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Es handelte sich darum, sie auf Messen und Jarmärkten zuzu-| Schließlich aber wurden sie mit all' der Härte und Grausamkeit lassen.
Im Anfange des vorigen Jarhunderts hat die kirchliche Hezerei gegen die Juden bereits solche Dimensionen angenommen, daß an ihre staatliche Austreibung gedacht wird, die denn auch nicht lange auf sich warten läßt. Am 26. April( 8. Mai) 1727 erfolgte der erste Austreibungsukas. Ihm reiht sich am 11.( 23.) Juli 1740 ein neuer an, zwei Jare später am 2.( 14.) Dezbr. 1742 erfolgte der dritte und am 25. Januar( 6. Februar) 1744 der lezte Ukas, der die Austreibung der Juden aus Altrußland( one Südrußland und Polen ) dekretirt.
Die Zeit der ersten Austreibung folgt unmittelbar dem Tode Peter I. , die sozialen Zustände des großen Reichs sind trostlosester Art, und die ungeheure Masse des Volkes befindet sich in erdrückender Leibeigenschaft; die Volksbildung erhebt nur in den Städten schüchtern das Haupt, das Land aber, die Bauernschaft ist von jeder Bildung und Aufklärung ausgeschlossen, das Volk dumpf und stumpf, eine willenlose Beute der Priester und Aristofraten. Die zweite Austreibung fällt in die lezten Tage der Kaiserin Anna, die am 28. Oktober 1740 starb. Die Austreibung selbst mag der Schreckensherschaft des brutalen und grausamen Biron zufallen. Die beiden lezten Austreibungen gehören der Kaiserin Elisabet an.
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Der ganze Zeitraum dieser Austreibungen zält mit zu den blutigsten und gewalttätigsten der russischen Despotie. Blutige Palastrevolutionen, wahnsinnige Verschwendungen, die nur durch die raffinirteste Ausbeutung des Volkes zu ermöglichen waren, die grenzenloseste Korruption in der Justiz und Verwaltung, die Nichtachtung des Individiums und seiner Menschenrechte u. a. m. farakterisiren im Verein mit blutigen, barbarisch gefürten Kriegen jenes Zeitalter.
Es läßt sich annehmen, daß die Austreibungen häufig durch die Palastrevolutionen in Frage gestellt oder unterbrochen wurden.
ausgefürt, welche von jeher und in jener Zeit ganz besonders den russischen Despotismus ausgezeichnet haben. Vermögensberaubungen, Plünderungen, Gewalt und Mord blieben nicht aus. Der religiöse Haß durfte sich ungestraft äußern und die niedrige Gesinnung ihre verbrecherische Betätigung suchen.
Viele Juden mögen sich nach dem Süden, nach dem alten Chasarien, viele auch nach Polen begeben, ein Bruchteil von ihnen wol auch durch den Uebertritt zum Christentum, der ihnen sofort das ganze Reich in allen Richtungen und Beziehungen erschloß und ihnen volles Bürgerrecht verlieh, der Austreibung und den Verfolgungen sich entzogen haben.
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Wenn sich troz dieser strengen Ausschließung in Rußland noch Juden vorfinden, so sind sie wesentlich infolge der Eroberungskriege gegen die Tataren und Türken sowie gegen die Polen ins Land gekommen. Durch die Einverleibung der eroberten Gebiete wurden die darin wohnenden Juden, deren Zal beiläufig eine sehr beträchtliche und deren bürgerliche Stellung eine außerordentlich günstige war, russische Untertanen, one jedoch wie ihre christlichen Mitbürger damit zugleich das Recht der Freizügigkeit, der freien Niederlassung in den alten Provinzen Rußlands zu erhalten. Die früheren Austreibungsukase wurden nach der Eroberung dieser Gebiete nicht widerrufen; die Austreibung der Juden aber aus den neuerworbenen Gebieten war bei ihrer großen Anzal und ihrer zum Teil sehr nüzlichen Stellung in der Gesellschaft nicht so leicht durchzufüren. So blieb zur Aufrechterhaltung der Judenaustreibungen aus dem Gebiete von Rußland nur der Anachronismus einer Scheidewand zwischen Altrußland und dem neurussischen Gebiete übrig. Altrußland blieb den Juden hermetisch versperrt. Nur spezielle Ausnamen wurden gestattet. Innerhalb der von ihnen bewohnten neurussischen Provinzen sollten sie sich dagegen frei bewegen dürfen.
( Fortsezung folgt.)
Auch ein Stück sozialen Lebens.
( Schluß.)
,, Nun,..... ist aber doch ihr Cousin, da..."
,, Bringt die verwantschaftliche Beziehung schon in eine vertraulichere Annäherung, wollen Sie sagen. Nein, seine Verehrung trägt einen zu leidenschaftlichen Stempel; er soll sie auch bereits vor ihrer Verheiratung geliebt haben, aber er konte nicht um sie anhalten, da die Linie von.... zu der er gehört, eben eine ganz arme ist."
Das Fallen des Vorhanges, und die damit eintretende allgemeine Konversation mit obligater schmetternder Pausenmusik entzog mir das Vergnügen, noch weiterhin die scharfen Beobachtungen der zwei Damen über das innerste Herzensleben der genanten Personen zu vernehmen, doch hatten sie mit dem Eindruck des gesehenen Stückes genügt, mich in eine so aufgeregte, halb menschenfeindliche Stimmung zu versezen, daß es mir unmöglich war, nachhause zu gehen, als ich nach Schluß des Teaters meinen noch avreisenden Freund zur Nachtpost begleitet hatte.
Ich trat in eine der größeren Konditoreien des Ortes ein, wo gewöhnlich meine Bekanten in den Hinterzimmern ihre Whistpartie machten; die vorgerückte Nachtstunde hatte indes Billard- und Spielzimmer bereits geleert, nur zwei Gutsbesizer der Umgegend saßen an dem einen Ecktischchen des Zimmers. Doch in der kleinen Seitenstube mußte gleichfalls noch Gesellschaft sein, lautes Gelächter schallte heraus und wirklich, als sie einer der Kellner jezt rasch öffnete, gewarte ich durch die Türspalte Fräulein d'Houssonville mit zwei anderen Schauspielerinnen, sowie den Baron R....... mit mehreren Offizieren, die sämtlich in der übermütigsten Laune zu sein schienen, wozu der reich mit Champagner besezte Tisch das seinige beitragen mochte. Mich berürte diese Warnehmung so unangenehm, daß ich sofort wieder umgefehrt wäre, hätte man mir nicht eben den vorher schon bestellten Bunsch gebracht, nach dessen erwärmender Glut mein von dem Stehen vor dem windumtosten Posthause durchfrorener Körper lebhaft verlangte.
Wärend ich ihn im brütenden Sinnen über diese zwei Frauen, die unwillkürlich mein Interesse erregten, langsam trank, wurde die auf den Flur fürende Tür heftig geöffnet und Lieutenant von K....... trat herein, sichtlich in sehr aufgeregter Stimmung, die ihm weder erlaubte, die ihm bekannten Gutsbesizer noch mich zu sehen. Er schritt heftig das Zimmer auf und ab, mehrmals zögernd an der Tür jenes Seitenkabinets stehen bleibend. Sein geheimes Verlangen begünstigte plözlich der Zufall: einer der Herren kam heraus, und die Tür halb offen stehen lassend, rief er beim Anblick.......' s lachend zurück: ,, Lupus in fabula... da ist ja......; nun, Fräulein Claire, nehmen Sie ihn gleich einmal in die Ohrenbeichte, um die Gewissensbisse des Rittmeisters zu verscheuchen. Wir sprachen nämlich gerade
davon, liebster.......," wandte er sich mit frivolem Lächeln an diesen, daß es unverantwortlich sei, seine schöne Frau die langen Winterabende so allein zu lassen, wogegen uns Fräulein d'Houssonville die tröstliche Versicherung gab, es werde Ihrer lieben Wanda hoffentlich auch nicht an dem passenden Gesellschafter fehlen."
Das feste, stolze Gesicht von K....... nahm eine dunkle Färbung an; die Hand an seinen Degen legend, stellte er sich in drohender Haltung unter die Tür, die der erste Offizier im Champagnerrausch jezt ganz hatte herumfallen lassen, so daß ich einen völligen Einblick in das kleine Zimmer hatte, auf dessen hochrotem Divan die d'Houssonville in der ihr eigenen freien Haltung, die jedoch der Grazie nicht entbehrte, saß, wärend der Rittmeister auf dem Fauteuil daneben lag, und mit den gläsernen Augen eines sinnlich Betäubten auf den Störenden blickte...
,, Und mit welchem Recht wagen Sie verlorenes Geschöpf die reine edle Frau in gleiche Linie mit sich zu rücken?"
Die Schauspielerin sprang zuckend auf; ihre schwarzen Augen glühten in fast überirdischem Feuer auf, wärend sie die Frage im selben dumpfen Tone zurückgab., Und wer gibt Ihnen das Recht zu behaupten, daß ich auf Fräulein von.......' s Plaz das verlorene Geschöpf von heute wurde, und daß sie die Reine, Edle geworden wäre, wenn sie in dieselben Verhältnisse geriet, die mich heruntergezogen? Und können Sie Ihr Ehrenwort geben, daß Sie nicht heute Abend bei ihr waren, und ihr dort allerlei von Liebe gesprochen haben, die zwar nicht blos sinnlicher Leichtsinn, sondern vielmehr Verrat und Treubruch iſt?"
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Der Rittmeister war bei den Worten der Schauspielerin aufgestanden der Doppelrausch schien ihn langsam zu verlassen, eifersüchtiger Zorn in ihm zu erwachen schließlich war er doch in den äußeren Formen noch Edelmann genug, um das Hineinziehen seiner Gemalin in diesen Kreis als schmälige Kränkung zu empfinden. Ehe er indes sprechen fonte, brach....... mit einer Leidenschaft, die vielleicht lange niedergedrückt, jezt desto heftiger einen Ausweg suchte, bei dem lezten Ton der d'Houssonville los. Ja, ich komme von ihr, ich habe ihr von einer Liebe gesprochen, die Ihre niedrigen Empfindungen niemals auch nur ahnen fönnen... aber wenn sie auf meiner Seite auch ein Verbrechen gegen das Gesez ist... sie hat sich feines Treubruchs schuldig gemacht... sie liebt, sie vergöttert ihren Mann, trozdem er sie mit feilen Dirnen perrät... sie wies den Vorschlag ihres Onkels zur Trennung, den ich ihr übermitteln sollte, mit Entsezen zurück."
Der junge Offizier, den der Schmerz seiner hoffnungslosen Liebe so tief erschüttert haben mußte, daß er hier rückhaltlos alle Familiendiskretion vergaß, bemerkte nicht, wie der Rittmeister an ihn herangetreten war, und jezt schwer die linke Hand auf seinen Arm legte. Ist das alles wahr, Ernst?" fragte er im zähneknirschenden Zorn.