Ha, und wo ist Seine Majestät denn, zum Teufel?! Bin doch von ihr auf heute hierher bestellt, um die meinem Vater von den Pfaffen gestolenen Güter bei Lüttich   wieder zu erhalten. Die Majestät ist zu sehr beschäftigt, mich zu empfangen?- Was? Beim Satan, ich will mein Recht! Haben die spizbübischen Pfaffen den Kaiser doch wieder beschwazt? Die Donnerbüchse soll zwischen dieses Otterngezücht schlagen!" Dabei schlug der Aufgebrachte an den breiten Pallasch, der flirrend an seiner Seite rasselte.

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Der Sprecher war ein kleiner, aber unterſezter und kräftiger Mann. Das Gesicht war edel geformt, Sprache, Benemen, Klei­dung echt soldatisch. Der Kopf war bedeckt mit einem breiten, gold­bordirten Schlapphut, auf dem rote und weiße Federn prangten; der gelbe Waffenrock, über dem er ein Lederkoller trug, ließ das Silberbandelier, das ihn als kaiserlichen Offizier kenzeichnete, noch schärfer hervortreten. An seinen Füßen saßen gelbbraune, hohe Reiterstiefeln, an welchen mächtige Sporen klirrten. Thorn wehrte seinem Zornesausbruch mit einer Handbewegung. " Seine Majestät sind in der Messe!"

Der Zornige aber schrie:

Ach was! Wesse hin, Messe her; sollte sich lieber um die Regierung seiner Lande bekümmern! Habe da unten in Flandern  schöne Dinge gesehen! Pozz Bliz und Wetter, dürft' ich dazwischen faren!"

Thorn beruhigte den Aufgebrachten:

" Damit ändert Ihr nichts, Graf Mansfeld; der Althöfel hat Seine Majestät wieder herumgebracht; die Restituirung Eurer Güter war schon unterzeichnet, heute will man Euch aber noch nicht empfangen. Ihr wißt, ich kann nichts tun; die Pfaffen sind allmächtig. Aber leise, leise, Mansfeld  , draußen wachen die Pagen!"

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" So habe ich keine Aussicht?" Thorn zuckte die Achseln. Wenn vorhin von Eurer Sache Wenn vorhin von Eurer Sache die Rede war, auf dem Gesichte des Italieners, wie auf dem des Althöfel lag soviel Triumph, daß ich schwerlich glaube." " Gottes   Blut! Ist das der Lohn für meine treuen Dienste in Flandern  , für mein vergossenes Blut, für meine Wunden? Da müßt' ich mich schämen, der Mansfeld   zu heißen!"

Dabei stampfte der Zornige klirrend den Boden, riß das Bandelier von der Brust, warf es auf die Erde und trat es mit Füßen: Verflucht sei auf ewig des Kaisers Dienst! Er soll mich fennen lernen, der Wortbrüchige! Jezt gehe ich zu den Prote stanter; sie sind treu und werden meine Treue zu würdigen wissen. Addio, Thorn, grüßet Ferdinand, den Pfaffenknecht, und sagt ihm, er solle von mir hören!"

Damit stürmte er fort, durch Vorzimmer und Korridore laut klirrend und rasselnd die Treppe hinab, schwang sich auf sein von einem Diener vorgefürtes Roß und ritt davon.

Der Davoneilende war Graf Ernst von Mansfeld  , der natür­liche Son Peters von Mansfeld  , Statthalters von Luxemburg  , einer der tüchtigsten Offiziere der flandrisch- niederländischen Armee des Kaisers; die Ehe des Vaters hatte der Kaiser um der Ver­dienste des Sones willen für legitim erklärt und ihm gleichzeitig die dem Vater genommenen Güter bei Lüttich   herauszugeben versprochen; durch seinen Wortbruch machte er sich den Grafen zu seinem glühendsten Feinde.

Als der Kammerherr dem Kaiser über das vorgefallene be­richtete, stieg Ferdinand die Zornesröte ins Gesicht, oder war es die Scham, die ihm das Blut wallen machte?

Sofort aber trat Althöfel vor:

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" Majestät sehen, daß wir recht hatten: der Graf ist ein ver­wegener Mensch, zu allem fähig!"

Ferdinand hörte kaum darauf: Drote er, Thorn?" Majestät, ja; er wolle zu den Feinden Euer Majestät über­gehen, sagte er; diese würden seine Kräfte besser zu würdigen verstehen, wie"

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" Wie ich?- Ja, ja," meinte er dann, er ist ein tüchtiger Degen; Herr Pater, ich glaube, wir haben ihm doch unrecht ge­tan, als wir ihm sein Recht vorenthielten!"

Althöfel schlug die Augen fromm zum Himmel: Geschehene Dinge sind schlecht gut zu machen, Majestät; ich bete zu Gott, daß dieser Hizkopf nicht verloren gehe.- Gebe Sich Majestät doch nicht dem Schmerze hin, bedenken Sie viel mehr, daß der Bote des Herzogs von Baiern   des Empfanges hart.

" Ihr habt, wie gewönlich, recht, Pater; Thorn, schickt den Gefanten des Herzogs herein!"

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Die Verhandlungen dauerten lange; es war die Rede von Entschädigungen und Wiedererstattung großer vom Herzoge für den Kaiser aufgewandter Geldmittel u. s. w. Ferdinand fülte nur zu sehr, wie abhängig er vom Kurfürsten und vom Heere der Liga geworden, wenngleich er dem alten, bewärten Tilly vertrauen konte. Er gab ja an Baiern   als Rekompense die Kur­würde und einen Teil des Reiches Friedrichs von der Pfalz  , aber doch ärgerte es Ferdinand jezt, Mansfeld   von sich gestoßen zu haben, auf den er in der Not hätte bauen können. Schließlich wollte sich der Gesante des Herzogs verabschieden, als Pater Althöfel vortraf:

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" Auf ein Wort noch, Herr Ambassadeur! Majestät," wante er sich dann an Ferdinand, haben wol die Angelegenheit mit dem Professor Rauek in Ingolstadt   ganz vergessen?"

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,, Ach so," meinte Ferdinand, hierdurch sichtlich unangenem be­rürt, in gleichgiltigem Tone. Macht meinen Freund Maximilian, Herr Ambassadeur, darauf aufmerksam, daß in Ingolstadt  nicht war, Herr Pater?- also daß in Ingolstadt   ein Professor Rauek heißt er nicht so, Herr Pater? existirt, der in heftigster Weise den Katolizismus angreift; dieser Mann müßte entfernt werden. Vergeßt nicht, Seiner herzoglichen Gnaden dieses dringend als meinen Wunsch zu empfelen! Ihr seid entlassen!"

Der Gesante verneigte sich tief und ging, Ferdinand aber trat mit seinem Beichtvater über den Korridor in sein Arbeitskabinet.

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In einem hochgiebeligen Hause zu Ingolstadt   saß die Familie des Professors der Rechtskunde, Rauet, um den Mittagstisch ver­sammelt. Düster blickte das Auge des Hausherrn, vergeblich versuchte seine Hausehre, Frau Dorotea, die Stirn des Gatten zu glätten durch ihr Gespräch; der Professor blieb verstimt, nur wenn sein sinnendes Auge auf seine einzige, zwölfjärige Tochter Jutta fiel, erheiterte sich das ernste Gesicht ein wenig. Am Tische saß auch noch ein etwa vierzehnjäriger Knabe mit offenen, schönen Zügen und langem Lockenhar, der auf die ihm gebotene Koſt tüchtig lossäbelte.

" Was hast du, Onkel, bist du böse?" begann der Knabe, in­dem er einen besorgten Blick auf den Professor warf. ,, Auf dich nicht, lieber Junge."

Der Knabe atmete auf. Nach einer Weile begann er wieder: " Ich bin Stürir heute aus der Schule entlaufen; er hat immer so langweilige Geschichten; da lobe ich mir ein Spielchen mit Jutta; sie kann beinah ebenso schnell laufen wie ein Knabe. Wir waren auf dem Walle bei der großen Kanone, die sie den, langen Chim*) nennen."

Hier ergriff Frau Dorotea das Wort:

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" Es wird für Jutta die höchste Zeit, solche wilde Spiele zu meiden; ein so großes Mädchen muß schon gesezt sein." Jutta, ein überaus liebliches Mädchen mit langen, blonden Zöpfen und blauen Augen, warf schmollend das Köpfchen zurück. Mansfeld   so nante der Professor den Knaben aber begann wieder: " Du irst, Tante; heute sind wir ganz artig gewesen. Ich habe auf dem langen Chim gesessen und Jutta unten auf der Lafette; da habe ich ihr die Geschichte von Stürig erzält und hernach von der Schlacht, wenn ich erst einmal mit Vater in den Krieg darf und solche Kanonen richten. Ich glaube, Vater komt bald wieder einmal nachhause, denn Stürix erzälte davon; gewisses weiß er aber auch nie."

" Was ist denn das für eine Geschichte von Stürig?" fragte Dorotea neugierig.

Na, denke dir nur, Tante, wie dumm! Das Buch heißt Metamorphosen   von Ovidius Naso   und ist lateinisch geschrieben. Gibt es wol einen Titel, der lächerlicher ist? Und das alles muß ich übersezen. Die Geschichte ist diese: der Gott Apollo liebte einst die schöne Hirtin Daphne und wollte sie partout füssen. Das wollte diese aber durchaus nicht leiden; sie floh ans Wasser, und als sie nicht weiter fonte und Apollo sie schon umarmte, da schrie sie zur Juno, der Himmelsgöttin. Diese er­hörte das arme Mädchen und verwandelte es in einen Lorbeer­baum. Ist das nicht albern?" Frau Dorotea guckte den vier­zehnjärigen Knaben, dann ihre Jutta an, und meinte darauf: Ja, ja, es wird Zeit, Jutta, daß du recht fleißig strickst, klöppelst und nähest, denn das muß eine Jungfrau ordentlich können!"

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*) Joachim.