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Toast anbeißen der General lief nämlich noch wärend der Tafel fort und hat monatelang über uns geflucht, hi, hi diese frechen Esel vom kaufmännischen Verein, nante er uns immerdenten Sie Sich nur um Gotteswillen! Endlich nach vieler Mühe und Plage haben wir ihn versöhnt, es hat uns ein Duzend Körbe Champagner, eine ganze Ladung Rehziemer und ein par schwere filberne Armleuchter zu Weihnachten gekostet, und seinem Adjutanten haben wir zu mehreren riesigen Pumpen- natürlich unverzinslich und unkündbar verhelfen müssen, damit er für uns bei jeder Gelegenhenheit ein gutes Wörtchen einlegte, und nun tomt er auch wieder auf unser Fest. Natürlich muß nun die Rede glänzend ausfallen, alle Welt ist gespant darauf, Sr. Excellenz selbst am meisten, und Sie, liebster Freund Stein, Sie, von dem wir wissen, daß er nicht nur eine gründliche Bildung die haben wir, Gott sei Dank! auch, hi, hi sondern auch infolge ihrer Reisen riesige Menschenkentnis und kolossale Gewantheit besizen, Sie, der Sie auch als Sohn eines reichen Rittergutsbesizers und großer Fabrikbesizer eine ansehnliche Stellung in unserer Gesellschaft einnehmen, Sie werden hiermit also, sage ich Ihnen, auf das schmeichelhafteste und ehrenvollste eingeladen, diesen Toast zu übernehmen."
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Der dicke Herr Gabriel hatte sich bei den lezten Worten riesig in die Brust geworfen und stand nun nach Möglicheit hintenüber gebeugt, mit der rechten Hand zwischen Oberhemd und Weste, wärend sich die linke in die Seite stüzte, vor Franz Stein.
Dieser sah seinem Besuch ins Gesicht mit einer Miene, als ob er ernstlich glaubte, derselbe sei nicht mehr recht bei Sinnen. ,, Mir hat der Vorstand des kaufmännischen Vereins diese Ehre zugedacht mir, wirklich mir?" fragte er.
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Herr Gabriel Haßler bejahte mit dem Hinzufügen, daß er,
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Gabriel, allerdings viel dazu beigetragen habe, seinem Freunde Franz Stein zu dieser großen und, wie gesagt, unter Umständen äußerst rentablen Ehre zu verhelfen.
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,, Nun ich danke Ihnen, mein Herr Haßler ich danke auch dem Vorstande des kaufmännischen Vereins sagen Sie demselben jedoch, daß ich auf solche Ehre ein für allemal verzichte. Ich sei nicht aufgelegt, solchen Festen beizuwohnen, und ich sei garnicht dazu angetan, durch geräuschvolle Huldigungen um die Gunst Höhergestellter zu werben."
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und
Herr Haßler toute nicht glauben, daß dies Franz Stein's Ernst sei. Durch den General fönne man mit der Aristokratie und mit den Kreisen der hohen Finanz in B. in intime Berürung kommen, durch den General einen Orden zu bekommen oder Kommerzienrat zu werden, sei geradezu ein Spaß, der General wisse bereits, daß Franz Stein den Toast übernehmen solle, täte dieser es nun nicht, so würde Sr. Exzellenz das als eine persönliche Beleidigung betrachten und dies sei, abgesehen davon, daß sich auch der ganze kaufmännische Verein durch die Zurückweisung seines Anerbietens beleidigt fülen müsse, auf alle Fälle eine bedenkliche und gefärliche Sache. Er solle sich also nicht erst lange zieren-
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" Schlagen Sie ein, liebster, bester Freund Stein," schloß Herr Gabriel jovial, indem er Stein seine fette, furzfingrige Hand entgegenstreckte, schlagen Sie ein, denken Sie an Ihre Excellenz, die Frau Generalin gefällt der Ihr Toast, so sind Sie binnen kurzem das enfant cheri unserer besten Gesellschaft und der Weg zu allen Ehren und Würden im Staate steht Ihnen offen. Ich beneide Sie darum, sage ich Ihnen, ich beneide Sie riesig, aber ich bin zu bescheiden, um selbst auf eine solche Ehre Anspruch zu machen. Schlagen Sie ein!"
( Fortsezung folgt.)
Bibliothek
Von C. Lübeck.
Wir könten mit der Schilderung des Elends, das durch diesen Ukas über die Juden in Podolien und Volhynien hereinbrach, viele Spalten füllen. Man weiß heutzutage auch in Deutschland , was Ausweisungen bedeuten und kann sich das Elend one Mühe vorstellen, besonders wenn man sich erinnert, daß der größte Teil dieser Juden onehin schon in höchst dürftigen Verhältnissen lebte. Und nun wurden diese armen Menschen aufgescheucht, aus allen ihren Existenzverhältnissen gerissen und ins Elend gestoßen. Es zeigte sich bei den Austreibungen so recht die Unwarheit der gegen die Juden erhobenen Anklage, daß sie sich auf Kosten der Bauern bereichert hätten. Es ist dies bei einzelnen Individuen gewiß der Fall gewesen, bei der großen Masse der Juden aber ficher nicht. Hier trat die trostloseste Armut zutage. Der kleine Handel, welchen sie trieben, war im allgemeinen faum zur Bestreitung der bescheidensten Lebensansprüche ausreichend. Von der fümmerlichen Existenz der jüdischen Händler kann sich jedermann heute noch überzeugen, der Gelegenheit findet, die russischen Juden im Kleinhandel zu beobachten. Das Elend kam mächtig zum Vorschein und selbst der russischen Regierung fonte es auf die Dauer nicht verborgen bleiben. Schalten wir hier gleich ein, daß die russische Regierung von vornherein eine Schwierigkeit nicht übersehen hatte, welche durch die Austreibung vom flachen Lande entstehen mußte, die Anhäufung des jüdischen Proletariats in den Städten und die demoralisirende Wirkung dieser Anhäufung. Durch die bekante Verordnung vom Jare 1804 waren die Gouvernements Astrachan und Kaufajien der jüdischen Einwanderung erschlossen worden. Fabrikanten, Landwirten, Handwerkern, Handelsleuten u. f. w. wurde die Niederlassung in Astrachan und Kaukasien sowie der Erwerb von Grund und Boden gestattet, in der betreffenden Verordnung sogar vorgeschrieben, daß Handwerker und Landwirte, die an den ihnen überwiesenen Orten keine Arbeit fänden, sich mit der Bitte um Unterſtüzung au den Generalgouverneur wenden sollten, der wieder den Auftrag erhielt, über jeden einzelnen Fall dem Ministerium zu referiren, das dann über die Unterstützungsfrage zu entscheiden hatte. Es bezog sich dieses Unterstüzungsrecht übrigens nicht nur auf die Gouvernements Astrachan und Kaukasien, sondern überhaupt auf die dünnbevölkerten Gouvernements in Jekaterinoslaw, Cherson ,
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( 2. Fortsezung.)
Krim u. a. den Juden war hier also nicht nur das Niederlassungsrecht eingeräumt, sondern auch der Anspruch auf staatliche Unterstützung.- Das war sehr anerkennenswert und es hätte auch gute Früchte getragen, wenn diese Rechte nicht die russische Regierung zum Hüter besessen hätten. Es verstrich einige Zeit, da entstand plözlich bei Gelegenheit eines Spezialfalls die Frage, ob die Juden in Kaukasien zuzulassen seien. Anstatt nun diese Frage auf Grund der Verordnung von 1804 bejahend zu beantworten, beantragte der Finanzminister beim Ministerkomitee, den Juden die Niederlassung zu verbieten, weil vor der Erwerbung der betreffenden Gebiete den Juden nicht nur die Niederlassung, sondern auch der Marktbesuch verboten gewesen fei. Obgleich den Juden das Recht auf Grund- und Bodenerwerb zugestanden wäre, so seien ihnen doch für bürgerliche und kaufmännische Geschäfte und Gewerbe nur diejenigen Gouvernements erschlossen, welche von Polen erworben worden seien, wo ihnen die Regierung auch Sapitalien zur Errichtung von Fabriken zugesichert hätte. Astrachan und Kaukasien wären ihnen zur Ausübung von Handel und Gewerbe nur für den Fall geöffnet, daß sie in anderen Gouvernements nicht die erforderlichen Existenzmittel fänden. Die Motive dieser vom Ministerkomitee genehmigten Entscheidung, die nur ackerbautreibende Juden zuließ, lagen in der dünn gesäten christlichen landwirtschaftlichen Bevöl kerung jenes Gouvernements und auf der anderen Seite in der Konkurrenz der christlichen Kaufleute, die sich heftig gegen die Zulassung der Juden sträubten.
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Wie alles in Rußland originell zugeht, so war es auch hier der Fall. Am 15. Oftober 1835 wurde die gleiche Frage wieder aufgeworfen und diesmal im entgegengesezten Sinne entschieden. Dann wurde wieder die Austreibung der jüdischen Bauern angeregt, doch erhob der Generalgouverneur Bedenken, da ganze Dörfer und große Güter von den Juden bewohnt, trefflich eingerichtet und gut bewirtschaftet seien. Man beließ diese Juden in Astrachan und Kaukasien und bestätigte 1857 ihre Niederlassungsrechte, verwies jedoch alle anderen Juden des Landes. Da jezt großer Bedarf an Handwerkern vorhanden war, wurde dagegen den jüdischen Handwerkern das Verweilen im Lande auf Grund von Pässen gestattet.