Druckprozeß geschiet mit einer geradezu märchenhaften Geschwindigkeit. Getrieben wird die Rotationspresse, wie schon bemerkt, durch eine Dampf­maschine.

Wenden wir uns nunmehr zu den übrigen Ausstellungsobjekten, die der Pavillon enthält.

Zunächst finden wir die alten Jargänge der Magdeburgischen Zeitung" teilweise ausgestellt. Sie zeigen, wie das Format der Zei tung allmälich größer geworden ist und ihr Umfang zugenommen hat. Vom Jargang 1717 an ist die Zeitung beinahe vollständig im Archiv vorhanden. Interessant ist es, einen Blick in jene alten Jar­gänge zu werfen; der Historiker wird manches schäzbare Material in diesen vergilbten Blättern finden. Die 16 Centimeter breite und 20 Centi­meter hohe Nummer von 1626 mit der Ueberschrift ,, Wöchentliche Zei­tungen", welche aus zwei Blättern bestet, enthält korrespondenzen aus Rom  , Paris  , aus dem Haag, aus der Mark u. s. w. Es war viel zu melden aus der Welt: die Politik Richelieus( 1624-42), die englischen Zustände unter Karl I.( 1625-49), vor allem aber der dreißigjärige Krieg boten eine Fülle von Stoff. Wallensteins Sieg an der dessauer Brücke über Mansfeld  , sein Zug gegen die österreichischen Erblande, Tillys Sieg bei Lutter am Babenberge u. s. w. fallen ins Jar 1627. Das kleine Blättchen liefert eine treffliche Illustration der damaligen Verhältnisse; alle Korrespondenzen sprechen von Soldaten und Kriegs­geschrei; ganz Europa   starrte in Waffen; ein ungezügeltes, wildes Soldatengesindel hauste besonders in Deutschland   und vernichtete den Wolstand auf Jarhunderte hinaus. Da heißt es, karakteristisch für diese Kriegerbanden, in einer Korrespondenz:

,, Auß der Mark vom 27. Ditto.( Juni 1626.) Am 21. dieses, sein in 60. Soldaten zu Polikow eingefallen, vnd dz Dorf außgeplün­dert. Am 22. ist zu Tangermünde   ein Justiz aufgericht, vnd am 23. 2. Soldaten dran gehenckt, vnd ein Reuter mit dem Rade justificirt worden. Die Soldaten sollicitirn vm Sold. Die Friedländis. arbeiten an einer Schiffbrücke bei Rothen sehr starck. Ein Hamburger Schiff hat nach Tangermünde   gewolt, ist von den Manßfeldis. außgeladen worden. Ob wol wegen jüngst gemelter meutination 3. Soldaten ein­gezogen worden, vnd durch dz spiel das hangen of einen Gefreyten ge­fallen, hat sich doch solcher heimlich loß gemacht. Der General Fuchs hat sich erclärt, mit seinem Willen keinen meutmacher dz Leben zu schenken, ob gleich alle andere Soldaten für einen solchen bitten würden. Am 24. dieses sein wider 2. Soldaten strangulirt, vnd einer mit einem Arm 2. stund lang auffgehendt, vnd alsdann zum schelmen gemacht. Daselbst zu Tangermünde   verkauffen die Kriegsknechte ein Schaff vmb 2 Groschen, ein Kuhe ein Thaler, ein Ochsen 36 Groschen. Gemeltes Tags sein 5. Cornet- Reuter nach Burck marchirt, weil man sich alda der Wallensteinischen einfall beforchtet. Am 25. ist General Fuchs auß dem Stift zu Tangermünde   wider angelangt, der Herzog von Weimar  , vnd Karpzow sein genants Tags von dannen hinweg gereiset, wie man sagt, nach Lüneburg   vff den daselbst angestelten Tag. Am 26. sein 16. Cornet- Reuter vber die Schiffbrücken nacher Burck fortgezogen, man sagt Gen. Fuchs werde mit theils Fußvolck vnd Reuterey folgen."

Nemen wir den Jargang 1718 zur Hand. Format, Papier   und Einrichtung sind fast dieselben wie bei der Nummer von 1626; nur hat die Zeitung einen anderen Kopf erhalten. Diesen Kopf bildet der ge­frönte preußische Adler, in der rechten Klaue das Reichsschwert und in der linken das magdeburgische Stadtwappen haltend; rechts vom Adler stet in einer Blattarabeske die Jareszal, links die jedesmalige Nummer. Die Zeitung erschien wöchentlich dreimal: Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Die Donnerstagsnummer hatte jedesmal einen andern Kopf: statt des Adlers finden wir einen auf hohem Roß dahinsprengen­den Merkur  , des Zeus   Boten, welcher in der vorgestreckten Rechten einen Zettel mit der Aufschrift: Nachiagender Courir" hält. Unter jeder Nummer stet: Magdeburg   gedruckt, bey Andreas Müllern, im gül­

denen A. B. C."

Der moderne Leitartikel felt in diesem Jargang noch. Es sind nur Korrespondenzen aus fast allen bedeutenderen Städten Europas   vor­handen, die neben dem gewönlichen Klatsch in der Hauptsache Mit­teilungen über allerhand politische Vorgänge enthalten. Die Korrespon­denzen aus Mailand   brauchten bis zu ihrer Ankunft in Magdeburg   in der Regel 20 bis 22 Tage, die aus Paris   ca. 18 Tage, die aus London  ca. 17 Tage, die aus Wien   ca. 10 bis 12 Tage, die aus Warschau   10 Tage, die aus Lissabon   sogar 7 bis 8 Wochen, die aus Hamburg   3 Tage u. s. w. Das war die gute, alte Beit!

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mischen Curiosa, naturae& artis: Ferner auch die vornehmsten Merk­würdigkeit, der ungemein großen und Volkreichen Haupt- Stadt Londen  , zusammt dem Staat, der Engel-, Schott- und Irrländischen Universi­täten u. v. m. deutlich und weitläufig entdeckt worden. Alles auf's sorgfaltigste und mit dem größten Fleiß aus dem Englischen   übersetzet, durchgehends mit so nöthig als nüßlichen zusäßen vermehrt, und mit einen vollständigen Register versehen, auch mit 71 acuraten und saubern Kupffern ausgezieret, in 4to 3. Rthlr. 16. Gr."

Auch Inserate hatte die Zeitung. Aus der Reihe derselben teilen wir einige mit. Da heißt es: Es ist gestern hierselbst ein kleiner Hund verlohren, von Couleur schwarz und weiß, lange schwarze Ohren, weiße Füße, einen weißen Strich über die Nasen, übrigens ganz glatt von Haaren, einen roth- gelb- bunden Halsband mit Glöckchen, um ha­bende, wer selbigen hat, oder nachzuweisen weiß, wird ersucht, solches bey dem Verleger dieser Zeitungen zu melden, er soll einen guten Re­compens zu gewarten haben."

Weiter: Es dienet zur Nachricht, daß der für vielen Zufällen, insonderheit aber für dem Skorbut, dienende Spiritus Cochleariae, wie auch der Balsamum vitae, laboriret von einem Englischen   Medicum aus Hamburg  , wiederum gut anhero gesandt, und zu Früh- Jahr und Herbst- Zeiten, als ein Präservativ zu gebrauchen ist. Wie auch die Hällischen Tropfen, bey dem Verleger dieser Zeitungen allezeit zu be­kommen sind, nebst einen gedruckten Bericht."

Am Ende einiger Blätter heißt es: ,, Morgen um 8 Uhr wird vor 3. Pfennige ein Extra- Blättchen ausgegeben, welches wegen eingelauffener Späte, denen ordinairen Zeitungen nicht inseriret werden können." Der Kopf der Extrablättchen ist mit einem aus den Wolken herabschweben­den, geflügelten Engel, der in zwei Posaunen bläst, geschmückt. In­teressant sind ferner die angehefteten Flugblätter, welche bei dem Ver­leger der Zeitung für drei oder sechs Pfennige u. s. w. zu haben waren. Sie behandeln vorzugsweise die Siege des Prinzen Eugen, die Nieder­lage der Türken bei Belgrad  , ferner Hinrichtungen, Mordgeschichten und Unglücksfälle u. s. w. Da liest man:

Ferner:

,, Betrübte Nachricht,

von der

Zwischen den 25. und 26. Februar 1718. sich wie­derum ereugnenden

Zweyten Aufschwellung

Des großen Welt- Meeres" u. s. w.

,, Erbarmens- würdige Nachricht

von der

Gewaltsamen großen Feuers- Brunst,

welche

In Magdeburg   am Markte, den 30. Sept. Anno 1718. in eines Kaufmanns Hause, gegen Morgen, zwischen 2 und 3 Uhr zu großen Schrecken

Aller Einwohner der ganzen Stadt entſtunde und

Durch Loßschlagung einer Tonner Pulver so groß war, daß 9. Häuser elendiglich binnen 3 Stunden,

ganz wütend in die Asche gelegt wurden."

Der Druck der ,, Magdeburgischen Zeitung" war bisher immer auf der hölzeruen resp. eisernen Handpresse, die ca. 300 bis 450 Exemplare pro Stunde lieferte, erfolgt. Da traten mit Beginn dieses Jarhunderts jene bedeutungsvollen Erfindungen auf dem Gebiete der Druckmaschinen ein, welche in dem Betriebe der Druckereien eine völlige Umwälzung hervorriefen. Friedrich König   erfand in England verbesserte Druck­maschinen, verband sich mit Andreas Friedrich Bauer  , einem geschickten Mechanikus, und ließ sich den 29. März 1810 die sogenante Flachdruck­presse patentiren. Verbesserungen folgten auf Verbesserungen. Den 30. Oftober 1811 nam König in England ein Patent auf die erste Cy­linderdruckmaschine. Bereits am 23. Juli 1814 nam König ein drittes Patent für neue Verbesserungen und Vereinfachungen, welche bei dem Bau der für die ,, Times" bestimten Maschinen in Anwendung kamen. Diese Maschinen wurden mit zwei Druckcylindern versehen, so daß die auf dem Karren ruhende Schriftform bei jedem Hin- und Hergang des­selben zweimal statt einmal angeschwärzt und gedruckt ward, was zu einem Gesamtergebnis von 1100 Bogen in der Stunde fürte und durch Ver­besserungen deren bis zu 2000 herzustellen ermöglichte. Der 29. Novbr. 1814 war der Tag, an welchem die ,, Times" zum erstenmale auf der Schnellpresse gedruckt erschien, welches Ereignis sie in einem seitdem zur Im J. 1818 legte historischen Bedeutung gelangten Leitartikel feierte. F. König   mit seinem Freunde Bauer im Gebäude der ehemaligen Prä­monstratenserabtei Oberzell bei Würzburg   eine Maschinenfabrik an, in Ferner: Es ist zu bekommen bei dem Verleger dieser Zeitung: welcher Schnellpressen gebaut wurden. Die ersten vier Schnellpressen des Herrn Guy Miege   Geist und Weltlichen Staat von Groß- in Deutschland   und zugleich die ersten Erzeugnisse der neuen Fabrik Britannien und Irland   nach der gegenwärtigen Zeit. Oder allerneueste empfingen unterm 2. November 1822 die v. deckersche Hofbuchdruckerei zu Berlin   und die Druckerei der nunmehr entschlafenen ,, Spenerschen Historische und Geographische Nachricht von denen dreyen Königreichen Engels, Schott- und Irrland, worinnen derselben Einwohner, Ursprung, Beitung" ebendaselbst. Das von König gegründete und mit seinem Sprache, Temperament, Genius, Religion, Sitten und Literatur nebst Freund Bauer geleitete Etablissement ist noch heute unter der Firma deren Monarchen, hohen und niedrigen Adel, Geistlichkeit, Geseßen, Re- König& Bauer" die blühendste und renommirteste Buchdruck- Maschinen­gierungs- Art, Geist- und Weltlichen Gerichten und so weiter, ingleichen Fabrik Deutschlands  , und die Zal der aus ihr hervorgegangenen Schnell­die Eintheilungen dieser großen und berühmten Insuln, deren Macht, pressen dürfte die Zal 3000 bereits überschritten haben. Interesse und Nachtheil bey vergleichung anderer Länder, die einhei­

Humorvoll berüren uns die gegen Schluß eines jeden Blattes ge­druckten Anspreisungen von Flugschriften und größeren Werken. Einige solcher Anspreisungen mögen folgen:

,, Es ist zu bekommen die Buß- und Sterbegedanken Gottlob Riemers, gewesenen Studenten- Dieners, als derselbe den 7. April 1717 in Halle einen Mägdlein die Gurgel abgeschnitten, à 6 Pfennige."