Rock mit dunklen Knöpfen, der hinter einem dicken Baum auf einer Rasenbank gesessen hatte und sich, als er die Nahenden erkannte, erhob und grüßte.
,, Guten Tag, Werner," sagte Stein und wollte vorüber.
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Aber Werner mußte etwas auf dem Herzen haben. Er stotterte: Erlauben Sie, Herr Stein, verzeihen Sie mir," und dabei drehte er die rotumrandete Dienstmüze verlegen in der Hand um und herum.
,, Wollen Sie etwas von mir, Werner?"
,, Ach, nehmen Sie mir's nur nicht übel, Herr Stein. Aber ich muß es Ihnen doch sagen. Se. Durchlaucht leidet keinen Ungehorsam, das wissen Sie."
Hat Ihnen Ihr Herr, der Fürst, aufgetragen, mir etwas zu sagen?" fragte Franz Stein verwundert.
„ Ja, freilich, das hat er, das heißt, der Herr Obergärtner hat uns, den Gärtnergehilfen und Parkaussehern, erklärt, daß Se. Durchlaucht befohlen haben, der Fabrikbesitzer Herr Franz Stein wäre ein Feind von Sr. Durchlaucht und dürfte niemals mehr auf dem Grund und Boden von Sr. Durchlaucht geduldet werden."
Der alte Werner war bei diesen Worten kupferrot geworden, solche Mühe hatte es ihn gekostet, sie hervorzubringen. Jezt drehte er wieder die Müze und sah seitwärts zu Boden mit einem Blick wie ein Schulbube, der eben auf einer großen Sünde ertappt worden ist.
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,, Um Gotteswillen, Franz, was hat das zu bedeuten?" rief Frieda beängstigt, indem sie sich an Franz anschmiegte. Franz Steins Gesicht war sehr ernst geworden, aber er war ganz ruhig, und seine Stimme klang voll und vornehm, als er erwiderte: Beruhige dich, Geliebte. Ich bin zwar kein Feind des Fürsten , wie ich keines Menschen Feind bin; aber der Fürst ist, wie ich heut wiederum warnehmen muß, mein Feind, und da er hier der Herr ist, so werden wir gehen, mein Kind, und nicht wiederkehren unter diese herlichen Buchen und Eichen, deren balsamischer Hauch uns so oft erfrischt und beglückt hat."
Er griff nach seiner Börse und drückte dem Parkaufseher einen harten Taler in die Hand.
,, Das für die Mühe, mein Alter. Ihr tut mir leid- ich möchte in Eurem Rocke nicht stecken."
Des alten Werner runzliches Gesicht färbte sich noch tiefer dunkelrot als vorher. dunkelrot als vorher. Es war, als wenn er das Geld nicht nemen wollte, aber er mochte die Trinkgelder doch gar zu lieb und gar zu nötig haben; drum hielt er den Taler fest, aber was er sagen wollte, blieb ihm total in der Kehle stecken, nur den Mund sperrte er weit auf und machte eine Verbeugung, wie er sie vor keinem Kaiser tiefer und devoter fertig gebracht hätte. Franz Stein hatte sich indessen umgewendet und ging nun mit seinem Mädchen raschen Schrittes und hoch erhobenen Hauptes den Weg zurück, den sie gekommen waren. ( Fortsezung folgt.)
P. K. Rosegger, ein echter und rechter Volksdichter.
Von Manfred Wittich.
Man hat nicht unrecht, wenn man behauptet, nur dasjenige Gedicht kann einer verstehen, dessen Inhalt er selbst handelnd oder leidend in eigenster Person erfaren und erlebt hat. Unsere Schulfnaben werden sicher von goethes Liebeslyrik keine Empfindung erhalten haben, troz aller sonst heute gar vielfach zu be= merkenden Frühreife und Schnelllebigkeit der jüngeren Schichten! Dasselbe Gesez läßt sich aber in noch viel höherem Grade umgefert auf den schaffenden Künstler anwenden. Bei aller Freiheit, über welche die Einbildungskraft verfügt, hat noch kein Dichter genius, auch der gewaltigste nicht, ein Bild, ein Phantasma, ganz frei erfunden, ganz aus sich selbst geschaffen, dessen Gliedmaßen, um mich so auszudrücken, nicht auf vorhergehende Erfarungen zurückzufüren wären, dessen einzelne Teile er nicht mit eignen Augen, sei es auch an verschiedenen Wesen, an verschiedenen Orten gesehen hätte. Mit andern Worten: die Phantasie, selbst die kühnste, schafft nicht a priori, d. h. voraussezungslos, sie saugt nichts aus den Fingern. Tut sie es, oder vielmehr versucht sie es dennoch, so verstößt sie gegen jenen Grund- und Fundamentalsaz der Poesie, gegen die Forderung dichterischer Warheit. Alle Kunst würde demnach erheischen, daß der ausübende Künstler Erlebnisse und Beobachtungen seines eigenen Daseins als einzige Quelle nuzen und von Fremdem nur das annehmen sollte, was er durch eigne Beobachtung in der Wirklichkeit wiedergefunden, und als wirklich bestätigt gesehen hat.
Wie oft aber finden wir Verstöße gegen dieses Gesez! Selbst Schiller, unser hochgefeierter Dramendichter, gesteht von seinen ersten Schauspielen, daß er in ihnen statt Menschen Engel und Teufel gezeichnet habe! Bei der Geschmacksrichtung des Lesepublikums und einem dem entsprechenden Bestreben der Dichter, namentlich der Roman- und Novellenschreiber, ihre Erzälungen in hohen und höchsten Gesellschaftskreisen spielen zu lassen, die oft ein solcher armer Schlucker kaum von ferne gesehen, gewiß aber nicht näher kennen gelernt hat, haben wir eine Menge ganz unmöglicher Bilder des Hoflebens, Szenen aus dem Salon, die so schön oder so scheußlich, je nachdem, wol nirgend sich je ereignen dürften, noch weniger sich je ereignet haben. Es ist nicht meine Absicht, den von Schiller und Goethe bereits so ziemlich zum Austrag gebrachten Streit zwischen Naturwarheit und Kunstwarheit vorzufüren, zu untersuchen, wo die Grenze des Realismus, der wirklichkeitsgetreuen Darstellungsweise ist: ich spreche nur von den poetischen Kunstgattungen, die als Stoff der Darstellung das moderne Leben haben, welches von jedem Leser mitgelebt, von jedem deshalb nachgeprüft werden kann, falls er sich
in jene Gesellschaftsschichten begibt, das Leben der Schriftsteller beschreibt. Besonders habe ich im Auge die Geschichten aus dem bäuerlichen Leben. Berthold Auerbach hat das schöne Wort „ Salontiroler" erfunden, mit dem er die unwaren Bilder von Bauern vieler Autoren strafweis bezeichnet, aber das hat ihn nicht abgehalten, selbst seine Bauernmägde und Knechte, Gemsjäger und andere Naturmenschen zu Trägern seiner spinozistischen Philosopheme zu machen. Daneben sollte ein niederländisch treu geschilderter Düngerhausen die viel wichtigere Naturwarheit der menschlichen Vorgänge und Zustände innerlich und äußerlich verdeutlichen. Das ist unzulänglich. Der Dichter fordert von uns: willst den Dichter du verstehn, mußt in Dichters Lande gehen." Wir fordern aber mit gleichem Rechte von diesem: ,, willst du das Volk zeichnen, so mußt du es aufsuchen bei seiner Arbeit," wie das allerdings treffende Schlagwort lautet, es genau beobachten und treu studiren; er muß es endlich auch lieben, und mit ihm verwachsen, kurzum, muß selbst Volt sein, aber freilich in einem ganz anderen, höheren Sinne als unser reichsgewaltiger Kanzler dies von sich behauptet.
Unsere heutige Aesthetik glaubt aber nicht mehr an eingeborene platonische Urideen im Haupte des Poeten, sondern sie weiß, daß eine Idee, ein Urbild, ein typisches Bild für eine ganze Klasse von Begriffen sich im Menschenhirn erst bilden kann nach Warnemung von tausenden Einzelexemplaren der Gattung, um die es sich handelt. Je zalreicher diese Einzelwarnemungen sind, desto schärfer und naturgetreuer wird der schöpferische Genius seine Konterfeis herstellen können. Der größte Künstler, das fordert Schlegel in einem Saze in seinem Atenäum, muß imstande sein, sich jeden Augenblick( d. h. im nötigen Falle) auf jeden Standpunkt zn stellen! Eine schwere Aufgabe, deren Lösung erst möglich ist nach einem langen Leben voll eifriger Beobachtung und eifrigsten Studiums. Sehr wenigen nur wird es gelingen, daß bei glücklichen Anlagen, eisernem Fleiß und günstigen beglei tenden Umständen ihr innerer Mensch dieseman stoße sich nicht an das tadelnd klingende Wort! Kautschukmannsnatur erlangt!
Daher komt es denn, daß wenige Dichter von allen Gebieten des Lebens gleich treue Nachbildungen zu liefern imstande sind. Die Notwendigkeit der Arbeitsteilung hat auch auf dem Gebiet der Kunst Spezialisten gebildet.
In folgenden Zeilen will ich kurz einen Zeitgenossen besprechen, der auf dem Gebiete der Boltsdarstellung ganz hervorragendes geleistet hat. Ich meine P. R. Rosegger .