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Auf dem Wege nach seiner Wohnung in der Stadt überlegte er sich hin und her, ob es für ihn nicht noch andere Auswege gebe, als den eines Abkommens mit dem zähen und ihm so recht un­mpatischen Specht.

Bei dem fürstlichen Generaldirektor war er sicher, wieder zu Gnaden aufgenommen zu werden und das alte liebenswürdige Entgegenkommen zu finden, wenn er sich in politischer Beziehung seinem, des Generaldirektors, Einfluß unterwarf. Aber dieses Mittel wäre für ihn auch unter noch viel schlimmeren Umständen völlig unanwendbar gewesen; er sah darin eine Karakterlosigkeit, zu der er sich nun und nimmer verstehen konnte.

Plözlich kam ihm ein guter Gedanke. Zwischen seinem Anwesen und der neuen Eisenbahnstation zogen sich an das Gut des Weidenbauers angrenzende Felder hin, welche dem Bischof gehörten. War nun mit Specht nicht zu einem erträg­lichen Abschluß zu kommen, so konte er immer noch einen Teil der Felder, soviel davon eben zur Anlegung eines Weges not­wendig war, ankaufen. Mit den Geschäftsfürern des Bischofs ließ sich reden, sie waren zwar nicht guten Worten, destomehr aber gutem Gelde zugänglich- der Bischof selbst galt als geizig und stets bereit, ein gutes Geschäft zu machen. Wenn es nun nicht anders ging, so mußte eben der Wert des fraglichen Terrains zwei oder höchstens dreimal bezalt werden, dann war es sicher zu haben..

Doch nein fur Franz Stein in seinem Gedankengange fort, jedenfalls war es nicht flug, die Unterhandlungen mit den Leuten des Bischofs zu vertagen, bis die Auseinandersezung

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mit Specht resultatlos beendet war. Sofort mußte damit be­gonnen und die Lust des einen Teils, sich zu übermäßigen For­derungen zu versteigen, durch die Aussicht der Einigung mit den andern im Schach gehalten werden.

So müßte sich die Sache jedenfalls machen lassen- meinte Stein. Hatte er doch auch acht bis zehn Tage Zeit vor sich, es galt nun, diese nicht ungenüzt verstreichen zu lassen.

Morgen in aller Frühe wollte er zu dem Gutsverwalter des Bischofs. In seiner kurzen, aber doch erfarungsreichen geschäft­lichen Laufbahn hatte er bereits erkennen gelernt, daß bei ge­schäftlichen Verhandlungen genau so, wie bei diplomatischen Haupt- und Staatsaktionen oft viel mehr gewonnen ist, wenn man die Diener in sein Interesse gezogen, als wenn man sich zuerst mit dem Herrn in's Einvernehmen zu sezen versucht hat.

Am nächsten Morgen kehrte Franz Stein mit dem ersten Zuge nach Seifersdorf zurück.

Am Abende hatte er Frieda nicht aufgesucht, weil er fürchtete, ihr zu verraten, daß wiederum geschäftliche Sorgen ihn bedrückten. Nun ging der erste Eisenbahnzug, dessen er sich bedienen mußte, wollte er nicht den ganzen Vormittag versäumen, so früh ab, daß er sie überhaupt nicht besuchen konte. Er schrieb ihr darum ein par flüchtige Zeilen, in denen er die Geliebte bat, sie möge ihm ja nicht böse werden ob der scheinbaren Vernachlässigung, seine Geschäfte seien so grausam gewesen, ihm nicht eine freie und frohe Minute an ihrer Seite zu gönnen; binnen wenigen Tagen werde er das Versäumte nachholen.

( Fortsezung folgt.)

Die deutschen Frauen im Zeitalter der Minnepoesie.

Von Manfred Bittich.

Wir haben vor einiger Zeit die deutschen Frauen des heid­nischen Altertums betrachtet, in dem jezt zu behandelnden Zeit raum haben wir zunächst zu erörtern, in welcher Weise das Christentum Geltung und Stellung der Frau beeinflußte.

Die Lehre des großen Nazareners, welche bedingt das Evan­gelium der Gleichheit aller predigte, fam bis zu einem gewissen Grade auch dem andern Geschlecht zugute. Spielten doch die Spielten doch die Frauen eine gar bedeutende Rolle in der ersten Entwicklung der neuen, weltbewegenden Genossenschaft, welche sich um den Zimmer­mannssohn kristallisirte. Wir erinnern wieder an die fast instinktiv zunemende Hochachtung vor dem Weibe als Mutter. Der neue Prophet hatte auch eine Mutter; selbstverständlich genug, daß ein Teil des Glanzes von ihrem als Gott verehrten Sohne auf sie zurückfiel. Als das menschlich wesentliche Werkzeug, durch welches der neuen Religionsgemeinde ihr Heiland geschenkt ward, konte sie nicht übersehen werden, sondern mußte bei Frauen sowol als bei Männern eine hohe Geltung erlangen, welche sich später zu einer göttlichen Verehrung steigern sollte, so zwar, daß fast die Dreieinigkeit in Schatten gestellt wurde.

Und alle Frauen waren Maria's, der Gottesmutter, Genossinnen und Schwestern! Auch haben die Frauen in der christlichen Pro­paganda eine ganz unberechenbare Bedeutung. Wir könten eine gute Reihe von weiblichen Agitatoren für die neue Lehre auf füren, wenn wir nicht fürchteten, weitschweifig zu werden. Christus selbst unterschäzte diese praktische Bedeutung des Geschlechtes, namentlich seinen Einfluß auf die zarte Jugend keineswegs und es ist sicherlich eine von Goethe richtig erkante Tatsache, die er ausspricht in den Worten im ewigen Juden":

,, Wie er den Weg zur Weiblein- Brust Bon alten Zeiten wol noch wußt," und damit tatsächlich nur einen historisch beglaubigten Zug, jene magische Gewalt des neuen Heilands auf Frauengemüter, nach zeichnete.

Aber wie stand es mit jenen Frauen, welche sich auf religiös- kon­servativen, also heidnischen Standpunkt stellten? mit den Seherinnen und Prophetinnen der altgermanischen Religion? Kampf bis auf's Messer lautete hier auch dem Weib gegenüber die Losung! Auch der alte Wodanhimmel bekam seine zalreichen Märtyrer und Märtyrerinnen; freilich fand die besiegte Sache feine schreibfertigen Geschichtschreiber wie die neue Kirche, die nicht nur über Hände und Federn, sondern bald auch über den weltlichen Arm" ver­fügte. Zum Tei! unechte Beschlüsse der Kirchenversammlungen des vierten Jarhunderts, namentlich aber eine betreffs ihrer Echt­heit angezweifelte Schrift Augustins, dienten als Unterlage für

kirchliche Bestimmungen, welche den Kulturkampf gegen die nun sogenanten Heren aufnamen und von der weltlichen Macht be­stätigt wurden. Aus den Hirngespinsten übereifriger Teologen entwickelte sich allgemach eine ganze Teufelslehre und Herendogmatik. Die Bulle des Papstes Innozens VIII. vom 5( 32) Dezember 1484 entzündete auf deutschem Boden tausende von Scheiterhaufen. Gegen die angeblich vom Teufel Besessenen entband sich die damalige Rechtspflege aller Verpflichtungen der Menschlichkeit und Sittlichkeit und schlug ihre berüchtigten Folterkammern auf, in denen fanatische Wut und bestialische Roheit mit Wollust ge= part warhaft teuflische Orgien feierten, zum großen Ruhme Gottes und von Rechtswegen". Jedes weibliche Schamgefül ward mit Füßen getreten und ungezälte Frauen wurden an Leib und Seele stückweis hingemordet, daneben auch hunderte von Männern, von denen die Mehrzal ihren Ankampf gegen diese Greuel büßen mußte. Aus naheliegenden Gründen verzichte ich darauf, den Schleier von jenen entsezlichen Bildern zu lüpfen; um meiner Leser und um meiner selbst willen schenke ich es mir. Es genüge die Bemerkung, daß selbst die entartetste Phantasie durch die grauenvolle geschichtliche Wirklichkeit übertroffen wird, wenn man die Akten der einschlagenden Vorgänge kennen lernt.

Eines sei nur nachgetragen. Auf Grund der Geschichte vom Sündenfalle wurde dogmatisch der Verlust des Paradieses durch den Apfelbiß der genäschigen Eva dem ganzen Geschlecht auf Rechnung gesezt und folgerichtig dieses als sündig und unrein von Anbeginn herabgedrückt. Wahnsinn war es freilich, aber er hatte seine grauenvolle Metode. Ihn zu geißeln gibt es keine genügend scharfen Ausdrücke, und eine Entrüstung in die Ver­gangenheit ist höchst überflüssig, da es auch unserer Zeit an Gegenständen für diese Gemütsregung durchaus nicht gebricht. Erst 1782 fiel zu Glarus   in der Schweiz   das lezte Opfer dieser wahnsinnigen Seuche!

Wir haben mit dieser Erörterung über die uns beschäftigende Zeit hinausgegriffen, aber die Anfänge der betreffenden Erschei­nung liegen schon im besten Mittelalter grauenvoll zu Tage. Wenn der Frauenliebe zu entsagen für ein gutes Werk galt, so ist diese unnatürliche Lehre schon beinahe verbrecherisch zu nennen und nur zu entschuldigen durch den Rechtssaz: volenti non fit injuria, d. i.: dem Wollenden geschieht kein Unrecht; aber diese Entschuldigung ist für zalreiche Fälle nicht statthaft und weiter war diese Willensverbildung schon ein Unrecht.

Ziehen wir die Bilanz, so finden wir, daß in der Frauen­stellung das Christentum mehr Schaden gestiftet als Nuzen ge­bracht hat, selbst die gesezgeberischen Milderungen in Anbetracht