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„ Es sind keine kaiserlichen Ulanen, sondern Leute unsrer polnischen Legion," entgegnete ich.„ Siehst du nicht, daß sie weißrote Fähnlein auf den Piken haben?"
So war es, es war die Eskadron unter der Anfürung des Majors Poninski, die grünen Ulanen, zumeist Ueberläufer aus der kaiserlichen Armee, aus welchen die vierte Eskadron der ungarisch - polnischen Legion gebildet worden war. Der Oberst Balogh und Poninski wollten an den Walachen tun, was sie sich vorgenommen hatten, an uns auszufüren. Kmethy und die übrigen Offiziere waren dagegen und wir verließen Merlun bald darauf.
Ich übergehe hier eine lange Reihe von gefärlichen Abenteuern, die wir wärend der drei Tage überstanden, ehe wir die Ufer der Donau erreichten, wo wir uns zwischen Rakowica und Florentin in der kleinen Walachei auf mehreren Kähnen überschiffen ließen.
Das„ Durr( Wer da)?" des türkischen Wachtpostens empfing uns auf bulgarischem Boden.„ Madschar!" war unsre Antwort, und der Mann ließ uns one weiteres passiren. Es ist sehr warscheinlich, und es stellte sich später auch so heraus, daß die türkischen Soldaten den Befel erhalten hatten, alle ungarischen Flüchtlinge durchzulassen. Wir erkundigten uns, wo wir unsre Fürer antreffen fönten. Ich hatte bei einer früheren Reise in Beglei tung des Grafen Szechenyi einige Worte Türkisch erlernt, und es gelang mir, mich teils durch Geberden, teils durch mein dürftiges Türkisch zu verständigen, und wir erfuren soviel, daß die unsrigen sich zu Widdin befanden.
Beinahe gleichzeitig mit uns traf in Widdin der österreichische General Hauslab ein, welcher den größten Teil der ungarischen Honveds, allerdings nur die Gemeinen und Unteroffiziere, zur Rückkehr bewog. Es war so auch besser, diese Leute würden der Pforte nur zur Last gefallen sein, an ein Wiederauffrischen der Revolution war nicht zu denken, und sie liefen auch keine Gefar, wenn sie zurückkehrten. Dennoch war es ein herzzerreißendes Scheiden.
Wir blieben nur sehr kurze Zeit in Widdin, wo wir vom Pascha aufs gastfreundlichste empfangen worden waren. Er war der Held von Oltenige und Cetate, Omer Pascha , der Renegat Lattas, ein gebildeter Mann. Wir fanden unter den türkischen Offizieren viel humanere, gebildetere Männer, als in der öster reichischen und russischen Armee, mit welchen zu verkehren wir manchmal Gelegenheit gehabt hatten. Unter diesen sogenanten heidnischen Barbaren fanden wir Gemütlichkeit, Herzensgüte, Warheit und Aufrichtigkeit, die innigste Teilname, nichts von dem geckenhaften Ton und der Arroganz der Desterreicher, nichts von der Falschheit, Roheit und tierischen List der Russen.
Omer Pascha sezte uns davon in Kentnis, daß die österreichische Regierung bereits Schritte getan hatte, um durch ihren Gesanten in Konstantinopel dahin zu wirken, daß wir ausgeliefert werden.
" Sie werden diesem Schicksale nur so ausweichen können," meinte Omer Pascha , wenn Sie zum Islam übertreten. Denn für den Sultan würde es schwierig sein, zwei solchen Mächten, wie Desterreich und Rußland , zu trozen.
" Meine Religion ist, bekämpfen den Ruß," sagte der greise Polenheld Bem, ob dies in Turban, in Konföderatka( polnische Müze) oder Kalpak, in der Kirche oder in der Moschee, ist mir alles eins. Werd ich sein Muselman."
Seinem Beispiele folgten der Oberst Balogh, die Generale Kmethy und Guyon, später auch Stein, die Obersten Kollmann und Fürst Josef Woroniecki, die übrigen wurden von Kossuth davon abgehalten, er wollte es durchaus nicht glauben, daß die Gesanten von England und Frankreich in eine Auslieferung der Flüchtlinge willigen würden, auch war er jedem Renegatentum feind.
" Die christliche Religion mag ihre Mängel haben, und ich will nicht behaupten, die Lehren der Bibel fürten mehr zur Moralität, als der Koran ," sagte er, doch von einem politischen oder religiösen Bekentnis zu einem andern überzutreten, um sich materielle Vorteile zu sichern, ist Schwäche und Feigheit."
So eifrig die Türken am Islam hängen, so gab sich weder ein Imam noch ein andrer Türke die Mühe, uns überreden zu wollen, unsern Glauben abzuschwören, nicht so wie es christliche Missionäre zu tun pflegen, die allerhand Kniffe gebrauchen, um ihrem Glauben Proselyten zu werben. Ist dies nicht auch ein Beleg dafür, daß die Türken toleranter sind, als die Christen?
Am Ende der zweiten Woche seit dem Eintreffen der ersten
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ungarischen Flüchtlingskolonie kam aus Konstantinopel der Befel, uns landeinwärts zu bringen, nach Schumla, wo wir auf weitere Verordnungen der hohen Pforte warten sollten.
,, Dies ist ein gutes Zeichen," bemerkte Omer Pascha .„ Widdin liegt nahe bei Ungarn . In einer Zeitperiode der Perfidie, der Friedensbrüche und der Gewaltstreiche muß man auf alles gefaßt sein. Ehe Frankreich und England uns zuhülfe kämen, könten die Desterreicher durch einen Handstreich Widdin nemen, doch bis nach Schumla ließen wir sie nicht vordringen."
Der türkische Major Berendei wurde uns als Eskortefürer beigegeben. Es war eine beschwerliche Reise. Die Jareszeit fing an rauh, die Straßen von Regengüssen unwegsam zu werden, dennoch überstanden wir die Färlichkeiten und Mühen der Reise leichter, als wir es gedacht. Dank der Fürsorge Berendei's, der für jede mögliche Bequemlichkeit, namentlich für die Damen, die Gräfin Kasimir Batthyani und auch für die übrigen, weniger hochgestellten Frauen sorgte. In den bulgarischen Dörfern, wo wir übernachteten, war freilich alles schmuzig und voll Ungeziefer, und Berendei wante sich an die hie und da ansässigen Juden, um wenigstens reines Bettgewand zu schaffen.
Erst zu Schumla wurden wir mit dem häuslichen Leben der Türken näher bekant. Das Innere dieser bedeutenden Festung hat ein ziemlich städtisches Aussehen, doch sind die öffentlichen Bläze, Straßen, Gassen und Gäßchen auch hier ebenso unreinlich, wie überall in Bulgarien , namentlich der von Bulgaren bewonte Stadtteil, wogegen das Innere der türkischen Häuser von jenem der bulgarischen wesentlich verschieden ist. In den ersteren erblickt man nur wenig Möbel, wärend die Stuben in den bulgarischen Häusern ganz vollgestopft von denselben sind, doch herscht in den ürkischen Wonungen eine Reinlichkeit, Ordnung und eine woltuende Stille, wärend die der Bulgaren einem permanenten Hegensabbath gleichen. Die Divans in den türkischen Wonungen bilden den Hauptbestandteil der Zimmereinrichtung. Defen erblickt man in denselben nicht, und man muß sich mit den Mangalen eiserne Platten, auf den Fußboden genagelt, auf welchen das Holzkolenfeuer frei brent und der Rauch durch die Dede steigt, in welcher ein Loch angebracht ist so gut es get behelfen. Dies ist freilich ein großer Uebelstand, namentlich zur Winterszeit in einem Lande, wo die Temperatur so rauh und kalt ist. Dem phlegmatischen Türken mag dies genügen, der stundenlang auf einem Flecke hockt, one sich zu rüren, und sich am Feuer die Hände wärmt, wärend für uns heißblütige Ungarn , deren Nerven eine stete Bewegung zum Bedürfnis machen, ein solches untätiges Kauern zu einer waren Folter wird.
Ich hatte das Glück, von diesem Stillleben zweimal erlöst zu werden. Eine Woche nach unsrer Ankunft in Schumla ließ mich Kossuth durch seinen Flügeladjutanten, Oberstlieutenant Asboth, zu sich bescheiden.
Sie haben ein vorzügliches Pferd und sind der türkischen Sprache mächtiger als die übrigen Offiziere," redete mich Kossuth an, auch kenne ich Sie als einen galanten Mann, der einer Dame eine Gefälligkeit zu erweisen gewiß gern bereit sein wird."
Ich ahnte, daß es sich um einen Ritterdienst für die schöne Frau von Dembinska handelte, die samt ihrem Gatten damals bei Kossuth sehr in Gunst stand. Ich erklärte mich zu jedem Dienst bereit. Ich erleichterte ihm die Pflicht, die er übernommen, mir diesen Dienst vorzutragen, und sagte, wenn die Dame vielleicht in Widdin etwas zurückgelassen oder verloren habe, wollte ich es für sie holen. Nur müßte ich vom Festungskommandanten um einen Erlaubnisschein nachsuchen, ehe ich die Reise unternäme.
" Dafür ist schon gesorgt," sagte Kossuth ,„ der Pascha hat mir einen solchen Schein in blanco ausgestellt, ich werde nur Ihren Namen einschreiben. Sie erhalten einen tatarischen Kalauz( Wegweiser), der sie überallhin begleiten wird, da Sie Sich one ihn leicht verirren fönten."
Von Schumla bis Widdin sind es 85 geographische Meilen, in der günstigsten Jareszeit ein Ritt von wenigstens einer Woche. Jm Spätherbst braucht man dazu wenigstens vierzehn Tage. Mein Kalauz hatte ein mutiges, unverdrossenes Pferd, welches aus dem Galopp niemals herauskam, um mit meinem VollblutEngländer, dessen Trab ausgiebiger war, als selbst ein gewön licher Jagdgalopp, Schritt halten zu können. Wir legten diese Strecke in elf Tagen zurück. Ich fülte mich aber wie gerädert, als wir in Widdin ankamen.
Es war ein Schmuckkästchen mit einigen Juwelen von keinem sehr hohen Geldwerte, aber desto teurer als Familienandenken