II.

Bravo  , Kamerad, wie Ihr sprecht,

So denkt ein mansfeldscher Reiterstnecht."

( Nach Schiller  .)

Schon in weiter Ferne erfante man das Feldlager; lagen doch die Dörfer verlassen und in Trümmern, weit und breit war feine Menschenseele zu sehen, nur hier und da ritten ein par Reiters­fnechte dahin, deren Pallasche im hellen Sonnenschein blinkten.

Am äußersten Walle stand ein Posten, ein alter graubärtiger Geselle, dessen lange Partisane hell wie ein Spiegel glänzte, wärend an seiner Seite ein langer Raufdegen schwankte. Er war der Typus eines echten Werblings zu Zeiten dieses ungeheuren Krieges, der Deutschland   auf Jarzehnte entkräftete und zu einer Wüste machte. Weiterhin stand eine änliche Wache, und so rund herum ums Lager. Schritt man etwas weiter vor, so kam man an die Wachhütte. Es waren Fußgänger, die hier teilweise in einer Bretterbude, teils davor auf der Erde, auf Feldstülen oder Stroh saßen und lagen und kurzweilige Gespräche fürten. Ein langbärtiger Korporal hatte hier das Kommando.

Der ganze Haufen lachte eben, als zwei Dragoner in den Kreis traten, deren einer die Tressen des Wachtmeisters trug. Im ganzen und großen waren sie wie die Fußvölker in Braun und lederne Koller gekleidet. Lange Raufdegen an der Seite, hohe Stiefel, breite Schlapphüte, mit allerlei Federn geschmückt, vollendeten die Uniform, wozu noch bei den Dragonern ein langes Reiterpistol kam, das im Gürtel steckte.

" Nun Fuchsner", begann der Korporal wieder, nachdem das Gelächter geendigt, was wars dieses mal?"

Ei, Herr Korporal,' s ist eben nichts; ich sage dem Liesch nur eben, warum er der Werbetrommel nachgegangen ist!"

" Nun, und warum denn?"

Ei, er hält uns eben ein Kapitel über die Ehrlichkeit, und da machte ich ihn denn nur darauf aufmerksam, daß sich an seine Schreiberfinger beim Abschied von seinem Advokaten in Rotterdam  einige Goldfüchse so ganz zufällig gehängt hätten!"

Man lachte nochmals; der Blosgestellte zog sich aber in den Hintergrund zurück.

Nun, Wachtmeister Werbener," reichte der Korporal dem An­kommenden die Hand ,,, wie stets? Bleiben wir noch lange in dieser trübseligen Gegend müssig liegen, oder gibts bald wieder Arbeit?"

,, Kans nicht sagen, Korporal Tauscher; doch scheints weiter nach Süden zum Schlagen gekommen zu sein!"

Ihr meint zwischen dem Tilly, dem Leuteschinder, und dem tollen Herzog?"

,, Ganz bestimt; unser Graf ist in der größten Spannung!" Glaub' aber doch, mit Verlaub, meine Herren," fiel hier Fuchsner ein, daß ihm der Tolle etwas zu schaffen machen wird, dem unbesiegbaren Tilly, wie sie ihn nennen; wenn der Braunschweiger nur stärker wäre! Auf die Dauer allein, muß er doch unterliegen!"

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Wol einmal unterliegen," mischte sich nun der Begleiter Werbeners, ein Freikorporal aus dem braunschweiger Lande, Hans von Hilten, ein ,,, wol unterliegen, aber nie ganz besiegt werden! Denkt Euch, Kameraden, ließ der etwa zwanzigjärige Jüngling sein Bistum, Ehre, Würde und Wolleben im Stich und sagte seinem Vaterlande mit zehn Talern in der Tasche Ade, um in Westphalen zu werben: tout pour Dieu et pour Elle*). Ihr wißts ja alle, und seitdem trägt er den Handschuh der un­glücklichen schönen Elisabet an seinem Helm. Er will ihn nicht eher ablegen, so hat er geschworen, bis er sie wieder zu Prag  auf den Tron gesezt."

Hier warf Fuchsner wieder ein Wort ein:

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Wenn nur der Winterkönig nicht so feige und weibisch wäre! Verließ unser Her und traute dem schlauen Nandel**) in Wien  ; er unterhandelte, wärend der Baden- Durlacher, der Braun­schweiger und Mansfelder alles hingaben, für sein Recht zu fämpfen!"

" Hast recht, Fuchsner!" meinte der Korporal. Ja, ja, das sind noch Männer! Kent Ihr die Geschichte von dem tollen Christian, wie er die zwölf Apostel in die weite Welt schickte?" ,, Nein, nein; erzält!"

" Nun, in der paderborner Stiftskirche waren die zwölf Apostel aus getriebenem Silber vorhanden. Christian von Braunschweig  

*) Alles für Gott und für Sie( Elisabet  ).

**) Kaiser Ferdinand  .

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nam sie weg und recitirte: So gebot Christus: Gehet hin in alle Welt!" ließ sie zerschlagen und in die Münze schicken. Er prägte Stücke daraus, worauf eine erhobene Hand zu sehen ist, mit der Inschrift: Gottes   Freund, der Pfaffen Feind!" Die Stifter besonders haben diese Feindschaft fülen müssen!"

" Da ist die Geschichte vom heiligen Liborius   noch besser, Jungen," fiel hier ein Werbling ein.

"

Erzält, erzält!"

" Ja, ja, auch!- In Paderborn   wars ebenfalls, da stand die achtzig Pfund schwere silberne Bildsäule des heiligen Liborius  . Der Braunschweiger ließ sie wegfüren und bemerkte den heulenden Pfaffen:, Warscheinlich haben die alten römischen Kaiser diesen Heiligen vierteilen lassen; ich will menschlicher sein, ich lasse ihn zweidritteln! Und er ließ lauter funkelnagelneue blizende Zwei­drittelstücke daraus schlagen."

" Bravo  , bravo!"

" Verachtet mir daneben aber den Durlacher   nicht!" meinte ein anderer. Er ist der erste gewesen, der alles hinwarf und für den Glauben das Schwert ergriff."

" Ja, ja," begann nun der lustige Fuchsner wieder, aber der größte Held von allen bleibt doch unser Mansfelder! Wißt ihr wol noch, Kameraden, wie in Franken die Meuterei im Heere ausbrach, wie ein heller Haufen, wol an die fünfhundert Köpfe start, sein Zelt umdrängte und nach Sold schrie? Wie er, die Pistolen in der Hand, heraustrat und elf Mann mit eigner Hand niederstieß und die übrigen zu Kreuz krochen? Mut hat der für zehn! Außerdem ist er der schlaueste von allen; darin komt ihm keiner gleich."

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Höchstens sein Son!" bemerkte hier ein andrer Söldling. " Ja," nickte Warbener, der ist des Vaters verjüngtes Eben­bild, ein warer Held!" Und eine Träne glänzte in seinen Augen.

" Ja, hols der Geier und der Schnapsack!" rief auch der alte Korporal Tauscher mit Entusiasmus  ." Weiß Gott  , für den Jungen ließe ich auch mein Leben, wenn es sein müßte."

Es ward zu Mittag geblasen; die Leute gingen teilweise aus­einander und Werbener trat in das Feldherrnzelt. Die Wache wandelte davor auf und ab, drinnen aber war es lautlos stille. Mansfelder war, seitdem wir ihn verließen, bedeutend gealtert, saß an einem langen Tische vor einer großen Land­karte und murmelte leise vor sich hin.

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Jezt trat Hoyer ein.

Welch' ein schöner Jüngling war er geworden, schlank und wolgebildet; wol war er einen Kopf höher, als sein Vater; von seinem goldbordirten Hute nickte die lange Feder herunter und ein langer Pallasch flirte an seiner Seite. Der junge Lieutenant machte dem Vater Ehre, denn er zeigte sich in der Schlacht mutig, ausdauernd und tollkühn. Neunzehn Jare war unser Held jezt alt, aber verständig, wie ein dreißiger. Zuweilen jedoch schwamm sein großes, blaues Auge feucht, wenn er an die Professoren­familie und die kleine Jutta", wie er sie stets nante, dachte. Heute aber hatten andre Sorgen bei ihm plazgegriffen: Christian von Braunschweig   war wieder im Felde erschienen, hatte mit heimlicher Unterstüzung seines Bruders Friedrich Ulrich  , des regierenden Herzogs zu Braunschweig  , und mit den Mitteln seines Stiftes er war Administrator von Halberstadt  Heer auf die Beine gebracht und versuchte, nachdem sein Bruder, vom Kaiser bedrängt, sich hatte von ihm lossagen müssen, mit Verzichtleistung auf sein Bistum, sich mit Ernst von Mansfeld  , der aus niederländischen Diensten entlassen, nun ein eignes Heer gesammelt hatte, zu vereinigen, um mit Erfolg dem nachdrängenden Tilly zu widerstehen. Dieser hatte dem Braunschweiger aber vor der Vereinigung den Weg verlegt und sein Heer aufgerieben.

ein

Die Mansfelds, Vater und Son, hatten ein langes, geheimes Gespräch mit einander:

" Unfre Sache mislingt, lieber Hoyer, es bleibt nichts übrig, als du nimst meinen Empfelungsbrif und gehst nach Schweden  ; an Gustav Adolfs Hofe findest du ehrenhafte Aufname, und eine Stelle in seiner siegreichen Armee ist dir gewiß. Du sollst aber nicht allein sein; den Werbener und einige andere gute Gesellen nimst du mit und behältst sie in allen Lagen bei dir. Wir sehen uns wieder; mein guter Stern wird über uns beiden leuchten." ,, Und wo bleibt Ihr, mein guter Vater?"

" Ich gehe nach England; ich London   hoffe ich beides zu finden, Geld und Freunde. Du weißt Bescheid! An dieser Stelle trennen wir uns; ich füre das Heer, damit es Tilly nicht zulaufe, bis an die Niederlande  ; dort, jenseit der Grenze, entlasse ich's mit Monatssold; Wartegeld, mein Son," wobei er lächelte.

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