erst mit den Blicken, dann, als er auf dem Schreibtisch allerlei Schriftwerk über- und untereinanderliegen sah, auch mit den Händen.

Mitten auf dem Schreibtisch lag ein großes Löschblatt und darauf ein Briefbeschwerer. Warum sollte. Herr Gabriel nicht nachsehen, was etwa darunter steckte?

Verse me hercule! Dieser prosaische Kerl dichtet. Laß doch sehen! Hm- hm- gar nicht übel!"

Er las das Gedicht vor sich hinmurmelnd und dabei immer sorgsam horchend, ob er nicht Schritte der Tür des Zimmers nahen   hörte, indem er sich befand.

Was ist das

,, gib den Frieden, Frieda, mir zurück!"

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S'ist zum totlachen-hi, hidem fehlt der Frieden- die ewige Seligkeit warscheinlich auch, und das soll ihm die Rieke geben, verrückter Kerl, hi, hi, aber gar nicht übel gesagt, und Frieda nent er die Rieke das ist eigentlich- hi, hi­eine Unverschämtheit, denn meine Coeur- Dame heißt Frieda. Donnerwetter, da komt mir ein Gedanke. Die Verse sind nicht schlecht, aber ich- hi, hi- kann so etwas natürlich viel besser machen, selbstverständlich. Wie wär's, wenn ich mir das Ding abstenographirte und dann so ungefär auf denselben Gedanken, der für mich auch natürlich viel besser paßt, als für diesen Hans im Glück, auch ein Gedicht machte." Wenn ich dann beide meiner Frieda vorlege und ihr zeige, wie ich das Dichten aus dem ff verstehe, gegen diesen hoffnungsvollen Anfänger, hi, hi dann wird sie Respekt friegen."

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Er zog Bleistift und Notiztafel hervor und stenographirte tüchtig drauf los.

Der geistreiche Gabriel war mit seiner Arbeit fertig, als Franz Sten eintrat. Er gab sich Mühe, ein recht harmloses Gesicht zu machen, und das war ihm bei seinen dicken Backen und winzigen Aeuglein eine Kleinigkeit.

Die Herren begrüßten einander. Franz Stein tam seinem Gaste höflich, aber sehr zurückhaltend entgegen, dieser jedoch wußte sich vor Liebenswürdigkeit gar nicht zu lassen und strengte sich sogar an, seiner quäkenden Stimme den Beiklang des Herzlichen zu geben.

Er komme als außerordentlicher Botschafter des kaufmän­nischen Vereins, eröffnete er. Derselbe gebe demnächst ein großes Fest zur Feier des kronprinzlichen Geburtstages. Seine fönig­liche Hoheit habe vor zwei Jaren bei seiner Anwesenheit in der Haupt- und Residenzstadt B., wie Stein ja wol wissen müsse, einen Ball des kaufmännischen Vereins mit seiner allerhöchsten Gegenwart beehrt und sich in der Fülle seiner Huld und Leutseligkeit herabgelassen, mit der Frau des Vereinsvorsizenden die Polonaise zu eröffnen. Zu bleibendem Angedenken dieses für alle Vereins­mitglieder allerhöchst ehrenvollen Ereignisses habe der Verein seinerzeit unter großer Begeisterung und selbstverständlich ein­stimmig beschlossen, bis in alle Ewigkeit den Geburtstag Seiner föniglichen Hoheit als allerhöchste Vereinsfeierlichkeit zu begehen. Nun sei er, Haßler, diesmal auf den Gedanken gekommen, den bevorstehenden vierzigsten Geburtstag des hohen Herrn durch ein Doppelfest zu feiern, nämlich durch eine Sonnabend stattfindende Vorfeier in der Stadt und einen Sonntagsausflug mit den Damen des Vereins in's Gebirge. Dieser Vorschlag habe den allgemeinen Beifall gefunden und man habe beschlossen, den in der Nähe von Seifersdorf befindlichen Schächenberg zum Ziele des Ausflugs zu machen. Dabei komme man nun dicht bei Dabei fomme man nun dicht bei Franz Steins Etablissement und seinem famosen, wirklich ganz famosen Wohnhaus vorbei, und ihm, seinem Freunde und ,, Na,' s ist ja längst kein Geheimnis mehr und keinen Menschen fann's mehr freuen, wie mich, hi, hi!" fügte der liebenswürdige Gabriel etwas sauersüß schmunzelnd und blinzelnd ein ihm, seinem Freunde und zukünftigen Verwanten Gabriel Haßler, habe Franz Stein es zu verdanken, daß alle sechzehn Mitglieder des Vereinsvorstandes in vollster Einmütigkeit ihn ersuchen ließen, das Festarrangement in Seifersdorf zu übernehmen.

Franz Stein, der das Gespräch anfänglich fast one darauf zu achten, angehört hatte, schaute befremdet und keineswegs freundlich auf, als der unwillkommene Besuch in seiner schier endlosen Rede bis zu dieser Zumutung gediehen war. Aber ehe er seiner Ver­wunderung hätte Ausdruck geben können, fing Herrn Gabriels Blappermühle schon wieder zu malen an.

Er, Gabriel, sei wirklich sein Freund und dürfe sich als solcher jedenfalls erlauben, ihn noch auf etwas aufmerksam zu machen.

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geradezu

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der

An dem betreffenden Sonnabende gäbe es natürlich auch ein Souper, und an dem nähme, gewissermaßen als Stellvertreter des Kronprinzen, der herzlich gerne selber kommen würde, aber an seinem Geburtstage doch unmöglich aus seiner Familie fort könne, Seine Excellenz der Generallieutenant von Bommer teil ein urfamoser, alter Herr, der nichts wie schlechte Wize in Kopfe habe und riesig viel essen und noch viel mehr grandios, imposant- kneipen fönne. Diesem hohen Herrn gälte nun immer der dritte Toast bei fraglicher Vereinsfeier erste müßte auf Sr. Majestät den König ausgebracht werden, das mache, meist sehr kurz, jaraus, jarein der Vereinsvorsizende, der zweite feiere das erhabene Geburtstagskind, Se. Königliche Hoheit den Kronprinzen, der werde stets von dem jeweiligen besten Vereinsredner gesprochen, diesmal von einem noch ziemlich jungen Kaufmann, der in Prosa und Poesie geradezu wunderbar reden könne, und dann käme als dritter Haupttoast, der auf Sr. Excellenz, und dieser müßte darum schon etwas besonders schwungvolles sein, weil die Excellenz selber anwesend sei und die liebenswürdige Eigentümlichkeit habe, stets einen Lieutenant mit­zubringen, der gut stenographiren könne und den Toast auf den General Wort für Wort niederschreiben und folgenden Tags Ihrer Excellenz der Frau Generalin beim Tee vordeklamiren müsse. Da sei es denn vor zwei Jaren z. B. vorgekommen, daß der­jenige, welchem die Ehre zu Teil geworden sei, den Toast aus­zubringen, kurze Zeit darauf zu den Gesellschaften im Hause Sr. Exzellenz zugezogen wurde eine Bevorzugung, welche ihm klingende Vorteile in Menge gebracht habe, denn der Betreffende, damals ein vermögensloser Prokurist in einem mittleren Bank­hause freilich ein schöner Mann,- Herr Gabriel blinzelte pfiffig bei dieser Bemerkung habe bald nachher selbst ein Bankhaus eröffnen können und sei jezt der von dem hohen Adel der Provinz gesuchteste Banquier. In leztvergangenem Jare sei aber der Verein kolossal' reingefallen;' s hätte sich nämlich jeder grade zu diesem unter günstigen Umständen so rentablen Toaste gedrängt und schließlich sei dann gelost worden und da sei ein älterer Buchhalter von Fortuna, hi, hi, Fortuna! ficherte Herr Gabriel mit dem Toaste beglückt worden. Der habe sich von einem Studenten den Toast ausarbeiten lassen und dieser, welcher den General fante, sei nichtswürdig genug gewesen, in der Rede alle schwachen Seiten des Generals so malitiös wie möglich zu berühren. So habe denn der unglückliche Buchhalter mit warer Donnerstimme das musterhafte, friedliche und glück­liche Familienleben und die über alle Zweifel erhabene eheliche Treue Sr. Excellenz gepriesen, wärend man in ziemlich weiten Kreisen genau wisse, daß er eine reine Xantippe zur Frau habe und sich troz seines schon recht vorgerückten Alters beständig durch den intimsten Verkehr mit allen für seine Liebenswürdigkeit zugäng­lichen Schauspielerinnen, Tänzerinnen, ja sogar Näterinnen und Puzmacherinen für den ewigen Krieg zu Hause entschädige. Dann sei stadtbekant, daß der General viel und hoch spiele und daher sei es nur natürlich gewesen, daß er es für eine abscheuliche Bosheit gehalten, als der Toastirende donnernd verkündigt habe, er, der General, habe sich die Zuneigung des Publikums spie­lend" erworben.

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Franz Stein hatte mehr als einmal nach der Uhr gesehen er konte das Geschwäz beinahe garnicht mehr ertragen, wenn er auch noch Zeit hatte, es anzuhören. Darum fur er jezt fast schroffen Tones mit der Bemerkung dazwischen:

Ich begreife wirklich nicht, mein Herr Haßler, in welchen Zusammenhang Sie mich bringen wollen mit alledem, was Sie da mir zu erzälen für nötig halten verzeihen Sie, meine Zeit ist heut sehr knapp bemessen."

Er erhob sich ungeduldig. Doch Herr Gabriel Haßler wat nicht so leicht abzuschütteln, er sprang auch von seinem Blaze auf, den er bislang, quedjilbrig hin und her rutschend und hopsend, behauptet hatte und schob sich geschwind zwischen seinen Wirt und die Zimmertür, als hielte er für möglich, daß derselbe ihm ein­fach davonzulaufen versuchen möchte..

Bitte, bitte, nur einen kleinen Augenblick Geduld noch, bin gleich am Ziele", sagte er eifrig. War aber nötig, war ungeheuer nötig, daß ich Ihnen das alles erzälte, liebster, bester Freund Stein, denn sonst vermochten Sie die große und wirklich ehren volle Aufgabe, welche der Vorstand des kaufmännischen Vereins Ihnen zugedacht hat, garnicht zu würdigen. Daß ich mich aber furz faffen kann, wie ein Lafonier furz, hi, hi, sehe ich nicht aus wie so ein alter Spartaner was? das sollen Sie gleich sehen, bester Freund. Also diesmal will niemand von uns auf den