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Knüppel in der Faust die etwaigen Rechtsfragen ausglich. Seit Jarhunderten hatten nun Angehörige der Familie Zellweger, aus Trogen stammend und durch große Leistungen im Kanton befant und geachtet, die höchsten Würden im Appenzell bekleidet; als nun der Unmut des Volks sich gegen die Regierung richtete, kamen die Nebenbuler der Zellweger auf den Gedanken, die Stimmung des Volkes für ihre Bestrebungen auszunuzen. In Herisau waren es die Mitglieder der Familie Wetter, die nach dem Besiz der Regierungsstellen strebten, und bald waren Parteien vorhanden, die sich die Harten und die Linden( Weichen) nanten und sich an Feindseligkeiten nichts schuldig blieben.

Zulezt kam es darauf an, wer über die meisten Fäuste ver­fügte, und die Harten, der Partei der Familie Wetter angehörend, übertrafen in ihrer Leistungsfähigkeit bald die Partei der Zellweger, die sich die linde nante. Nachts drang man in die Behausung des Gegners ein und prügelte Jung und Alt, Mann und Weib in den Betten durch! Es war eine eigentümliche Taktik, die hier Anwendung fand.

Als Landammann Wetter in Hundwyl die Landsgemeinde leitete, unterlag die Partei der Zellweger und die Gewalttätigkeit wurde offiziell. Die Wetter hatten die Regierungen von Schaff­ hausen und Glarus auf ihrer Seite und fülten sich daher stark genug, jede Vermittlung unter Drohungen zurückzuweisen. Die Regierungen von, Bern und Zürich , die der Familie Zellweger günstig gesint waren, traten mit ihrer Vermittlung vergeblich ein, die Partei der Harten hatte gesiegt.

Ein neuer Zwist entstand, als große Werbungen für den Fremdendienst in Aussicht standen. Der Kriegsdienst im Solde fremder Mächte war es, der Ursache zu neuem, tiefen Hader bilden sollte; zwei Parteien entstanden in Appenzell- Außer- Rhoden , die Franzosen " und die Destreicher".

Die Anhänger der jezt ans Staatsruder gelangten Familie Wetter wollten, als sie nun im Besiz der Macht waren, alle, die zur Gegenpartei gehörten, aus dem Kantonsteil verjagen. Doch der Landammann Wetter mochte inzwischen als Staatsmann an Einsehen und Mäßigung gewonnen haben, denn als die Lands­gemeinde einen derartigen Beschluß bezüglich der Verjagung und Austreibung ihrer Mitbürger gefaßt hatte, war es dieser Land­ammann, der die Ausfürung des Beschlusses solange zu vertagen wußte, bis von dieser willkürlichen und harten Maßregel nicht mehr die Rede war. Als später das beruhigte und versönte Volk wiederholt einen Fürer von der Partei der Linden, den hochherzigen und vielfach befähigten Arzt Lorenz Zellweger zu der höchsten Stellung berufen wollte, lehnte dieser jedesmal die zugedachte Ehre ab.

Auch Appenzell- Juner- Rhoden erlebte stürmische Zeiten durch die Rivalität zweier Männer. Alt- Landamman Jakob Geiger war es, der mit dem Wirte Joseph Suter zu Gonten nach der Gunst des Volkes und nach dem Besiz der höchsten Würde strebte. Der Wirt Suter war durch seine munteren Späße, durch seine gute Laune und seine ebenfalls guten Einfälle der populärste Mann in Inner- Rhoden geworden. Troz seiner geringen Bil­dung wurde er mit gutem Einkommen zum Bogt im Rheintal und bald nachher zum ersten Vorsteher gewält.

Landammann Suter hatte bald Feinde genug, die sich zu seinem Sturze vereinigten. Die Kapuziner fülten sich durch seine Satiren beleidigt und die Bemittelten und Vermögenden hatte er gegen sich aufgebracht, weil er gelegentlich eines Fallimentsgesezes in freimütiger Weise ihnen widersprochen hatte. Die Vermögenden wollten ein Gesez, das den inländischen Gläubigern den Vorzug vor den ausländischen geben sollte. Der neue Landammann erklärte vor der Landsgemeinde:" Dieses Gesez nimt uns das Vertrauen unsrer Nachbarn, welche unsern benötigten Mitbürgern kein Geld mehr werden leihen wollen." Jedoch seine Feinde erklärten, er begünstige die Fremden zum Schaden der Ein­heimischen." Ein im Namen des Staates vom Landammann Suter gefürter Prozeß, der verloren ging, fürte den Verlust der Volksgunst herbei, trozdem er öffentlich erklärte, alle Prozeßkosten tragen, resp. ersezen zu wollen. Die Feinde Suters verbreiteten, er habe seine Amtsgenossen hintergangen und durch ihn sei die Ehre Inner- Rhodens verlezt worden. Der Landrat nam dem Suter das Landessiegel ab, um es dem Alt- Landammann Geiger, dem Widersacher Suters, zu übergeben, und erklärte den Suter aller bürgerlichen Rechte verlustig. Suter legte die Berufung an die Landsgemeinde ein, und eine Schar aufgeregter Landleute, über das dem Suter zugefügte Unrecht erbittert, drang mit Gewalt ins Rathaus und drote, die Ratsherren aus den Fenstern zu

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stürzen. Die folgende Landsgemeinde brachte den Sieg der geiger­schen Partei; man riß den Suter mit Gewalt vom Landammans­stul und stellte ihn unter geheimnisvollen Beschuldigungen vor Gericht.

Suter glaubte, durch eine Wallfart nach Einsiedeln alles gut machen zu können, wärend seine unerbittlichen Gegner grade die Gelegenheit seiner Abwesenheit benuzten, um ihn auf ewig aus der Eidgenossenschaft zu verbannen und seinen Namen am Galgen auszuhängen, als eines Feindes der Religion und der Freiheit". Der hochbejarte Suter hatte sich nach Konstanz in Sicherheit be­geben; erst nachdem er schon einige Jare dort in der Verban­nung gelebt hatte, unterstügten siebzig brave Männer das Be gehren auf Revision des suterschen Prozesses, zugleich dem unglück­lichen Manne ihr Schuzgeleit anbietend.

Das Gericht, unter dem Vorsiz des Widersachers und Rivalen Suters, des Landammann Geiger, vernichtete das Gesuch und Die Feinde verhängte harte Strafen über die Antragsteller.

Suters waren hartnäckig und ihre Tücke hatte sich noch nicht erschöpft; das Volk wurde durch falsche Gerüchte aufgeregt; Suter, hieß es, beabsichtige, mit bewaffneten Scharen von Außer- Rhoden ins Ländli einzudringen. Zwei Mitglieder des Rats erheuchelten eine falsche Freundschaft, verleiteten die Tochter des unglücklichen Greises, einen Brif an den Vater zu schreiben, des Inhalts, daß Suter an einem gewissen Tage zur festgesezten Stunde sich in einem Grenzdorfe Außer- Rhodens einsinden solle, um wichtiges zu vernemen. Suter mochte nicht die Arglist und Bosheit seiner Feinde durchschaut haben, er ließ sich verleiten, das Gebiet von Inner- Rhoden zu betreten, wurde ergriffen, gebunden und auf offenem Schlitten bei starkem Schneefall im Monat Februar( am 9. Februar 1784) nach Appenzell transportirt.

Es wird berichtet, daß man den Unglücklichen dreimal an einem Tage folterte, um ein Schuldbekentnis zu erpressen, er konte kein Verschulden eingestehn!

Mehr denn zwanzig Richter hatten sich geweigert, das Urteil zu unterzeichnen, das gegen Joseph Suter, den Unschuldigen, gefällt wurde, zwanzig Richter gaben ihre Protestation zu Proto­foll; vergebens, die Feinde Suters waren unerbittlich, sein Kopf sollte fallen; am 9. März 1784 endete unter den Schwerte des Henkers der ehemalige Landamman sein Leben.

Suter starb wie ein Held, mit Manneswürde und Seelen­ruhe hatte er bis zum lezten Augenblick seine Festigkeit behauptet; seinen Mördern erging es schlimmer. Es war eine unbehagliche Empfindung, die die Gemüter nach der Hinrichtung Suters erregte; troz der Strenge und Härte der Regierung fand hie und da im Ländli der Unwille über die Schandtat der Herschenden seinen lauten und bereten Ausdruck. Einer von Suters Verfolgern befand sich wenige Jare später auf der Tagsazung zu Frauenfeld ; dort mochten nicht die besten Empfindungen gegen die Verfolger des Suter herschen; man nante Suters Namen wiederholt in der Nähe des Betreffenden, und dieser, schon lange von Gewissens­bissen gefoltert, stürzte sich in einem Anfall plözlicher Raserei aus einem Fenster des zweiten Stockwerkes hinab.

Das Volk konte sich noch nach Jarzehnten über den statt­gefundenen Justizfrevel nicht beruhigen, doch erst nach einem halben Jarhundert wurde der Prozeß einer eingehenden Prüfung unterworfen, die Unschuld Suters anerkant, und im Jare 1824 faßte der Große Rat in corpore den Beschluß, das Andenken des unglücklichen Mannes wieder zu Ehren zu bringen und die Ueber­reste desselben auf dem gemeinsamen Gottesacker zu bestatten.

Ist die Erinnerung an Joseph Suter ein dunkler Fleck in der Geschichte Appenzells, so felt es glücklicherweise nicht an erfreu­licheren Erscheinungen. Eine derartige Erscheinung ist Land­ammann Zürcher , der nur geringes Bejiztum aufzuweisen hatte und von Beruf ein Zimmermann war.

Wärend fünf Jarzenten leistete er seinem Lande, Appenzell­Außer- Rhoden, die besten Dienste, und das Volk ehrte sein Wirken, indem es ihn zu den höchsten Ehrenstellen berief. Land­ammann Zürcher verband mit einem hochherzigen, edlen Karakter eine ganz außerordentliche Tüchtigkeit in dem ihm übertragenen Amte. Balreich sind die Anekdoten, resp. Ueberlieferungen, die uns den Karakter des Manes im besten Lichte darstellen. Wenn angesehene oder hochgestellte Personen sich ihm in Amtssachen näherten und glaubten, durch nachlässiges oder gar unhöfliches Benehmen einen imponirenden Eindruck auf den schlichten Zimmer mann zu machen, ereignete es sich, daß er die Leute frug, ob sie mit dem Zimmermann oder dem Landammann Zürcher zu ver kehren hatten, in lezterem Falle forderte er sie gewöhnlich auf,