seinen Stul dicht neben den ihren gezogen, und selbst einen Fächer ergreifend, begann er, bald ihr, bald sich zuzufächeln und er plauderte und scherzte. Die beiden hörten ihm in ziemlich zerstreuter Weise zu; Elvira griff nach diesem und jenem, sah hierhin und dorthin und dann begegneten doch wieder ihre Augen den auf sie gerichteten Augen ihres alten Freundes und jezigen Kollegen. Wie in süßer, aufquellender Freude durchrieselte es sie.
,, Ah, wissen Sie auch, Elvira," rief jezt Eugen lachend, daß Signor Berger den Unempfindlichen spielt und sich taub stellt gegen die Lockungen einer brillanten Künstlerexistenz, die ich ihm soeben ausgemalt und die ihm Marchetti bieten kann. Ich weiß nicht, ist dies Sträuben Bescheidenheit oder Hochmut, aber" - sein Ton erklang in jenem cynischen Uebermut, der ihm eigen war, vielleicht gelingt es mir noch, ihm die Augen zu öffnen und ihm über seine philiströsen Bedenken hinwegzuhelfen."
-
-
Auf Elvira's Stirn und Wangen zeigte sich wieder jenes rasch aufflammende Rot, und sie rief, indem sie sich in scherzhafter Weise die Ohren zuhielt, mit einiger Heftigkeit:
" Ich will nichts hören vom Teater und nichts von zukünftigen Entschlüssen und zukünftigen Schicksalen, ich will die schöne Gegenwart und den Augenblick genießen." Sie atmete tief, der Ausdruck ihres Gesichts gewann etwas leuchtendes und zugleich zaghaftes, wie als wenn inmitten plözlich überkommenen Glückes die Befürchtung aufsteigt, es könne nicht von Dauer sein; die nächste Minute schon könne es ihr wieder und für immer rauben, und nur in dieser Minute ihres Seins sei sie dessen sicher. Sie erhob sich und sie näherte sich Friz und sah zu ihm empor. Wir bleiben doch nicht länger im Zimmer, ich habe Ihnen soviel zu zeigen; Sie sollen mein neues Heim so entzückend finden, wie ich selbst. Denken Sie nur, ich habe einen Garten, einen Garten in Venedig ! Ich bin so stolz darauf; aber Sie müssen ihn sehen, fommen Sie, meine Herren!" Schon war sie aus der Tür getreten, und sie stand nun auf der Veranda, wohin ihr die Herren gefolgt waren.
Man konte von hier oben den Garten vollständig übersehen. Sie wies auf die nach verschiedenen Richtungen hin angelegten Laubengänge und dann hinauf nach dem klaren, sonnigen Himmel. ,, Unter einer solchen Sonne weiß man den Schatten wol zu schäzen," sagte sie in reizender Munterkeit. Ihre heißesten Stralen können hier nicht hindurch, sie vergolden nur das Blätterdach. Ah, ein Lüftchen aus Osten, spüren Sie den salzigen Hauch? Wie das erfrischt!" Sie atmete tief auf, wie in seliger Lust. Dann sprang sie behende über die Stufen und winkte den Herren zu, ihr nachzufolgen.
-
Es war in der Tat fül und erquickend da unten, inzwischen dieser Laubengänge und unter diesen Platanen und Cypressen, die auf den freieren Pläzen standen, wo die mannichfaltigsten Gewächse des Südens sich in prächtiger Ueppigkeit entfalteten. Sie fante schon alle dem Namen nach, wußte diese fremdartige Flora botanisch zu benennen. Sie erklärte und erläuterte und stieß bald hier, bald dort einen Ruf der Freude aus über die reizenden Formen und Farben, und sie pflückte von allen.
Von jeder Blume brach sie ein Zweiglein und nam auch Granaten und Lorbeer, großblumigen Jasmin und Myrthe, bis ihre kleine Hand den Strauß kaum mehr zu halten wußte.
In der Mitte des Gartens plätscherte ein Springbrunnen und in kleiner Entfernung davon befand sich ein Rosenbosket, nur in einem halben Bogen sich wölbend; es erschien in seinem überreichen Blütenschmuck, der die Blätter verdrängte, in einer einzigen rosenroten Färbung.
Man verweilte hier einen Augenblick, schlürfte den Duft der Rosen und lauschte dem Plätschern des Wassers, das in einem breiten Stral hoch hinaufstieg, und nachdem es in einer gewissen Höhe über den Schatten des Hauses hinausgekommen war, die Sonnenstralen, auffing und in allen Farben des Regenbogens. erglänzend, wieder herabfiel. Elvira schrie bei diesem Anblick laut auf. Sie schien das lebhafteste Vergnügen zu empfinden, das, einem tief innerlichen Gefül entspringend, in Haltung und Blick, in jeder Bewegung des Körpers sich kundgab.
Eugen sah sie verstolen von der Seite an. So glaubte er sie noch nie gesehen zu haben; noch nie so frisch und frölich, in jener bezwingenden Anmut, in jener kindlichen Anspruchslosigkeit, die sich über ein Blatt, über einen im Sonnenlicht glänzenden Tropfen entusiasmiren kann. Niemand hätte in ihr die gefeierte Primadonna wiedererkant, er selbst erkante nicht die launenhafte, vielverwönte Frau. Aber ein unbestimtes Gefül sagte ihm, daß
519
--
das Glück, das sie in diesem Augenblick empfand, nicht von ihm kam, daß er keinen Teil daran hatte, und das verstimte ihn. Es erweckte seinen Neid und plözlich aufwallende Eifersucht. Hätte Friz ihr Interesse erweckt? Hätte grade dieser Mann, der sich niemals um ihre Gunst beworben, der ihr kalt und fremd gegenübergestanden, ihr Wolgefallen zu erregen gewußt? Oder war dies eine neue Laune von ihr, die kam und ging wie der Sonnenschein? Er wollte künftig die Augen offen halten.
Elvira war weitergegangen; der Weg war schmal geworden, sie konten nur einer neben dem andern gehen; ihr kurzes Kleid berürte nicht den Boden, die ganze Gestalt schien zu schweben, und wieder blieb sie stehen, und den Arm erhebend, zeigte sie nach den saftig gelben, aprikosenartigen Früchten der japanischen Mispel. I pomme del paradiso," sagte sie lachend, sie durften in meinem Eden nicht felen."
Sie hatten nun das Ende des Gartens erreicht; hier erhoben sich die Grundmanern des angefangenen Palastes, und man hatte, sie benuzend, links und rechts von dem hohen, mit einem Eisengitter geschlossenen Portale zwei allerliebste Pavillons geschaffen. Elvira wies nun mit den Augen nach ihnen hin, hielt sich aber dabei nicht auf, sie lief nach dem Gitter und stieß es auf. Man betrat die nach dem Kanal vorspringende Terrasse. Zwei Steinbänke standen noch im Schatten der Mauern, wärend auf den breiten Marmorquadern der Terrasse die Sonne lag.
Elvira trat bis an die Stufen heraus. Die steigende Flut hatte die Mehrzal derselben unter Wasser gesezt, und die vom Ostwinde sanft bewegten Wellen rauschten fast bis zu ihren Füßen empor. Sie hielt noch immer den Strauß in ihren Händen; hoch aufgerichtet, den Kopf etwas zurückgeworfen, sah sie hinüber nach dem andern Ufer, nach den Riesensäulen der Piazzetta, nach dem phantastischen Bau des Dogenpalastes, dessen massiger, auf zwei übereinandergestellten Säulen ruhender Oberbau unter diesen ihn überflutenden Stralen einer glühenden Nachmittagssonne noch farbenprächtiger, fast intensiv rot erschien. Sie sah nach der Riva dei Schiavoni, wo die Gondeln sich drängten, und nach einem Blick auf das tiefblaue Wasser, in dem der klare Himmel sich widerspiegelte, und nach der fernen Düne, die es begrenzte, kehrten ihre entzückten Augen wieder nach dem diesseitigen Ufer, nach der Landzunge zurück, wo die Dogana stet und die nahe Maria della Salute mit ihren herlichen, silberglänzenden Kuppeldächern sich erhebt. Hier waren die großen Dampfer und Kauffarer aufgestellt, die sich zur Abfart bereit hielten und aus deren Schloten ein bläulicher Rauch grade in die Luft stieg. Eine Unmasse Bote mit ihren farbigen, entfalteten Segeln verkehrten hier, freuzten sich und flogen weiter hinaus in die Lagune.
Ist dies nicht der schönste Punkt Venedigs ?" rief sie. ,, Ist nicht von hier die entzückendste Rundschau?"
Auch Friz hatte mit gierigen Augen dies wunderherliche Bild in sich aufgenommen, aber er fonte in demselben die nahe Staffage des Vordergrundes nicht übersehen: das schöne Weib vor ihm, das, in der Sonne stehend, in seinem weißen, glänzenden Gewande einer fast märchenhaften Lichterscheinung glich.
,, Die schönste ist's!" rief er.
Sie sah sich um, von dem Ton, in dem dies ausgesprochen ausgesprochen ward, betroffen; ihre Augen begegneten sich in demselben Gefül der Trunkenheit, der Extase. Elvira's Wangen röteten sich jäh, und als wisse sie den Jubel in ihrem Innern nicht zu verschließen, als müsse sie ihn nach außen ausströmen, sang sie in hell aufjauchzender Stimme die Stelle aus Aida:„ Liebe, o Glück, o Leben, süße Berauschung, grausame Bein!"
Eine Gondel kam in dem Augenblick nahe an der Terrasse vorüber. Zwei Damen und zwei Herren saßen darin. Sie sahen die aufrechtstehende Frauengestalt, sie hörten ihre Stimme und grüßten nach ihr hinauf.
Elvira, in übermütiger, ausgelassener Freude, winkte ihnen zurück, und den Strauß, den sie noch in der Hand hielt, in mehrere Theile reißend, warf sie diese den Vorüberfarenden in die Gondel nach.
Entweder hatten sie die Schöne erkant, oder der Gondolier, der ihnen etwas zuflüsterte, hatte ihren Namen verraten, alle erhoben sich, und Hüte und Tücher schwenkend, riefen sie:„ Evviva Bianca, viva la divina!"
-
Elvira lachte, grüßte und zog sich dann rasch zurück. Sie waren wieder nach dem Garten zurückgegangen, diesen Vorfall mit seiner improvisirten Huldigung lebhaft besprechend. ( Fortsezung folgt.)