt sich aus dem bemerkenswerten Faktum, daß Adel und Bauern die gleiche Sprache reden, daß man in Ungarn also keinen Unterschied in der Sprache der sogenanten besseren und niedrigen Klassen kent.
Nach einer genauen statistischen Mitteilung, welche auf alten Catastralanga en aus den Zeiten Kaiser Josephs II. und den Resultaten neuer Ausmessungen und Abschäzungen berut, betrug 1849 die Größe der steuerpflichtigen Grundstücke in Ungarn , die Militärgrenze , Dalmatien und Siebenbürgen ausgenommen, 12 132 288 Jody oder 957% Quadratmeilen, wärend das steuerfreie adelige Befiztum auf 39 853 401 Joch oder 3125% Quadratmeilen sich beläuft. Davon sind 27 721 118 Joch oder 2174% Quadratmeilen( die Quadratmeile zu 15 299 441 österreichischen Quadratklastern gerechnet) von jeder Besteuerung und von sonstigen Lasten frei.
Das sind sprechende Zalen. Die ca. 600 000 Stöpfe zälende privilegirte Klasse besaß drei bis viermal so viel Grundeigentum als die 11 millionen Bauern zusammengenommen. Es werden diese Balen noch bedeutungsvoller, wenn man die Lasten erwägt, welche auf den bäuerlichen Grundstücken ruten. Im Jare 1846 betrugen die Abgaben außer, dem Neunten für den Gutsherrn und dem Zehnten für die Kirche: 1) Kriegssteuer oder Militärfontribution 4 395 244 fl., 2) Domestikalsteuern 2 700 000 fl., 3) sogenante Deperditen 910 040 fl. und 4) Grundzins 237 852 fl. in Summa 8243 136 fl., also per Joch etwa 40 Xr. oder 15 Sgr.
Hierzu rechne man den Robotdienst und alle die Leistungen, welche den Bauern aufgehalst waren.
Die Bauern zerfallen nach der Größe ihres Besizes in ganze, halbe, viertel und achtel Bauern, je nachdem sie ein ganzes, halbes, viertel oder achtel Bauerngut befizen. Tas Minimum der Größe eines Bauerngutes beträgt 10 Joch Aderland mit 6 Tagewerk Wiesengrund, das Maximum 40 Joch Ackerland und 22 Tagewerk Wiesen. Die durchschnittliche Größe dürfte deshalb auf 22 Joch Aderland( das Joch durchschnittlich 1200 Quadrat flaftern) und 12 Tagewerk Wiesen angenommen werden. Besizt ein Bauer ein solches Gut allein, so heißt er ein ganzer Bauer u. 1. w.
Jeder ganze Bauer nun mußte seinem Grundherrn in einem Jare 52 Tage Robot mit Zugvieh, oder statt dessen doppelt so viel, also 104 Tage, Handrobotdienst, jeder Hausbeisasse järlich 18 und der one Haus auf dem Gute bei andern einwonende eine 12 tägige Handarbeit leisten. Außerdem war von jedem Gute und von je acht Beijassen järlich eine Person auf dreitägigen Jagddienst zu schicken.
Bon jeglichem Felderzeugnisse, mit Ausname der Erträgnisse der Wiesen und der sogenanten innern Gründe( Gärten), hatte er den Neunten in natura abzugeben; statt der Abgaben an Flachs und Hanf fonte auch die Verpflichtung aufgelegt und übernommen werden, eine Quantität von sechs Pfund zu spinnen. Auch von Wein und Obst mußte der Neunte abgegeben werden, ebenso an Honig, Hünern, Eiern, Kälbern, Butter. Die lezteren Abgaben waren schon geraume Zeit vor der Aufhebung der Leibeigenschaft abgeschafft worden.
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Wenn man sich die Raffinirtheit in die Erinnerung ruft, wo z. B. die französischen Feudalherren ihre Bauern plünderten, dem erscheinen diese Lasten fast noch mild.
Jeder Untertan, war er nun Vollbauer oder Beisasse, mußte, wenn er ein eigenes Haus besaß, järlich einen Gulden Hauszins ( Rauchgeld) geben. Genoß ein Bauer das Recht der Holzung( des Holzsammelns im herschaftlichen Walde), so war er dafür, wenn er ganzer Bauer war, verpflichtet, eine Klafter Holz für die Herschaft zu fällen und bis auf zwei Meilen Entfernung anzufaren. Die Bauern waren verpflichtet, Wege und Brücken nicht
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allein auf ihren Gütern, sondern auch der Besizung der Herschaft in Stand zu halten. Gewönlich wurde diese Arbeit als Robotdienſt angesehen und nebst dem dem Herrn geleisteten Vorspanndienst von der Robotleistung in Abzug gebracht.
Sämtliche Steuern, Domestikal- und Kriegsstenern, wurden, da der Edelmann davon frei war, auf die Bauern nach der Größe ihrer Besizungen verteilt. Die Kriegssteuer diente zur Deckung aller Militärausgaben; aus der Domestikalsteuer wurden die Komitatsbeamten besoldet, die Reichstagsunkosten bestritten, die Gefangenen erhalten, die Straßen, Brücken und Komitatsgebäude erbaut! Und nur die Bauern und mit ihnen die Juden waren es, welche die Brücken- und Straßenzölle zu bezalen hatten. Die Staatslast lag somit fast ausschließlich auf den Schultern der Bauern.
Bei der Aufhebung der Leibeigenschaft wurde der Robot folgendermaßen berechnet: Für 250 000 Sessionen( Bauerngüter), à 104 Handtage järlich, den Tag zu 10 r.( 3-4 Silbergr.) gerechnet, macht 4 500 000 fl. oder Kapitalwert zu 4 Prozent 112 500 000 fl. Jm allgemeinen wird man bei der Beurteilung der Robotleistung, wenn man gerecht sein will, den täglichen Wert auf 15-20 Str. erhöhen müssen, was auch die entsprechende Erhöhung der Gesamtsumme zur Folge hat. Man darf den Robotertrag dieser Bauerngüter auf gut 6-7 millionen Gulden järlich veranschlagen. Hierzu tritt die Robotleistung der Beisassen und Einwoner, deren Zal im Jare 1805 auf 783 364 berechnet war. Ihre Arbeitsleistung beziffert sich auf 150 000 000 Robottage, deren Wert zu 10 Kr. eine Rente von 22 Millionen oder ein Kapital von 75 Millionen ausmacht. Aber auch hier wird man one Zögern höhere Säze annemen dürfen. Nun komt noch der ungeheure Wert des Neunten an die Grundbesizer und des Zehnten an die Kirche hinzu, um die furchtbare Last erkennen zu lassen, die auf den Schultern der Bauern rute.
" Misera contribuens plebs"," das arme steuerzalende Volk", hieß damals in der Geschäftssprache der ungarische Bauer, der sogar die Kosten der Prozesse bezalen mußte, welche die Edelleute unter einander fürten. Dabei ist nicht zu vergeffen, daß noch viel schlimmer als die eigentlich magyarischen Bauern die wie Tiere behandelten walachischen daran waren.
Wer durch das herliche Ungarland reist und neben den reizenden Schlössern und Villen die armseligen Hütten der Bauern siet, welche soeben erst dem Mittelalter entstiegen zu sein scheinen, der wird es begreiflich finden, warum dies so ist und nicht anders sein kann. Erhielten die Bauern doch nicht nur den Adel, sondern überhaupt den Staat. Obwol Ungarn zum Teil fruchtbar wie Aegypten ist, verblieb den Bauern zur eigenen Erhaltung in den meisten Fällen doch nicht viel mehr, als das Allernotwendigste. In der großartigen Reformepoche Joseph 11., der auch das Joch der Juden erleichterte und sie zu Menschen erhob, wurde zum erstenmale die Leibeigenschaft aufgehoben. Joseph II. erklärte dem ungarischen Hoffanzler Grafen Palfy, daß es seine Absicht sei, den gedrückten Landmann von dem erdrückenden Uebergewicht der Adelsherschaft zu befreien. Eine neue Steuerordnung sollte plazgreifen und in der Besteuerung die den Edelleuten zu= ständigen Besizungen, deren Freiheit von der Freiheit der Person wol zu unterscheiden sei, mit denen aller andern Einwoner und Bürger völlig gleichgestellt werden. Zur Durchfürung dieser Beſtimmung wurde eine neue Vermessung der liegenden Gründe
vorgenommen.
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Man kent den traurigen Ausgang der josephinischen Reformen. Was der hochherzig denkende und strebende Fürst ersehnt, was er mit heiligem Feuereifer erstrebt und erbaut hatte, er mußte es mit eigner Hand, blutenden Herzens Stück um Stück einreißen, wol die schrecklichste Sysiphusarbeit, die je von einem Fürsten verrichtet worden ist! Alle Reformen mußten widerrufen werden, nur an dem berühmten Duldungsgeseze, der Pfarreinrichtung und der Aufhebung der Leibeigenschaft hielt Joseph II. mit zäher Straft fest. Er vermochte es nicht über sich zu gewinnen, die Unglücklichen ins Elend zurückzustoßen, sie ihren Herren wieder auszuliefern.
Als der Kaiser gestorben war, schrieb Herder:
,, Vor neun Jaren, da er auf den Tron stieg, wurde er als ein Hülfsgott angebetet und von ihm das Größte, Rühmlichſte, fast das Unmögliche erwartet; jezt trägt man ihn als Sühnopfer der Zeit zu Grabe. Hat je ein Kaiser, hat je ein Sterblicher möchte ich sagen, mehr gewollt, sich mehr bemüht, mehr angestrebt, rastloser gewirkt, als er? Und welch ein Schicksal, vor dem Angesichte des Todes in den besten Lebensjaren die Erreichung