Ja, es ist ebenso wahr wie meine Absicht, in der ich hier herkam, um dir zu sagen, daß du ein Schurke bist, Friz..., daß du nimmer das Weib verdienst, der du vor Gott und Menschen Treue geschworen."
Der Rittmeister hatte seinen Degen gezogen, aber in demselben Moment war sein erhobener Arm von den anderen Offizieren niedergehalten worden. Nicht hier, meine Herren, das muß auf anderer Stelle ausgeglichen werden..."
Der ganze Vorfall hatte nur wenige Minuten ausgefüllt. Die d'Houssonville sah mit fest gepreßten Lippen und seltsamen letargischem Blick über die zwei Männer hin; die anderen Schauspielerinnen hatten sich mit bleichen Gesichtern in eine Ecke des Zimmers gedrückt, wärend zu den an der Orgie teilgenommen habenden Offizieren noch die zwei Gutsbesizer getreten waren, die sich mit jenen bemühten, einen Versuch zur Ausgleichung zu machen. Jeder Süneversuch war indes hier vergeblich, sowol auf Lieutenant von.......' s Seite, der diesen Ausgang provozirt hatte, und mit einem fast glücklichen Ausdruck, der unheimlich gegen R.... s verzerrtes Gesicht abstach, alle Propositionen zurückwies, als auch bei dem Lezteren, der als der beleidigte Teil augenblicklich noch von den verschiedensten Leidenschaften beherrscht wurde; neben der bebenden Wut über die erfarene Schmach und dem Verlangen sich zu rächen, mochte sein Inneres eine tiese Beschämung quälen... er hatte ja gewußt, wie unsäglich ihn seine Frau liebte, und doch mußte er ihr nach manchem Andern noch das lezte bittere Weh zufügen!-
Ich verließ das Lokal, um nicht als gänzlich Unbeteiligter bei der folgenden Vereinbarung eine unliebsame Rolle zu spielen. Von der traurigen Ueberzeugung niedergedrückt, daß hier wieder eine tief moralische Fäulniß das Blut und Leben zweier Menschen fordern werde, one daß damit der Menschheit im geringsten eine sittlich reinigende Warnung errungen wurde. Das Gözenbild der falschen Ehre, die nicht dem Karakter, nur dem Namen huldigt, blieb ruhig darum tronen.
Ich sah die Nachricht voraus, die am nächsten Morgen die Stadt mit Windeseile durchlief... Rittmeister von R....... war im Duell von Lieutenant von..... erschossen worden, wärend Lezterer selbst eine gefärliche Wunde in die linke Seite erhalten. Der Baron hatte den ersten Schuß gehabt und...... verwundet, dieser aber war dadurch nicht sofort fampfunfähig geworden, sondern vermochte mit der rechten Hand noch sicher seinen Schuß zu senden, der R....... gleich niederstreckte... die Kugel war durch das Herz gegangen und der Tod augenblicklich eingetreten.
Der kleine Ort war für eine zeitlang dadurch in die unruhigste Aufregung versezt; man wußte nicht, wen man mehr bedauern oder verdammen sollte, den Rittmeister oder den Lieutenant, der im schweren Wundfieber lag, oder die unglückliche Frau, die dem Wansinn nahe sein sollte. In Bezug auf das Verdammen wurde man indeß bald einig... die d'Houfsonville trug ja unzweifelhaft die Schuld an dem ganzen Unglück... Der Schauspieldirektor fand es unter diesen Umständen daher für geraten,.... zu verlassen, nur eine Abschiedsvorstellung glaubte er in Anbetracht der Reisekosten noch wagen zu dürfen, und wählte dazu das dem Zettel nach schon lange im Einstudiren begriffen gewesene Schiller 'sche Drama Kabale und Liebe ", und zwar mit der d'Houssonville als Louise.
Den Schlauen täuschte seine Hoffnung nicht... Der Teaterjal war noch einmal bis zum Ersticken gefüllt mochte man auch die d'Houssonville bei ihrem Erscheinen mit lautem Zischen und Murren, besonders von den hinteren Bänken her, begrüßen... seine Spekulation war geglückt, er hatte sein Geld in der Tasche und morgen die Stadt im Rücken.
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Seltsam auch ich hatte dem Zuge der Neugierigen folgen und in's Teater gehen müssen, obgleich ich mich selbst verächtlich schalt, die schöne Dichterschöpfung von dieser Frau verkörpert sehen zu wollen, blos um des Rizels willen, bei ihr nach all dem Vorgefallenen irgend eine Gefülserregung zu entdecken. Die anfänglichen tumultiösen Zeichen schwanden noch im ersten Akte, denn merkwürdigerweise spielte heute die d'Houssonville mit einer seelischen Verve einem hinreißenden Ernst, den man nie an ihr, der sonst nur mit den vorderen Sizreihen Kokettirenden wargenommen. Man fonte bei der Nähe der fleinen Büne bemerken, wie ihre Wangen unter der Schminke immer fieberhafter erglüten, und wie die Augen ein Leuchten der tiefsten Schmerzen wiederstralten. Ich muß gestehen, daß mir im weiteren Berlauf der Szene diese Louise angstvolles Herzklopfen erregte- das war feine schauspielerisch geschulte Darstellung; aber ein so naturwahres Ausströmen verborgener Empfindungen, daß mir beim Beginn der Vergiftungsszene zwischen Ferdinand und ihr ein verhängnisvolles Ende der Auffürung unabweislich schien... so sprach nur Eine, die mit dem Leben abgeschlossen hatte.
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Und so war es auch. Schon bei den Worten Ferdinands: " Sorge für deine unsterbliche Seele, Louise!" gewahrte mein scharfes Auge ein frampfhaftes Zuden ihrer Glieder, sie fiel in den nächststehen den Sessel und sagte mit seltsamem Lächeln zu dem entfezt aufhorchen den Ferdinand:
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Ich habe bereits gesorgt- und mir wird sehr übel." ,, Sie hat sich vergiftet in der Limonade war wirklich Gift," schrie der Mensch bei diesen, der Rolle vorgreifenden Worten Louiſen's, erschrocken auf... er sah sich ja von derselben Gefar bedrot.
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Sie nicht"
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weiter
Sie wärte mit den Händen, Sie nicht konte man nichts verstehen, denn auf der Büne und im Zuschauerraum
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entstand nun ein chaotischer Wirrwarr und tosendes Schreien und Untereinanderrufen.
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Fräulein d'Houssonville starb noch in derselben Nacht- man vermutete, daß sie entweder bereits vor der Vorstellung in ihrer Wohnung das Gift genommen haben müsse, oder es erst in das Glas geschüttet habe, nachdem Ferdinand der Rolle gemäß sich abwandte, um nicht zu sehen, wie Louise auf sein Gebot von der Limonade trinkt. Der den Ersteren spielende Schauspieler blieb troz seiner Todesangst ganz gesund, wärend andrerseits auch die Frage, woher die d'Houssonville ein so schnell wirkendes Gift bekommen, unbeantwortet blieb, troz der sorgfältigsten Nachforschungen in beiden Apoteken der Stadt geriet man auf keine Spur eines derartigen Ankaufes in der lezten Zeit. So mußte man die Anname festhalten, daß sie schon in früheren Jaren sich dies Universalmittel moralischer Zerrissenheit zu verschaffen gewußt habe wie hatte ihre jugendliche Lebenskraft aber noch jezt stundenlang in der fürchterlichen Weise dagegen gekämpft!
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Der mir befreundete Arzt, welcher die Unglückliche in ihren lezten Stunden behandelte, erzälte mir, wie er, der durch die Gewonheit gegen menschliches Leiden abgestumpfte Mann, doch so erschüttert an diesem Sterbebett geworden sei, daß er sich durch ihr stammelndes Flehen selbst zu dem ungewönlichen Schritt bewegen ließ, mitten in der Nacht zu Frau von R..... zu gehen, um sie zu der d'Houssonville zu bitten, so lange zu bitten, bis sie ihm endlich folgte. Von der ergreifenden Szene, die sich dann zwischen den zwei Frauen abgespielt, fonte er mir indeß wenig sagen; die Blicke und Geberden der Verscheidenden hatten mehr um Verzeihung gebeten als Worte, die ihr bereits versagt waren. Daß die beim Anblick ihrer Leiden auf's Tiefste erregte Baronin ihr diese in einem leidenschaftlichen Ausbruch der einstigen jugendlichen Sympatie gewärte, ließ sie endlich ruhiger werden, und bald nachher mit fast kindesmüdem Ausdruck des schönen Gesichtes für immer einschlafen. Ein sich vorfindendes umfangreiches Papierpaquet, an die Baronin adressirt, hatte wahrscheinlich die Beichte ihres Lebens, wie die Darlegung der Motive, die sie zulezt zu einem freiwilligen Verlassen desselben führten, enthalten. Ob es ihren excentrischen phantastischen Sinn, der sie wol mit auf die Bahn sittlichen Verderbens geführt, mit unheimlichem Reiz gepackt hatte, so effektvoll zu enden ob sie gehofft, durch diese offene Sühne und das dadurch erregte größere Aufsehen eher den Besuch der Baronin und ihre Vergebung zu erlangen wer kann es wissen?
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Das Frauenherz hat seine unergründlichen Tiefen und die Baronin ließ nie etwas von dem Inhalt jener Papiere verlauten sie verließ D.... vierzehn Tage nach diesen Vorfällen und trat in einen der Lieutenant protestantischen religiösen Orden für Krankenpflege ein. von..... wurde nach seiner Genesung und verbüßten Festungsstrafe zu einem anderen Regiment versezt... ein dunkles Gerücht ließ ihn ein Opfer des im Jahre 68/69 in Ostpreußen herschenden Typhus geworden sein, und seltsamerweise auch die Baronin sie sollte sich unter der Zal der zur Bewältigung der Epidemie dorthin gesandten barmherzigen Schwestern befunden haben, und in eigentümlicher Fügung noch ihrem Kousin die Augen schließen dürfen, ehe sie selbst der allgemeinen Ansteckungsgefahr unterlag.
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Ob dies in Wahrheit so, oder ob nur ein wunderlicher Volksglaube, Personen, die so Erschütterndes erlebt, müßten auch durch ein außerordentliches Geschick noch einmal im Tode zusammengeführt werden, das Gerücht erzeugt hatte?
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Mir blieb das gesellschaftliche Drama eine wehmütig bittere Erinnerung, und beim Anblick junger, befangen niederblickender Mädchen, die vor Kurzem ein Pensionat oder religiöses Stift verlassen haben, drängt sich mir stets die traurige Frage auf, wie viel lebensfähige Keime zur einstigen goldenen Frucht echter Weiblichkeit auf dem Herzens boden haften geblieben sind. Jene echte Weiblichkeit, die sich bei eigener Reinheit ein mildes Urteil für fremde Schwächen bewahren Hätte die Baronin einen Hauch dieser göttlichen Milde besessen, sie würde die Gesunkene, die bei ihrem Anblick die süßen Tage der Kindheit, und damit in sich selbst wieder ein reines Gefül erstehen sah, nicht in tugendprüdem und adelsstolzem Hochmut von sich gestoßen haben und vieles wäre dann ungeschehen geblieben, ja vielleicht auf einen besseren Weg zurückgefürt worden.
fernt.
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C.
Konrad Ekhof. ( Mit Porträt Seite 76.) Wenn die Namen all' der genialen Männer genant werden, die im vorigen Jarhundert den Kampf gegen das bis dahin in Deutschland herschende oberflächliche und unware Wesen aufnamen, dann darf einer nicht vergessen werden, dessen Träger man nicht mit Unrecht den Vater der deutschen Schauspielkunst genant hat: Konrad Ekhof . So großartiges der gewaltige Geist Lessings für die deutsche Kunst geleistet, die Behauptung jenes Zeitgenossen hatte wol ihre Berechtigung als er schrieb:„ Ekhof ist so sicher unter den Schauspielern, was Lessing unter den Dichtern, der Erste, der unerreichbare. ,, Erreicht ist er schon als darstellender Künstler worden, sogar übertroffen, aber ob einer seiner späteren Kollegen den Geist und die Kraft besessen hätte, um den Kampf gegen Unsitten und Unwissenheit mit Erfolg aufzunehmen, ist fraglich. Dabei war er durchaus nicht von der Natur mit der für einen Schauspieler sehr notwenwendigen Eigenschaft, einer schönen Figur, ausgerüstet, und es ist deshalb sein Erfolg um so höher zu schäzen. Was ihm jedoch hierin abging, ersezte seine große Liebe zur Kunst und sein heiliger Eifer, mit dem er