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Quadratmeilen betragenden Erdoberfläche nur etwa 40 millionen tragfähig sind und da von diesen 40 millionen weiter etwa 6 bis 10 millionen für Straßen, Eisenbahnen abgerechnet werden müssen, so reicht die Erde mit ihren Wonpläzen für die riesig anwachsende Menschheit nicht aus. Zwar werden Straßen und Eisenbahnen abgeschafft, da das Flugproblem gelöst ist; zwar werden sämtliche Tiere getötet, da die Chemie billigeres Fleisch herstellt; zwar werden mit Hülfe der Wasserpanzer Städte in der Tiefe des Meeres gegründet, in denen es sich herlich und froh leben läßt; zwar werden mit Hülfe elektrischer Sonnen die Polargegenden in paradiesische Wonpläze verwandelt, ja in die Tiefe der Erde steigt man hinab und gründet unterirdische Städte mit Häusern von Silber und Gold, mit Gärten voll künstlicher Blumen und fruchtbaren Landstrichen; aber das alles reicht nicht aus: die wachsende Menschheit muß die gesamte Erdoberfläche zu ihrer Narung, zum Ackerbau verwenden. So tritt denn das ökumenische Parlament, welches die Freistaaten der Menschheit regiert, zusammen und dekretirt, das sämtliche 128 milliarden sich auf dem Meeresspiegel ansiedeln sollen, auf der weiten unermeßlichen Fläche, auf welcher mittelst der kunstvoll ausgebildeten submarinen Technik und Hydraulik ein Untergrund hergestellt wird, um die Wonungen der Menschen zu tragen. So wandert denn die ganze Menschheit auf das Meer und gründet gewaltige Städte nicht one einige teuere Reliquien, den Parthenon , die Peterskirche, einige Pyramiden, den kölner Dom , die Westmünster Abtei u. s. w. zum Andenken an ihr einstiges Daheim mitzunemen.
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Wem etwa bei diesen phantasievollen Zukunftsideen schwindelig werden sollte, der möge sich erinnern, welche enormen Fortschritte die Menschheit in den lezten 50 Jaren gemacht hat. Man denke nur an Dampf, Eisenbahnen, Telegraphen, Telephone, elektrisches Licht u. f. w. und man wird diese Zukunftsideen weniger phantastisch und schwindelerregend finden. Ja, man wird das seltsame Buch vielleicht mit traurigem Seufzer bei Seite legen und ausrufen: Weh mir, daß ich kein Enkel bin!"
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Kunterbunte Reminiszenzen.
Rezer" im 11. Jarhundert. Schon im 11. Jarhundert treffen wir fühne Freigeister, deren Weltanschauung sich in schreiendem Gegensaz zu allem bestehenden befand und die namentlich unter den Handwerkern und Bauern oft großen Anhang gewannen. In Frankreich glaubte man alle Kezer und Feinde des Glaubens an der Blässe ihres Gesichts zu erkennen. Wehe solchen Aufgeklärten und Neuerern, wenn die Mächtigen im Lande ihrer gewar wurden! So suchten im Jare 1022 zwei durch Gelehrsamkeit und frommen Wandel höchst bewärte Domherren aus Orleans einen Geistlichen zu Rouen für ihre kezerischen Meinungen zu gewinnen. Dieser meldete entsezt die Sache dem Grafen Richard von der Normandie, der Graf dem Könige Robert, und dieser nun eilte nach Orleans , berief ein Konzil und ließ den Anhängern der Sekte nachspüren. Sie leugneten nicht, gestanden vielmehr, daß sie schon lange ihrem Glauben gehuldigt und daß sie überzeugt gewesen wären, auch die übrigen Christen würden ihnen allmälich beigeftimt haben. Sie verwarfen die Lehre von der Dreieinigkeit als unvernünftig; sie behaupteten, Erde und Himmel wären nicht erschaffen, sondern beständen von Ewigkeit her, Lon für gute oder Strafen für böse Taten würde es in einem Jenseits nicht geben. Dreizehn wurden verbrant.
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Aus allen inkeln der Beifliteratur.
Ein bemitleidenswerter Millionenerbe. Das Reichtum nicht immer glücklich macht, ist allbekant, aber daß man dadurch auch dem öffentlichen Gelächter anheimfallen kann, beweist nachstehender Fall. In Illinois - Bleaminster starb vor einigen Wochen ein nach dort eingewanderter Deutscher, welcher ein Vermögen von 2 millionen Dollars hinterließ. Als Erben dieses in 30 Jaren erworbenen Vermögens hat er nun einen jezt in Holland lebenden Landsmann eingesezt, der einst ſeinen materiellen Ruin verschuldet, sein Familienglück zerstört und ihn Der Erblasser motivirt dadurch zur Auswanderung gezwungen hatte. diese Erbschaft damit in seinem Testament, daß der eingesezte Erbe der eigentliche Veranlasser seines Reichtums gewesen sei und daß er durch das Vermächtnis seines Vermögens nur einen Akt der Dankbarkeit beginge. Er knüpft jedoch an die Nuznießung dieses Erbes die Bedingung, daß der Millionenerbe zeitlebens einen bestimt nach Vorschrift angefertigten Anzug aus schwarzem Wollenstoff mit hellgelben Bassepoil nebst einem Hut von gleicher Farbe und der Form einer Narrentappe diese Vorschrift nicht buchstäblich erfüllt, soll laut Testament das hübsche mit Troddeln statt der Schellen sich zu tragen verpflichte. Sobald er Sümchen den Verwanten des Erblassers anheimfallen. Um über den Berwanten einige tausend Dollar als Entschädigung vermacht. Außerreichen Erben genügende Kontrole zu üben, hat der Testator einem dem sollen für den Fall der Anname der Erbschaft die Bedingungen Dem Erben sind dann noch sechs Monate Bedenkzeit bewilligt, wärend durch sechs namhaft gemachte größere Zeitungen bekant gegeben werden. welcher Zeit er sich entschließen soll, ob er von den Millionen Besiz ergreifen will oder nicht. So eigentümlich und originell diese Testaments bestimmungen sind, in eine ebenso eigentümliche Lage dürfte sich der wol schwer zu beneidende Erbe versezt fülen, für den Fall, daß er die Erbschaft antrit.
nrt.
Ein überaus fräftiger Kaffee ist bei den Armeniern sehr beliebt. Derselbe ist von so vorzüglichem Geschmack, daß er selbst einen verwönten Gaumen befriedigen müßte. Man bereitet ihn auf folgende Weise. Die Bohnen werden 24 Stunden lang im Wasser liegen gelassen, dann derart geröstet, daß sie eine völlig dunkelbraune Farbe annemen, so in einem Mörser zerstampft und gekocht. Obwol dieser Kaffee in Tassen verabreicht wird, deren Inhalt höchstens der Hälfte eines Hühnereies gleichkomt, so ist er von einer Kraft, daß der an ein solches Getränk nicht Gewönte für seine Nerven fürchtet; die Armenier schwächen die Wirkung des Trants durch Wasser und den Genuß in Zucker eingemachter Früchte ab.
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Literarische Umschau.
Dr. M. V.
Der Meister im Schachspiel. Teoretisch- praktische Anweisung, von d n Anfangs gründen bis zur Meisterschaft im Schachspiel zu gelangen. Mit zalreichen Erläuterungen aus der Geschichte wie Teorie des Schachspiels und vielen Musterpartien der hervor ragendsten Schachmeister Anderssen, Labourdonnais, v. Heydebrand von der Lasa, Mac Donnel, Morphn, Baulsen, Polcrio, Steinig u. a. Siebente, vermehrte und verbesserte Auflage des teoretischen, Meister im Schachspiel. Herausgegeben von Dr. Mar Lange. Weimar 1881. Berlag von Bernhard Friedrich Voigt ." Das Buch soll den Liebhaber des geistreichsten aller Spiele aus der dürren Ebene des Anfängertums bis auf die Höhen der Meisterschaft geleiten und ist, dieser schweren Aufgabe entsprechend, praktisch eingerichtet. Der Herr Verfasser ist einer der hervorragendsten Vertreter des Schachs auf dem Gebiete der Teorie und, was sich sonst nicht immer in so hohem Maße vereint zeigt, auch ein praktischer Spieler ersten Ranges, der wie nur irgendein andrer berufen war, seine hülfreiche Hand allen den solcher Unterſtüzung in jedem Falle sehr bedürftigen Lehrlingen und Studiosen des rationellen Schachzeitvertreibs darzureichen. Das Werk barlegt, was zur Fertigkeit, und der dritte, was zur Meisterschaft im Schachspiel gehört. Die im zweiten Kursus enthaltene Erörterung und Widerlegung der hauptsächlichten Feler, denen der unausgebildete Schachspieler zumeist verfällt, wird allen, deren Wünschen das Buch entgegenkomt, besonders willkommen und nuzbringend sein, indes dem Kenner die reiche und geschickte Auswal der geistvollsten Partien sich als eine Quelle immer neuer Anregung bewären wird. Durch die freilich in feinem größeren Drudwerke ganz zu vermeidenden Druckfeler, welche hier und da auch in der Bezeichnung der Züge zu bemerken sind, darf sich der Anfänger nicht abschrecken lassen; einiges Nachdenken dürfte ihn in jedem Falle bald wieder auf den richtigen Weg bringen.
So fand Erzbischof Heribert von Mailand Kezer in Monteforte umfaßt brei Kurse, deren erster von den Anfangsgründen handelt, wärend der zweite bei Turin und ließ sie nach Mailand füren. Im Angesicht des brennenden Scheiterhaufens schwuren einige ihren Glauben ab; aber andere hielten die Hände vor das Gesicht und stürzten sich in die Flammen. Auch in Goslar wurden 1052 Kezer gehängt, weil sie es für sündhaft hielten, ein Tier zu töten. Dr. M. V.
Spruchwunsch. Einer der in der Blütezeit des Mittelalters häufigsten Spruchwünsche im Munde des Volkes war folgender:
Augsburger Pracht,
Nürnberger Wiz,
Straßburger Geschüz,
Und ulmer Geld,
So wär' ich der Reichste in der Welt." Dr. M. V. Die Bürger der elsässischen Stadt Ruffach , die sich im Mittelalter als eifrige Judenverfolger auszeichneten, hielten in damaliger Zeit streng auf einen Galgen von gutem Eichenholz. Als ein benachbarter Ort einmal um die Erlaubnis nachsuchte, einen Dieb an diesem mustergiltigen Galgen hängen zu dürfen, antwortete der Bürgermeister entrüstet: ,, Unsere Galgen haben wir für uns und unsere Kinder gebaut!" Dr. M. V.
xz.
,, Die europäischen Kolonien. Beiträge zur Kritik der deutschen Kolonialprojekte. Von H. Löhnis. Mit zwei Karten. Bonn , Emil Strauß . 1881." Der Verfasser tritt in die gegenwärtig äußerst lebhafte Diskussion über die Auswanderungs- und Kolonisatione fragen mit der Abficht ein, eine kurzgefaßte Geschichte der bisherigen Kolonisationen zu schreiben, wie sie mit verhältnismäßig größtem Erfolge von England und Holland in ben lezten drei bis vier Jarhunderten unternommen worden sind. Er sagt mit Recht in der Einleitung, daß die Boraussezung eine überspante sei, von der die Tagespresse, gleichwie ein großer Teil der über jene brennenden Fragen öffentlich Vorträge haltenden auszugehen pflegen, die Voraussezung nämlich, daß es, jebem Gebildeten zur genüge bekant fei, wie England durch seine Solonialpolitik zur Weltmacht wurde, und wie im 16. und 17. Jarhundert die glänzende Entfaltung der Niederlande der damaligen Handels und Kolonialpolitik zu verbanken gewesen". Deshalb liefert der Verfasser in ebenso dankenswerter als lehrreicher Weise zur Beurteilung der Auswanderungs- und Koloni sationsfragen ein vortreffliches Material an geschichtlichen Tatsachen, indem er in vier Abschnitten die englischen Kolonien und die englische Kolonialpolitik, Holland und seine Kolonien, die Kolonien der romanischen Staaten und die deutschen Kolonialprojekte bes handelt und die beiden vortrefflichen Starten beigibt, welche den überseeischen Stolonial besiz der europäischen Staaten" und dann die ,, Lage des deutschen Reins und die Ber breitung der Deutschen in Europa " zeigen.
XZ.
Inhalt. Herschen oder dienen? Roman von M. Kautsky( Fortsezung).- Sympatie und Antipatie, von H. N.- Die ungarische Adelsherschaft. Kulturgeschichtliche Stizze von C. Lübeck( Schluß). Ein kleiner Streber. Ein Stück modernsten Kulturlebens( Fortsetzung). Raphael Mengs ( mit Porträt). Ünrettbar verloren( mit Jllustration). Kunterbunte Reminiszenzen:„ Kezer" im Aus allen Winkeln der Zeitliteratur: Ein bemitleidens
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Jm Jare 2280.
11. Jarhundert. Ein Spruchwunsch. Die Bürger der elsässischen Stadt Ruffach. werter Millionenerbe. Ein überaus kräftiger Kaffee. Literarische Umschau.
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