füren wir noch an, wie er bis in sein hohes Alter selbst gar keinen Anstand nahm, die untergeordnetsten Rollen zu spielen, wie er selbst an der Kasse gestanden und Billete abgenommen und die verschiedenen Uebersezungen, welche von ihm herrühren, nicht unter seinem Namen erscheinen ließ und sie sofort unterdrückte, wenn eine neue, bessere er­schien. Diese Selbstlosigkeit ist eines ächten Künstlers würdig und sie erklärt denn auch die große Liebe, welche er für seinen Stand hegte. Der leztere war noch kurz vor seinem Auftreten allgemein mißachtet war doch seine Aufgabe hauptsächlich, seine Mitmenschen zu erlustiren durch ihn wurde seine Bedeutung für das geistige und sittliche Leben eutgiltig begründet und er aus einer Gruppe der Mißachtung zur höchsten Achtung und Wertschäzung in der menschlichen Gesellschaft em­porgehoben.

1776 wurde ihm noch von Mannheim   die Stelle eines Lehrers der Grundsäze der Dramaturgie angetragen und im nächsten Jare erhielt er eine Einladung nach Weimar  , wo er mit dem Herzoge, dem Prinzen Konstantin, Goethe u. a. den Westindier vorstellte. Am 11. Februar 1778 betrat er als Geist im ,, Hamlet  " zum leztenmal die Bühne, seine lezten Worte, die er in seiner schauspielerischen Tätigkeit sprach, waren: ,, Ade, Ade, Gedenke mein!" Den 16. Juni 1778 früh starb er, nachdem er seit Ende 1776 getränkelt. Den nächsten Tag fand auf der schwarz bekleideten Hofbühne eine förmliche Trauerfeierlichkeit statt. Die Leiche wurde auf Kosten der Freimaurerloge beerdigt. Er teilte demnach auch inbezug auf Verlassenschaft das Los der großen Männer Deutschlands  .

Der Stein auf dem gothaer Friedhofe mit der einfachen Inschrift: ,, Hier ruht Ekhof  " ist verschwunden; im Vestibül des dortigen Teaters wurde an seinem hundertjärigen Todestage seine überlebensgroße Mar­morbüste aufgestellt. Ein Aufruf zu einem Denkmal ist unerhört ver­hallt. Seine heute besser situirten Kunstgenossen" scheinen die oben erwänten lezten Worte vergessen zu haben. Fr. Nauert.

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Der Tronfal im Palast Tscheragan. Der mit orientalischer Bracht ausgestattete Sal, den unsere Illustration auf Seite 100 und 101 zeigt, ist der größte und prunkvollste Raum eines der neuesten und schönsten Paläste des türkischen Herschers. Besonders bekant wurde das Gebäude dadurch, daß der Sultan Abdul Aziz   in ihm eines frei­willigen oder unfreiwilligen Todes starb und daß eine Menge Bewaff neter vor und in ihm am 20. Mai 1878 jenen allbefanten Putschversuch machte. Der Palast ist wol erst in diesem Jarhundert erbaut und trägt äußerlich und innerlich durchaus die Physiognomie des byzantinischen Baustils. Entwurf und Ausfürung sind das Werk des türkischen Archi­tekten Ajub Zalin. Im Mittelpunkt des Gebäudes gelegen, genießt man von seinen Fenstern aus eine herliche Aussicht über einen pracht­vollen Park und entgegengesezt über den Bosporus   bis zu der in der Ferne nur in vor dem Blick verschwimmenden Linien sichtbaren Küste Asiens  . So üppig wie das Leben und die Natur überhaupt im Orient, so üppig ist auch der Schmuck, den wir hier nach allen Richtungen gewaren. Die Deckengewölbe sind reich verziert, und werden von Säulen getragen, deren Schäfte aus grünem Marmor, Sockel und Kapitäle aus weißem Marmor hergestellt sind und die parweis verbunden die Funktionen des Tragens ausüben. Dazu die Ballustrade aus weißem Marmor, der mit Fresken geschmückte Stuck, welcher zur Dekoration der Wände des Sals verwant wurde, die kostbaren Teppiche als Fußbodenschmuck, die wertvollen Lustres und Kandelaber und die orientalische Farbenpracht, in der alles stralt, das alles macht in Summa einen Eindruck, wie wir Nord­länder ihn nicht gewönt sind. Wer in den architektonischen und orna­mentalen Formen zu lesen imstande ist, der wird uns beistimmen, wenn wir behaupten, daß man hierin einen sehr lebendigen Ausdruck des Fühlens und Denkens des betreffenden Volkes findet, und so zeigt sich denn auch in der Ausschmückung unseres Sales die Herschaft des Phan­tastischen, wie sie dem Morgenländer eigen und eines seiner hervor­ragendsten Merkmale ist.

Aus allen Winkeln der Zeitliteratur.

ff.

Schauspieler- Gehälter vor 100 Jaren. Wenn man die kolossalen Summen, die eine Patti und die Lucca   bekomt, um nur an einem Abend ihre Stimme hören zu lassen, mit denen vergleicht, die vor hundert Jaren an ganz bedeutende, sogar für die Entwicklung des Teaters hochverdiente Künstler gezalt wurden, dann merkt man so recht den Fortschritt, welcher bis heute gemacht wurde. 1740 begann Schöne mann am 12. Januar zu Lüneburg   mit einem Personal von 11 Köpfen seine Laufbahn als selbständiger Teaterunternehmer. Nach seinem eignen

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Tagebuche betrug nun die Summe, welche er für wöchentlichen Gehalt ausgeben mußte, in summa summarum 16 Taler 8 Groschen. Davon erhielten 4 Glieder der Truppe je 2 Taler Wochengage; die niedrigste betrug 1 Taler 8 Gr. Ebensoviel erhielten auch die 4 beschäftigten Schneidergehilfen. Ekhof, der hier seine künstlerische Laufbahn begann, er­hielt pro Woche 1 Taler 16 Gr., also wenig über 5 Gr. per Tag, wärend für die Zettelträger und einen Zimmermann 6 Groschen Tagelohn gebucht sind. Beachtet man nun, daß die Ausgaben für notwendige Dinge dem entsprechend hoch waren, was aus der schönemannschen Notiz: ,, Vor mich ein par Schuh 1 Thlr. 4 Gr." hervorgeht, so möchte eine solche Künstler­existenz geradezu als ein Kunststück erscheinen. Der Prinzipal Schönemann zalte für Hausmiete wöchentlich 2 Thaler, für seine Haushaltung zwi­schen 4 und 5 Thaler die Woche. Die Zettel für jede Vorstellung kosteten 20 Gr. Die Beleuchtung des ganzen Teaters mit Talglichter foſtete 1 Thlr., die ,, Musike vor einen Tag 1 Thlr. 8 Gr." Nach alledem ist es auch nicht zu verwundern, wenn die später mit Ackermann selbstän­dig gewordene Frau Schröder sich von der Gesellschaft trente, weil ihr eine Gehaltszulage von 12 Groschen wöchentlich nicht gewärt wurde. Kohlhardt, durch sein Spiel unter der Neuberin   berümt, hatte nie mehr als fünf Gulden die Woche erhalten und der später als Direktor be­kante Koch verlangte in der lezten Periode die unerhörte Gage von wöchentlich neun Gulden! Und die Ackermann, Ethof, Schönemann, Koch waren die Geister, welche vor und zu Lessings Zeit die Schau­spielkunst förderten! Wenn man gegenüber solchen Tatsachen die her­lichen Tempel, die in der Neuzeit der dramatischen Kunst erbaut wur den, betrachtet, so wird einem erst klar, wie großen Dank wir diesen Männern schuldig sind!

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nrt.

Die frommen Amerikaner. In einer sehr beachtenswerten Arbeit im ,, Ausland" gibt F. v. Hellwald die Summen, welche die christliche Bevölkerung in den Vereinigten Staaten  " 1875 für Kirchen- und Missionszwecke aufbrachten auf 200 millionen Dollar an, wovon allein 49 millionen für Honorirung der Geistlichkeit verausgabt wurden. Die Metodistenkirche verbrauchte zu diesem Zweck 10, die Baptistenkirche 8, die Kongregationalisten 5, die Presbyterianer 3, die englische   Hoffirche 3, andere evangelische Gemeinschaften 9, die Unitarianer und Univer­ſaliſten 3 und die römisch- katolische Kirche 8 millionen Dollar. Philadelphia   hatte 1876 allein 554 Kirchen, Kapellen und Versamlungs­häuser zu religiösen Zwecken. Darunter sind 13 deutsch  - lutherische, 20 deutsch  - reformirte und 43 römisch- katolische Kirchen, 3 Mennoniten­Bethäuser, 14 der Quäfer, 10 Synagogen und der Reſt verteilt sich auf die verschiedenen anderen Sekten. Vor 100 Jaren gab es in den Vereinigten Staaten  " höchstens 25 römisch- katolische Priester; 1800 soll sich ihre 3al auf 40 belaufen haben; 1830 waren es 232 und 1848 bereits 890. Aber 1862 waren die Häupter der Priester­schaft bereits an 8al auf 2317, 1872 auf 4809, 1875 endlich nach der amtlichen Statistit auf 5074 gestiegen. Zugleich gab es in diesem Jare 1275, welche Teologie studirten und 6528 römisch- katolische Kirchen und Kapellen. Leztere Religionsgemeinschaft zälte in den Vereinigten Staaten  1875 33 teologische Seminare, 63 Kollegien, 557 Akademien und höhere Schulen, 1645 Pfarrschulen, 214 Asyle und 96 Hospitäler in ihrer Ge­meinschaft. 1850 hatten die Katoliken ebenda 1222 Kirchen, 1870 schon 3806. Und damit man sieht, daß diese frommen Leute der Astese auch in Amerika   nicht in der Praxis besonders stark huldigen, bemerke ich noch, daß der Wert des Eigentums der katolischen Kirche 1850 9 256 758 Dollar betrug, wärend derselbe 1870 schon auf 60 985 566 Dollar angewachsen war. Wenn man diese von Jar zu Jar steigenden Ziffern betrachtet, so gewint es den Anschein, als sei auch für die schwarzen Väter der amerikanische   Boden garnicht so ungünstig!

ff.

Papierproduktion. Man hat berechnet, daß in der ganzen Welt an Papier aus allen möglichen Bestandteilen, wie Leinen, Hanf, Stroh. Holz, Jute, Reis 2c. järlich 900 mill. Kilogramm fabrizirt werden. Die Hälfte dieser Quantität wird für die Presse verwendet, der Rest zu ver­schiedenen Zweden  ; etwa 100 mill. Kilogr. für Staatszwede, 90 mill. für Unterrichts-, 120 millionen für Handels-, 90 millionen für indu strielle Zwecke und etwa 50 millionen für Privatkorrespondenz. In fast 4000 Papierfabriken arbeiten 90 000 Männer und doppelt so viele Frauen. Die Vereinigten Staaten haben hier natürlich wieder den Löwenanteil; 2 millionen Kilogramm wird eingefürt, 190 millionen Kilogramm ausgefürt.

Inhalt. Jm Kampf wider alle. Roman von Ferd. Stiller. Von Edinburg   in's Hochland. Jm Dorf der Schmied. Eine Geschichte ( Schluß.) Der Tronsal im Palast Tscheragan.( Mit Illustration.) hundert Jaren. Die frommen Amerikaner. Papierproduktion.

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-S.

( Forts.)- Judenhezen in Rußland  . Von C. Lübed.( Forts.) aus dem Elsaß   von Dr. Max Vogler.( Forts.) Konrad Ekhof  . Aus allen Winkeln der Zeitliteratur: Schauspieler- Gehälter vor

Verantwortlicher Redakteur Bruno Geiser   in Stuttgart.  ( Neue Weinsteige 23.)- Expedition: Ludwigstraße 26 in Stuttgart  . Druck und Verlag von Franz Goldhausen in Stuttgart  .