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organischen Stoffen, durch Bildung von Stickstofffilber explosible Sub­stanzen entstehen, und dürfte es für den darauf Hereingefallenen keines­falls eine angeneme Ueberraschung abgeben, wenn er eines Tages an­statt von der verjüngten Harfarbe von einer Explosion überrascht wird. Ein noch gefärlicheres Mittel wird von Paris   aus vertrieben. Von drei sehr eleganten Fläschchen enthält das erste eine Lösung von salpeter­saurem Silberoxyd mit etwas silbersaurem Kupferoxyd; das zweite eine Lösung von Schwefelleber in Wasser, die mit einem beigegebenen Bürst­chen auf die weißen Hare aufgetragen werden soll; das dritte endlich 312 Defa Cyankaliumlösung, welche zur Beseitigung der mit ersteren Flüssigkeiten zufällig auf die Haut gemachten Flecken dienen soll. Nun kommt dieses Gift in seiner Wirkung der Blausäure ziemlich nahe, und ein kleiner Riß, der sehr leicht durch das Kämmen in der Kopfhaut entstehen kann, genügt, sobald ein Tropfen dieses Giftes darauf fällt, den Harfärber ins Jenseits zu spediren. Dagegen schlägt ein Engländer ein harmloseres Mittel vor, nämlich mit einer Kampecheholz- Abkochung in Alaunwasser zu färben und nach dem mit etwas Grünspanlösung Die vielen abzuwaschen. Warum nicht lieber gleich mit Tinte? andern Präparate übergehen wir und begnügen uns, zu bemerken, daß die meisten sehr harmlos oder schädlich sind, indem sie entweder die vorhandenen Hare noch vernichten oder Kopfausschlag und andere Krankheiten erzeugen. So z. B. alle dergleichen Mittel, welche Blei enthalten. Das einzig richtige ist unstreitig, wenn man ganz auf die Anwendung derartiger Sachen verzichtet; sie sind doch meist Schwindel. Wer seiner natürlichen Kopfbedeckung die nötige Pflege angedeihen läßt, komt nicht so leicht in die Verlegenheit, solcher Mittel bedürftig zu sein, und wem das Alter graues Har bringt, der braucht sich warlich dessen nicht zu schämen.

nrt.

Der Postverkehr in Japan  . Welche Fortschritte die Japanesen machen, das zeigt so recht deutlich ihr Postwesen. Nachdem sie die Ein­richtung desselben in England, Deutschland   und den Vereinigten Staaten  von Nordamerika   zum Zweck von Verbesserungen daheim studirt hatten, ist der Verkehr bei ihnen gestiegen von 37 auf 68 millionen Brife und Zeitungen. Von dieser Menge gingen nur 193 Stück verloren und wurden 24 Stück gestolen. Betreffs des Stelens und Verlustes weist daher Japan   ein günstigeres Verhältnis auf wie Europa   oder Amerika  . Ebenso soll auch der Ertrag des Postwesens für das Budget viel höhere Summen abwerfen wie die Schwesteranstalten in den genanten Erd­teilen. Der Betrag der vermittelst Postanweisung versanten Gelder be­trug nach derselben Angabe fast 6 millionen. Die Kosten der japane­sischen Postverwaltung betragen nur etwas über 1 million, wovon die Hälfte für den Transport aufget. Die Summe von einer halben million würde demnach zur Honorirung der Postbeamten ausreichen müssen, wonach auf den Kopf per Jar nur 250 Mark kämen. Aller­dings eine geringe Summe. Sollte es aber war sein, daß man wie unsere Quelle sagt. damit ,, dort vielleicht Seide zu spinnen ver­mag" und machen die Japanesen auch in anderer Beziehung die Fort­schritte wie im Postwesen, so ist die Befürchtung wol nicht ganz unge­rechtfertigt, daß auf dem europäischen   Markte die japanesische Konkur­renz vielleicht in gar nicht zu langer Zeit eine bedeutende Rolle spielen

werde.

nrt.

Aus Athen   schreibt man: Die dem General Türr und Herrn Lesseps übertragene Ausfürung der Durchstechung des Isthmus von Korinth gibt der ,, Hora" Veranlassung, einen geschichtlichen Rück­blick auf die Versuche zu werfen, die bisher zur Realisirung dieses wich­tigen Projekts gemacht worden sind. Nach Diogenes Laërtius   hatte schon der Tyrann Periander von Korinth   die Idee, den Isthmus zu durchstechen.( 625 v. Chr.) Denselben Plan hatte auch Demetrius Poliorketes   nach Strabo  , doch verhinderten die Ingenieure seine Aus­fürung durch die Angabe, die Wasser des korinthischen Meerbusens seien so viel höher als die des saronischen, daß sie unfelbar Aegina und die nahe liegenden Inseln überschwemmen und vernichten würden. Cassius Dio  , Sueton   und Plutarch   berichten, daß Anienus von Julius Cäsar  mit der Aufgabe betraut wurde; Sueton  , daß auch Caligula   einen Cen­turionen absante, um die Vorarbeiten zu studiren und zu beginnen. Doch erst Nero   trat der Ausfürung wirkich näher. Er selbst tat den

ersten Spatenstich, und 6000 jüdische Sklaven nebst Scharen von Sträf­lingen arbeiteten an dem riesigen Werke. Die Spuren ihrer Tätigkeit sind noch heute bei dem Diolkos zu sehen, doch hinderte der Aufstand des Julius Vindex in Gallien   die Fort- und Durchfürung der Arbeit. Cass. Dio 65, 16 beschreibt übrigens die schrecklichen und schreckenden Warzeichen, welche bei dem von Nero   begonnenen Durchstich erfolgten. Herodes Atticus   endlich, der Woltäter Atticas, gedachte das von Nero  begonnene Werk wieder aufzunemen, allein nach Pilostratus fürchtete er als einfacher Privatmann ein Werk zu unternemen, an dessen Vol­lendung ein Kaiser wie Nero   gescheitert sei. So blieb denn zulezt von allen Entwürfen und Versuchen kein anderes Ergebnis, als die zum Sprüchwort gewordene Ueberzeugung, es sei unmöglich, den Isthmus zu durchgraben.

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Die Trunksucht und die Vorzeit. Am 25. Mai 1515 wurde in Frankfurt   a. M. von dem damaligen Magistrate eine Verordnung erlassen, welche wörtlich lautet: Wer zum erstenmale betrunken be­troffen wird, muß 6 Schilling, wer zum zweitenmale 12 Schilling, und zum drittenmale einen Gulden bezalen. Werden aber mehrere be­trunken angetroffen in einer Wirtsschenke( oder Schankhaus), so muß jeder zwei Gulden Strafe zalen. Wird aber ein Trunkener auf der Straße angetroffen, so sich ungeschickt und unzüchtig hält, so hat jeder Ratsdiener das Recht, solchen hinter Schloß zu bringen; soll der Trun­fene ein Armer sein, so soll er von jedem Gulden Strafe 8 Tage im Turme   sizen, mit Wasser und Brod gespeiset werden. Soll aber der Trunkene gar ein Ratsherr sein, so soll derselbe nur mit doppelter Geldstrafe belegt sein. Der Ausschenker( Wirt), welcher die Leute nicht vor der Trunkenheit warnet, soll die ganze Strafe bezalen. So ver­ordnet 2c. 2c."

Literarische Umschau.

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Bilder aus dem Familienleben der höheren Stände. Von E v. Ugény. Leipzig   1880, Wilh. Friedrich." Das vorliegende Buch verdient gelesen zu werden. Es ist schon darum interessant, weil sich sein Verfasser, wie er in dem Werke selbst mit­teilt, zur Abfaffung desselben durch die vor zwei Jaren erschienenen Memoiren der Frau von Racowiza, dieser schönen Helene", die durch ihr Verhältnis zu Lassalle   bekant geworden, angeregt gefült hat. Berhältnisse, wie sie der Inhalt des erwänten Buchs und nur ein jo gänzlich verwarlostes Gemüt, wie Helene von Dönniges eins befizt, konte darin in solcher Weise erzälen erkennen läßt, waren dem Verf. schon öfter in den Kreisen der sogenanten höher Gebildeten vorgekommen, und so bieten die Bilder" gewissermaßen die einzelnen Belege für die allgemeineren Ausfürungen über die Art der Erziehung in diesen Kreisen, mit denen er sein Buch einleitet. ,, Die Erziehung, welche den Zweck hat, die physischen, moralischen und intellektuellen Kräfte des Menschen gleich­mäßig zu entwickeln und sie zu möglichster Vollkommenheit zu bringen, sich und andern zu Nutz und Frommen ist die schwierigste und erhabenste Aufgabe, die dem Menschen gestellt werden kann" heißt es da. Leider wird, diese Aufgabe in den ,, besseren" Ständen so sehr verkannt und vernachlässigt, daß man sich nicht zu wundern braucht, wenn uns grade in ihnen soviel Herzlosigkeit, soviel graffer Egoismus, soviel Willkür und Laune, soviel holer Schein, soviel Lüge entgegentritt. Es ist im wesent lichen nichts neues, was hier gesagt wird, aber es handelt sich dabei um so außer ordentlich wichtige und bedeutungsvolle Dinge, daß nicht eindringlich genug immer wieder auf sie zurückgekommen werden kann. Möchte sich doch heute eine immer größere Anzal von Schriftstellern vor allem auch dieses ihres fittenrichterlichen Amts, das eine der ernstesten und schönsten Aufgaben ihres, wie fein andrer, verantwortlichen Berufs bildet, recht bewußt werden und dieses Amt mit edlem Eifer ausüben! Alles, was E. v. Ugény hier in den Kapiteln ,, das Haus", der Gehorjam", die Schule" ,,, das Mädchen", Pianomanie und Leserei", die Jungfrau", Lehre und Beispiel" zum Nachdenken empfielt, verdient die ernsteste Erwägung,-es sind eindringliche Mahnworte für Eltern und Erzieher. Was bei den Armen die materielle Not, der harte, aufreibende Zwang der Arbeit verschuldet, fällt unter den Reichen und vom Glück äußerlich Begünstigten dem Lurus, dem Ueberfluß, dem Raffinement in der Lebensfürung zur Last. In den sogenanten besseren, d. h. wolhabenden Ständen hat man eine Bonne, eine Gouvernante, bisweilen auch einen Hauslehrer, dem die Kinder anvertraut werden. Der Vater ist ein hoher Beamter oder Offizier, Banquier oder Industrieller, er bringt seine freie Zeit nicht im Bierhause zu, sondern im Klub, in der Harmonie u. s. w. Die Mutter macht und empfängt Visiten, sie spielt Klavier, liest Romane oder schreibt gar welche, und den Abend bringt sie in der Oper, im Teater oder in Gesellschaften außer dem Hause zu, wenn sie nicht bei sich empfängt." Es gibt gewiß auch hiervon Ausnamen, die Gewissens losigkeit der Väter und Mütter in dieser Sphäre ist glücklicherweise noch nicht in allen Familien zur Regel geworden, aber in der Hauptsache werden mit vorstehendem die tats sächlichen Verhältnisse wiedergegeben. Mit besonderem Ernst verwendet sich der Verf. für die richtige und verständige Erziehung der Mädchen, das Weib ist die Familie, das Weib ist die Zukunft, vom Weibe hängt das Wol und Weh der Menschen, das heil der Welt ab." Absurd aber ist fraglos Ugény's Urteil über die erhabene deutsche Sagengestalt Brunhild  ( S. 34, 35, 43), an die er einen ganz falschen Maßstab anlegt. Das ist Zwergkritik. Bilder" selbst find im Rahmen leichter Erzälung und Blauberei gegeben, zuweilen ist des Verfassers Wiz etwas abgeschmadt, aber als Illustrationen finden wir diese anspruchslosen Skizzen doch recht wirkungsvoll. Möge das Buch nicht blos Leser, sondern auch Beherzigung finden!

Die

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Dr. M. V.

Zur gefälligen Beachtung. Mit dem heutigen Tage hat Herr Dr. Max Vogler, als bewärter Mitarbeiter unseres Blattes den geehrten Lesern seit Jaren bekant, die Redaktion der Neuen Welt" übernommen und wird dieselbe in dem gleichen Geiste, in dem die leztere seither geleitet wurde, weiterfüren.

Leipzig  , am 8. Juli 1881.

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Verlag der ,, Neuen Welt". Franz Goldhausen.

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Inhalt. Herschen oder dienen? Roman von M. Kautsky( Fortsezung). Sympatie und Antipatie, von H. N.( Schluß.) Erinne rungen an die Türken aus der Zeit der Revolution in Ungarn  . Von einem alten Honvedoffizier. Ein kleiner Streber. Ein Stück modernsten Menschenlebens( Schluß). Kirchweihtanz in Oberbayern  ( mit Illustration). Kunterbunte Reminiszenzen: Shakespeare's Shylot". Der Sammelpunkt des europäischen Buchhandels im 16. Jarhundert. Friedrichs des Großen Neujarsgratulationen. Ueber dichtende Beamte". Russisches Beamtentum. Bestel. Aus allen Winkeln der Zeitliteratur: Von den Kometen. Harfärbemittel sonst und jezt. Der Postverkehr in Japan  . Aus Athen  . Die Trunksucht und die Vorzeit. Literarische Umschau.

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Verantwortlicher Redakteur: Dr. Max Vogler in Gohlis  - Leipzig  ( Mödernsche Straße 30d). Expedition: Färberstr. 12. II. in Leipzig  . Druck und Verlag von Franz Goldhausen in Leipzig  .