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Die ungarische Adelsherschaft.

Kulturhistorische Skizze von C. Lübeck.

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Der ungarische Bauer ist wol auch roh und nur zu leicht zu Gewalttätigkeiten geneigt, und seine Wildheit ist bekant; er ist auch keiner der fleißigsten und intelligentesten Arbeiter, in seinem ganzen Wesen aber liegt doch etwas Edles, Würdiges, das er allerdings mit allen Orientalen gemein hat, das aber hauptsäch­lich wol den günstigeren Lebensbedingungen zuzuschreiben ist, die er sich zu sichern oder im Laufe der Jarhunderte zu erringen wußte. Die Einwirkung dieses Umstandes wird klar, wenn man die Lasten der ungarischen Bauern mit denjenigen der deutschen ver­gleicht.

( Schluß.)

Magazinkorn noch vier Meilen weiter zu schaffen.- So leistet der Vater zeitlebens und vermacht die drückende Bürde dem Sone und dem Enkel: von ihr ist keine Erlösung. So leistet der Dürf­tige dem Reichen, der Unglückliche dem seiner Meinung nach ganz Beglückten, der Verachtete dem Angesehenen, nicht selten Aufge­blasenen, zuweilen der Gläubiger dem Schuldner, leider manch­mal der Mismutige dem Uebermutigen, der Fleißige dem in­dolenten Prasser, der Gekränkte dem Beleider und Unterdrücker, der Rechtschaffene dem Bulen, der gehönte Gatte dem Störer seines Hausfriedens, der Vater dem Verfürer seiner Tochter.... Fremde Herren fressen sich auf der Bauern Felder satt, und zwingen ihn, mit nicht zu berechnendem Nachteile die Dauer der ihm ver­statteten Nüzung möglichst einzuschränken; verstatten ihm nicht, soviel Vieh als er selbst braucht, zu halten" u. s. w. Die Namen der Dienste und Abgaben dieser hartgedrückten deutschen Bauern würde ein kleines Wörterbuch füllen. Der be­tante Ritter v. Lang konte eine Liste von nicht weniger als 800 solcher Dienstbarkeiten aufstellen.

In Preußen erging noch im Jare 1799, also ein volles Jar­zehnt nach dem Ausbruch der französischen Revolution eine Stabi­netsordre, worin den Edelleuten eingeschärft wurde, den Hof­dienst der Bauern nicht öfter als drei Tage in der Woche zu beanspruchen. Damit vergleiche man die Robotpflicht der ungarischen Bauern, die als ganze Bauern nur einen Tag in der Woche Robotdienst zu leisten hatten. In den Fürstentümern Oppeln und Ratibor bestand nach Kolb die( 1617 codifizirte) Ver- Es ist bei dieser Sachlage einleuchtend, daß die ungarischen ordnung, daß die Herschaft widerwärtige Untertanen zwingen konte, Bauern andere Menschen als die deutschen und im allgemeinen ihr Gut zu verkaufen. Fanden sich keine Käufer, so fonte die diesen überlegen sein müssen. Wir denken dabei nicht an die Herschaft das Gut um zwei drittel des Abschäzungswertes über deutschen Bauern in Ungarn , die sich wol durchweg durch höhere nemen, was in Ungarn nie der Fall war. Gerade im 18. Jar- Intelligenz auszeichnen, auch eine trefflichere Wirtschaft als die hundert erachteten es viele Gutsherrn vorteilhaft, ihre Bauern Ungarn füren. Diese deutschen sind als freie Menschen nach Un­auszutreiben und deren bisherige Bauernäcker zum Herrengut zu garn gekommen und von der Krone zur Belebung der Landwirt­schlagen. Die Ausgetriebenen verfielen als Ausgewiesene dem schaft unterstützt worden; auch die Ueberreste der alten germanischen Elend. Den übrigen Untertanen aber ward zugemutet, nun auch Wanderung in Ungarn , die wie die Hienzen ihre Freiheit zu be­noch die früheren Bauernäcker zu bearbeiten, wärend die Verhaupten wußten, sind von einem Vergleiche ausgeschlossen. Wir triebenen vorher mit geholfen hatten, das damals kleinere Herren- denken an die Bauern in Deutschland , die unter dem Drucke der gut zu bestellen. Auf Rügen verursachten diese Mishandlungen Leibeigenschaft moralisch und physisch in einer Weise verkrüppelten, der Bauern namentlich zur Jugendzeit E. M. Arndts Aufstände. daß sie heute noch nicht völlig imstande sind, tatkräftig am poli­Die Militärgewalt schlug sie nieder. Die Bauern namen Rache, tischen Leben teil zu nemen und der Kulturentwicklung zu folgen, indem sie ihre Edelleute ermordeten. Es war ein Zustand wie wärend bei den ungarischen Bauern dagegen das politische Leben in Rußland vor der Zeit der Bauernemanzipation. Auch in Kur- ganz bedeutend entwickelt ist,- obwol erst 30 Jare seit der Auf­sachsen ward der geschilderte Misbrauch noch im Jare 1790 die hebung der Leibeigenschaft verflossen sind. Ursache von Aufständen.

Als Friedrich II. Schlesien erobert hatte, gab er den Bauern das Recht, über zu strenge körperliche Büchtigung sich beschweren zu dürfen. Dies war ein Fortschritt! bemerkt Kolb.

So lange die Herschaft ihre Erzeugnisse nicht verkauft hatte, sollten in manchen Gegenden die Untertanen die ihrigen nicht ver­kaufen dürfen. Ebenso wurden die lezteren zuweilen genötigt, die der Herschaft gehörenden Produkte sich gegen Balung zuteilen zu lassen, z. B. Fische übernemen, so oft die fürstlichen oder guts­herlichen Teiche ausgefischt wurden.

Auch die Kinder der Untertanen standen unter dem Dienst­zwange. Wurden dieselben arbeitsfähig, so mußten sie der Her­schaft vorgestellt werden, und wenn diese es verlangte, eine Reihe von Jaren auf dem Hofe dienen. Für den Dienst an einem an­dern Orte oder den Uebertritt in ein Gewerbe war ein Erlaub­nisschein erforderlich, der erkauft werden mußte. Ebenso hatten sich die auswärts dienenden alljärlich, gewönlich an Weihnachten, der Herschaft zur Auswal vorzustellen.

Das Unheil des herschaftlichen Wildstandes kent man. In manchen Ländern durfte der Landmann seine Aecker nicht einmal durch Zäune schüzen. Prämien waren auf die Erlegung des Wilddiebes gesezt, die Bestrafung desselben war eine barbarische. In seinen Anmerkungen zu den Zuständen vor der franzö­ sischen Revolution" zitirt Kolb aus einer Schrift eines Herrn b. Münchhausen Bom Lehnsherrn und Dienstmann " folgende Stelle:" Wie traurig ist es, wenn der Bauer eine fremde, vorige Ernte über Land faren muß, indes die jezige, eigene dringend seine Gegenwart fordert; wenn er ein Prunkgebäude auf füren helfen muß, indes seine nuzbare Hütte zerfällt; wenn er oft eines leeren Höflichkeitsbrifes wegen als Bote ausgeschickt wird, indes vielleicht seine sterbende Mutter nach ihm verlangt; wenn er mit 2, mit 4 Pferden stundenweit kommen muß, um ein par tausend Schritte weit zu faren, was ein Pferd ziehen könte; wenn er meilenweit kommen muß, um einige Heller Zins zu entrichten, die ihm auf immer kein Mensch erlassen fann; wenn er nach voll­brachtem Erntetage seines Herrn Hof die Nacht über bewachen muß; wenn er 8 Meilen weit faren muß, um einige Scheffel

Sehen wir uns jezt näher nach den Rechten um, die der un­garische Adel sich zu sichern wußte.

Zur Zeit der Aufhebung der Leibeigenschaft war die Person eines jeden ungarischen Edelmans frei und unverlezlich. Er konte nie auf bloßen Verdacht hin verhaftet werden, sondern mußte auf freiem Fuße vor Gericht geladen und wärend des ganzen Pro­zesses auf freiem Fuße belassen werden. Ausgenommen waren nur notorische Straßenräuber, auf Veruntreuung ertappte Beamte und Hochverräter, deren Kategorien genau definirt waren und denen tatsächlich hochverräterische Handlungen nachgewiesen wur­den. Wegen Schulden konte nie ein Edelmann seine persönliche Freiheit verlieren, mit körperlichen Strafen unter keinen Um­ständen gestraft werden. Von jedem Urteile stand ihm der Appell bis zur höchsten Gerichtsstelle frei. Bis zum Jare 1836 fonte ein Nichtadliger gegen einen Adligen wegen Forderungen oder Verlegungen irgend einer Art persönlich keine Klage füren, son­dern mußte, entweder durch seinen Grundherrn, oder, wenn er Bürger war, durch die königliche Stadt, der er angehörte, den Prozeß füren lassen.

Wie die Person, so war auch das Eigentum des Edelmans ein sehr gesichertes. Liegende und adlige Güter konte nur ein Edelmann kaufen; grundherliche Macht ebenfalls nur ein Edel­mann ausüben. Sowol die Person wie das liegende Allodialgut und das bewegliche Vermögen des Edelmans war frei von jeg­lichen direkten Steuern, vom Zehnten an die Geistlichkeit oder Regierung, von jeglichen Maut- und Dreißigstzöllen. Der Edel­hof war frei von Militäreinquartierung. Ueber seine erworbenen Güter konte jeder Edelmann frei verfügen; jedoch über sein ehe­herliches Vermögen konte er nicht mit Beeinträchtigung der Ver­wanten, sowie über die durch königliche Schenkung erhaltenen Güter nicht mit Beeinträchtigung des Fiskus testamentarisch ver­fügen.

Nur dem gesezmäßig gekrönten Könige, welcher die Ver­fassung beschworen, war der ungarische Edelmann Gehorsam schuldig. Es war ausdrücklich bemerkt, daß der Edelmann dem nicht gekrönten d. h. aus der Zustimmung des Volkes hervorge­gangenen Könige sich widersezen dürfe. Leopold II. strich diese