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Stüle am Tische niedergelassen hatten, zurückkehrte und neben ihnen Plaz nahm. Ihr werdet kaum weiterkommen bei diesem verteufelten Wetter, und wenn ihr wollt, mögt ihr herbergen unter meinem Dach!"
Vater und Sohn sahen sich noch immer fragend an, unentschlossen, ob sie des Holzbauers Gastfreundschaft annehmen sollten. Aber der Sturm heulte noch ununterbrochen in wildem Sausen um das Gehöft, der Zeiger an der Uhr wies bereits die elfte Abendstunde, und wenn sie sich des unwegsamen, verschneiten Feldes draußen erinnerten, mußten sie wol oder übel zu dem Entschluß kommen, zu bleiben. Der Alte zumal tat es freilich mit dem äußersten Widerwillen, denn es war nie eine gute Freundschaft zwischen ihnen gewesen. Das Verlangen des Holzbauern, zu hören, wie sie in dieser Nacht zu ihm gekommen, sezte ihn in einige Verlegenheit, aus der er sich nur durch die unwahrheit
zu befreien wußte, daß sie, bei Anbruch des Abends von einer Verrichtung aus einem Dorfe jenseits der Grenze den Heimweg beschreitend und durch das plözlich eingetretene Unwetter überrascht, von der richtigen Straße abgekommen und in die Frre geraten seien. Und indem er das sagte, vermochte er seinen Unmut wider den Holzbauer so wenig zurückzudrängen, daß dieser deutlich seinen Aerger daraus hervor hörte und merfte, wie unangenehm es ihm war, gerade jezt die Güte des ihm verhaßten Mannes in Anspruch nehmen zu müssen. Seiner ihm über den Grund ihres nächtlichen Wanderns gemachten Mitteilung mochte der Holzbauer wol wenig Glauben beimessen; denn es ging, wie er sich erhob, um nach dem Topf im Ofen zu sehen, wieder ein spöttisches Lächeln über sein Gesicht.
( Fortsezung folgt.)
Von C. Lübeck.
Wir wollen nicht von den reuesten Judenhezen sprechen, deren Hauptschauplaz das südliche Rußland gewesen ist. Wollten wir uns mit den Ereignissen der jüngsten Vergangenheit beschäftigen, wir hätten größeren Anlaß, auf Preußen zu blicken, das durch seine Judenhezen erkennen läßt, wie rückständig im Grunde genommen seine Kultur und seire vielgerühmte Intelligenz in mancher Beziehung und in weiten Voltskreisen noch ist. Nein, wir wollen rückwärts blicken in eine feine Vergangenheit, auf frühere russische Judenhezen, die die Vorläufer der heutigen sind.
Wir wissen aus der Geschichte, daß nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer und nach der Judenheze der christlichen Byzantiner zalreiche Juden nach dem Norden aufbrachen und am kaspischen und schwarzen Meere Wohnsize nahmen. Im Süden des heutigen Rußland entstanden im Laufe der Zeit jüdische Königreiche. Es sei hier nur an das mächtige Chasarenreich mit seinem glänzenden Hofe erinnert. Hier herschten über zweihundert Jare hindurch jüdische Könige mit jüdischen Ministern, und jüdische Literatur wurde zur Volksliteratur. Ein großer Teil der Völker Georgiens war jüdisch und hatte jüdische Herscher. Wie angesehen früher das Judentum war, das läßt sich unter andern auch aus dem Umstande erkennen, daß zu Wladimir I. auch chasarische Juden kamen, als es sich darum handelte, dem russischen Volke eine der europäischen Religionen aufzunötigen. Wladimirs Blicke waren jedoch auf Konstantinopel gerichtet, die Politik ließ ihn der grie/ hischen Religion den Vorzug geben, und wie er die römischen Bewerbungen ablehnte, so gab er auch den Juden einen Korb, indem er sie auf das göttliche Strafgericht der Zerstreuung verwies, dessen er durch Anname ihrer Religion sich nicht auch schuldig machen wollte.
Ein anderer Strom der Juden komt infolge der mittelalterlichen Barbareien im westlichen Europa in die von den Polen beherschten, heute germanischen Länder und in das Herz Polens . Die in unseren Tagen der Vaterlandslosigkeit Angeklagten erscheinen in diesen Gebieten als die Pioniere des Deutschtums. Ihr Erscheinen leitet die Germanisirung vieler polnischer Gebiete ein. In seinen„ Betrachtungen über den politischen Zustand des ehemaligen Polens und über die Geschichte seines Volkes" sagt Le lewel im Kapitel„ Privilegien jure teutonico"( pag . 37): Die gastfreie slavische Erde gab mehreren aus Deutschland kommenden Auswanderungen eine Freistätte. Eine Menge Juden flüchteten vor ten Verfolgungen, die sie in Belgien und anderen Gegenden erduldeten nach Polen ; aber auch der Abschaum der Deutschen kam dahin, um sich niederzulassen und sein Glück zu machen. Die Juden wurden durch die Landesbehörde geschüzt( unter Miczyslaw III. 1175). Die Privilegien, Freiheiten und Befreiungen, die ihnen erteilt wurden, gewärten ihnen freie Uebung ihres Gottesdienstes, ihrer Gebräuche, sowie der deutschen Sprache, die sie mitbrachten, und sicherte so ihre Exi stenz." Diese außerordentlichen Privilegien wurden ihnen 1264 von dem Herzoge Boleslaw von Polen , 1295 von dem Herzoge Boleslaw von Schweidnitz, 1299 von dem Herzoge Heinrich von Glogau, 1334 von dem Könige Kasimir dem Großen verliehen. Sie genossen dieselben Vorrechte in Böhmen , Meißen und Tü
ringen. Dieses Volf," färt Lelewel fort, begünstigte die Niederlassung der Deutschen sehr. Bald erhielten einige Individuen oder Korporationen dieser Nation ausnamsweise die Erlaubnis, nach deutschem Geseze zu leben, welches in der Folge auf alle Einwohner des Ortes, wo sie domizilirten, ausgedehnt wurde. Gegen Mitte des dreizehnten Jarhunderts und von da durch vier Jarhunderte vervielfältigten sich solche Privilegien und überzogen Sachsen . Gemeinden, Weilern, Dörfern, Burgflecken, Städten wurde das deutsche Gesez verliehen und das Nationalgesez wurde da abgeschafft. Die Deutschen , welche sich dergestalt unter der Aegide ihrer eigenen Geseze niederließen, brachten ihren Gewerbefleiß und den ausländischen Einfluß mit: bisher unbetante Gebräuche und Ueblichkeiten, eine andere Art der Rechtspflege, Zweikampf und Gottesgericht, ihre Nationalität und ihren Lokalbürgersinn, mieczanstwo; Sympatie für ihr Mutterland, mit welchem sie die vielfältigsten Beziehungen unterhielten und gegen welches sie sich als in einer Art von Abhängigkeit stehend be trachteten, indem sie sich in Rechtssachen an die hohen Gerichte zu Magdeburg , zu Halle und Lübeck wanten. Zugleich entwickelten Kaisergesez und Lehenrechte ihre Gewalt, um die Sicherheit des Landes zu stören.
Im Anfang des fünfzehnten Jarhunderts, also zu einer Zeit, wo das Chasarenreich bereits durch Rußland zertrümmert war, füllten sich nach Lelewel die russischen Städte bis jenseits des Dnjepr mit einer polnischen Bevölkerung, mit Handwerkern, die aus Bolen kamen und deutschen und polnischen Ursprungs waren; jene ließen sich in diesen Städten samt ihrem deutschen magdeburgischen Rechte nieder. Eine große Menge polonisirter Juden überschwemte diese Städte und alle Provinzen.
Im Laufe der Zeit erfolgte, wie man sieht, im Herzen Polens die Polonisirung der eingewanderten Juden. Man flagte später darüber, daß sie die polnische Kleidung, die Tracht des Edelmanns, anlegten, und wollte ihnen das verbieten. Es war aber unmöglich, ihnen eine Kleidung aufzudrängen, die sie als Fremde in Polen erscheinen ließ.
Die Aufgabe der Juden und Polen in Rußland bestand wesentlich in der Organisirung des Verkehrs, in der Einbürgerung von Handel und Handwerk, in der besseren Verwertung der Landwirtschaft. In dieser Richtung haben sie viele Jarhunderte hindurch in beiden östlichen Ländern entschieden nugbringend gewirkt.
Bis zum Plazgreifen des Christentums ist ihre Stellung in Rußland sowol wie in Polen eine sehr günstige. Sie sind geachtet und leben mit der heidnischen Bevölkerung im besten Einvernehmen. Mit dem Christentum erst sind die religiösen Gegensäze gegeben, die von selbst zu Reibungen und Konflikten mittelalterlicher Art, zu Gehässigkeiten und Verfolgungen füren, deren Schauplaz jedoch hauptsächlich Rußland ist. Es fehlt in Polen , namentlich zur Zeit der Jesuitenherschaft, nicht an rohen Ausschreitungen gegen die andersgläubigen Juden, im allgemeinen aber erfreuen sie sich in Polen größerer Toleranz als in Rußland . Nur religiöse Motive sind es, welche den Ausschreitungen in Rußland zu Grunde liegen. Von den Feinden Christi", sagte noch die Kaiserin Elisabet , will ich keinerlei Nuzen ziehen."