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Das Opfer einer geistlichen Intrigue.
Eine Historie aus der Zeit der Hexenprozesse, von J. H.
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Urban Grandier war der Liebling der Frauenwelt von Loudun ,| einem Städtchen im ehemaligen Poitou . Er hatte aber auch alles, um einen Frauensinn zu betören. Eine feine, vorneme Gestalt, kraftvoll und doch der Zierlichkeit nicht entbehrend, stark und nicht weniger elegant, ein geistvoll geschnittenes Gesicht, auf dessen klarer Stirn Klugheit leuchtete, der Mund weich und voll, die Augen reich an Feuer, furz, er vereinigte in sich alle Vorzüge einer körperlichen Schönheit, welche nicht nur in der Feinheit und Harmonie der Formen bestet, sondern durch Geistesvorzüge erst das ware Leben empfangen hat. Ihr Besizer war sich dieser Vorzüge wolbewußt und suchte dieselben durch eine ungemein reiche und geschmackvolle Tracht in ein noch günstigeres Licht zu sezen, was ihm auch vollkommen gelang, und wenn dazu noch das Spiel seiner Augen kam, die plözlich entflammend sich starr auf die Schönheit eines ihm begegnenden Weibes hefteten, dann konte es vorkommen, daß dieses verwirrt stehen blieb, von dunklem Purpur das Gesicht überströmt, und von dem Augenblicke an brennende Liebe im Herzen trug. Es blieb daher auch nicht aus, daß dieser schöne Mann zulezt eine ganze Reihe von galanten Abenteuern verzeichnen fonte, welche ihm den bittern Haß verschiedener Ehemänner, Väter und Brüder der guten Stadt Loudun zugezogen hatten. Bei den Liebestaten des neuen Don Juan war nur ein Haken. Urban Grandier war- Priester, Vorsteher des Pfarramts zum heiligen Petrus an der Grenze von Loudun und Besizer einer Präbende an der Kirche zum heiligen Kreuze, reiche, bedeutende Aemter, die ihm troz seiner Jugend verliehen waren, denn er war aus guter Familie und bei den Jesuiten in Bordeaux erzogen, welche ihn wegen seines hervorragenden Verstandes sehr hoch schäzten und in ihm einen guten Streiter für ihre Zwecke und Ziele glaubten herangezogen zu haben. Urban Grandier erwarb sich bald Ruf als vorzüglicher Prediger, feurig, gedankenvoll und von nie versagendem Esprit, dem alle Waffen, vom liebenswürdigen Humor bis zur verwundenden Fronie, zum beißenden Sarkasmus zu Gebote standen, verstand er es, die Herzen der Zuschauer mit sich fortzureißen, und da er die Blize und Schwerter dieser seiner Beredsamkeit oft gegen die umliegenden Brüderschaften und Mönchs tlöster richtete, so schwoll auch im Herzen dieser Mönche, welche ihn wegen seines reichen Amtes sowieso schon beneideten, gar bald neben grimmigem Neid ein noch grimmigerer Haß, der, anfangs versteckt, um so tiefer Wurzel faßte. All' dieser Neid und diese versteckten Angriffe rürten aber den Sinn Urbans auch nicht im geringsten. Ein stolzer, selbstbewußter, hochfarender Karakter, trozig und verächtlich gegen jeden Feind, glaubte er alle Gegnerschaft verachten zu können; wehrte sich ein Gegner, so schärfte er nur die Bitterkeit in den Ausfällen gegen ihn, steigerte sich der Hohn und die Ueberlegenheit, mit denen Grandier ihn behandelte.
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Seine Feinde waren zalreich und mächtig, und alle hatten triftige Gründe, ihn auf jede Weise zu verfolgen. Zuerst Trinquan, der Prokurator des Königs, dessen bedauernswerte Tochter zu tief in Grandiers Feueraugen geschaut hatte und von der ganz Loudun munkelte und spöttelte, daß sie heimlich mit einem Kindlein niedergekommen sei. Dann Johann Mignon, Domherr von der Kollegialkirche zum heiligen Kreuze zu Loudun und Beichtvater im Kloster der Ursulinerinnen daselbst, der, ebenso wie der Priester Mounier, einen Prozeß gegen ihn verloren hatte und gleich diesem von dem glücklicheren und übermütigen Gegner bei jeder Gelegen heit mit scharfen Wizen und Spötteleien überschüttet wurde. Barot, der einflußreiche und vermögende Präsident der Oberen, haßte ihn wegen einer verächtlichen Behandlung, die ihm Grandier hatte zuteil werden lassen, und ein großer Anhang von Schmarozern, die von der Gunst des Mannes etwas erhofften, folgte ihm darin, wärend Meneau, der königliche Advokat, in dem Priester einen glücklicheren Nebenbuler in der Gunst der Geliebten sah. Das waren die Fürer, welche in jeder Weise Grandier zu entfernen wünschten. Man klagte ihn der Bulerei, der Verfürung von Frauen und Mädchen an, und da man es gleich im Anfang verstand, den Bischof von Boitiers gegen ihn aufzustacheln, vor dessen Gerichtsstul er gewiesen wurde, so schien die Sache eine schlimme Wendung für ihn nemen zu wollen. Dennoch, obwol er bereits ins Gefängnis gefürt worden und man überall schon seine Stelle als
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erledigt betrachtete, trug er einen neuen Sieg über seine Feinde davon. Die treue Verschwiegenheit, welche der Pfarrer vom heiligen Petrus in seinen zarten Herzensgeschichten troz aller gegnerischen Mittel bis an sein Ende bewarte, wurde von den Frauen und Mädchen erwidert, und nichts kompromittirendes kam über die Lippen dieser schönen Sünderinnen, und als zulezt das Appellationsgericht von Poitiers , sowie der Erzbischof von Bordeaux , welcher Urban freundlich gesint war, sich in die Sache mischten, als in den Aussagen der Zeugen Widerspruch auf Widerspruch sich offenbarte und einige ganz widerriefen, wurde er von allen Anklagen freigesprochen und in seine sämtlichen Aemter wieder eingesezt.
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Jezt wollte er nicht eher ablassen, als bis alle seine Feinde vor Gericht gezogen und sie ihm jeden Schaden, den sie ihm zugefügt, jeden Nachteil erstattet und gebüßt hätten. Aber diese waren zalreicher und in ihren Kabalen raffinirt erfinderischer, als er. Das Kloster der Ursulinerinnen zu Loudun , welches erst vor kurzem, im Jare 1626, gegründet worden, befand sich in sehr mislichen Umständen. Die Almosen und Spenden flossen nur sehr spärlich in den mageren Klosterseckel, und mit Bekümmernis sah man, daß troz aller Frömmigkeit und Heiligkeit die irdische Belonung, welche da in reichgestickten Meßgewändern und sonstigen schönen Geschenken bestet, ausblieb. Die Klosterzucht schien gerade nicht die strengste zu sein. In den langen Hallen und Gängen wurde es nachts lebendig, die jungen Novizen und Kostgängerinnen vergnügten sich daran, in langen, weißen Gewändern spuken zu gehen und die Mitgefangenen, als Vater Moussaut, welcher früher der Beichtvater des Klosters gewesen, in sanfte Furcht zu versezen. Johann Mignot, der, wie wir schon erwänt, Nachfolger dieses Vaters geworden war, sah diesen unschuldigen Spielen nicht ungern zu, glaubte er doch, daß Herz seiner Beichtkinder auf diese Weise zu größeren Taten vorbereiten zu können. Geisterspuk und Teufelsspuk sind nicht allzuweit von einander entfernt, und wenn die Nonnen so trefflich Geisterlein zu spielen verstanden, mit den Geistern so guten Umgang pflegten, warum sollte nicht auch einmal, kalkulirte Mignon, Beelzebub durch den Kamin niederfaren und sich der schönen Nonnen bemächtigen? Besessenheit war an der Tagesordnung, Teufelspakte ein beliebter Modeartikel, und hinter jedem, das etwas über das allzugewönliche hinausragte, witterte der abergläubische und furcht same Pöbel die Klauen und Hörner Sr. höllischen Majestät. Die Herenprozesse standen im Flor, die Besessenheit war damals eine ganz besondere Art von Heiligkeit, und in Klöstern, wo man so glücklich war, ein oder mehrere Besessene zu halten, bemerkte man es bald an den täglich mehr anschwellenden Geldseckeln, wie mit dem Teufel zugleich der Segen des Reichtums einzukehren pflegte. Konte man es da den armen Ursulinerinnen allzusehr verübeln, wenn sich in ihren Herzen dann und wann das Verlangen regte, es möchte Beelzebub auch ihr Kloster mal mit einem Besuche beglücken! Und so kam es! Am 11. Oktober 1632 erschien ein Pfarrer Granger, vor dem Amtmann Wilhelm von Cerisay de la Gueri nièr und dem Civillieutenant Ludwig Chauvet und forderte dieselben auf, mit ihm zu gehen, da im Kloster der Ursulinerinnen der Teufel eingekehrt sei. Man folgte begierig, um sich von der Warheit der Sache zu überzeugen; sollte doch eine der Nonnen Latein sprechen, eine Sprache, die sie vorher nicht gekant habe. Johann Mignot als Beschwörer empfing die Ankomlinge im weißen Priesterkleide, mit dem Meßgewande angetan. Die Su periorin, eine der schönsten Frauen des damaligen Frankreich , und eine Laienschwester Clara waren die Unglücklichen. Sie befanden sich, von einem Priesterstab umgeben, auf ihrem Zimmer im Bette, und kaum hatten die Magistratspersonen das Zimmer betreten, als der böse Geist sich auch schon regte und seine Opfer zu wilden Verrenkungen und Verzückungen trieb.„ Warum bist du in den Körper dieser Jungfrau gefaren", beschwor Mignon auf lateinisch, und die Superiorin antwortete ebenso:„ Aus Rache!" welchen Vertrag?"" Durch Blumen." -Was für Blumen?" " Rosen."„ Wer sante dieselben?"- Bause. Mignon ließ einen triumphirenden Blick über die Versamlung gleiten, endlich antwortete der Teufel„ Urban."-" Welcher Urban?" Mignon recte sich auf.„ Grandier" antwortete Satan wiederum nach einiger Pause. Sein Stand?"
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