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wie dies sich auch später noch zeigt, daß die Poeterei an solchen Ent­schlüssen schuld, und wollte ihn so wenig fante auch die einzige Vertrauensperson der Familie ihn! davon kuriren. Aber diesmal ließ er sich nicht abhalten, schon im November verließ er mit der Schwester Paris  , die dort und auch schon auf der Hinreise in Mannskleidern aufgetreten war, begleitete dieselbe nach Frankfurt   a. M., von wo aus Ulrike nach der Heimat, Kleist aber nach der Schweiz  reifte, wo er im Dezember( in Basel  ) eintraf.

Zschokke  , den er in Basel   zu treffen gehofft hatte, war nach Bern  gegangen und so reiste auch Kleist nach dort und wurde von ersterem herzlichst empfangen. Sein heimliches inneres Leiden, der schwermütige Zug zogen Zschoffe an und waren Ursache, daß er ihm mit der liebe­vollsten Sympatie begegnete, ihn in seinem Vorhaben förderte und ihm zu lehrreichen Bekantschaften verhalf. Zudem wollte sich auch sein neuer Freund ankaufen und so betrieben sie denn diese ihre Projekte ge­meinschaftlich, die denn auch in dem Kauf eines Gutes am thuner See ihren Abschluß finden sollten, welches fast gereifte Projekt sich schließlich wegen der friegerischen Verhältnisse Europas   zerschlug. Was aber ganz besonderen Einfluß auf ihn übte, das war die Bekantschaft mit Ludwig Wieland  , dem Sohn des Dichters, und mit dem Buchhändler Geßner in Bern  : eine Gesellschaft, die ganz besonders geeignet war, seine poetischen Neigungen zu fördern. Hier mag er, in diesem kleinen Kreise, schon einen ersten Entwurf seiner Familie Schroffenstein" vor­gelesen haben, denn Wieland schrieb seinem Vater von dem großen dra­matischen Genie, das er in Kleist   entdeckt habe, trozdem die lustigen Freunde, als er ihnen diesen Entwurf vorlas, beim lezten Aft über dieses Schauergemälde in ein stürmisches Gelächter ausbrachen und in das auch Kleist wol oder übel einstimmen mußte. Auf Wielands Wunsch arbeitete er das Stück auch um und verlegte die Handlung von Spanien  nach der Schweiz  .

In jene Zeit fällt auch die Anregung zu seinem allbekanten Lust­spiel Der zerbrochne Krug  ". In Zschokkes Zimmer hing nämlich ein französischer Kupferstich, der diese Unterschrift trug und in dessen Fi­guren sie ein trauriges Liebespar, eine feifende Mutter mit einem Mojolifakruge und einen großnasigen Richter erkennen wollten. Kurz, dieses Bild brachte die Freunde auf den Einfall, den Stoff zu bear­beiten und zwar jeder in anderer Weise. Wieland sollte eine Satyre, Bichotte eine Erzälung und Kleist ein Lustspiel darüber schreiben. Kleist  trug mit seinem genanten Stück bei dieser Konkurrenz den Sieg davon. Noch zu einem anderen Werk, zu dem Trauerspiel ,, Leopold v. Defter­reich", wurde er in der Schweiz   angeregt und fand den Stoff dazu in der schweizer Geschichte. Auch hatte er von diesem Stück schon einen Aft vollendet der sich, wie von einem persönlichen Freunde des Dichters versichert wird, durch gewaltige Wirkung ausgezeichnet haben soll, doch ist sein Werk mit vielem anderen in einer unglücklichen Stunde von ihm vernichtet worden.

Vom April dieses Jares ab wohnte er ganz allein auf einer Insel in der Aare, am Ausfluß des Thunersees, eingeschlossen von den Alpen. Auf der Insel wohnte außer ihm nur eine Fischerfamilie, die ihm eine ihrer beiden Töchter zur Fürung der Wirtschaft abgetreten hatte, und scheint er mit dem schönen schweizer ,, Mädeli" ein kleines Liebesver­hältnis gehabt zu haben, das aber nach der Mitteilung Bülows damit sein Ende erreichte, daß sein Mädeli" einem Offizier schließlich den Borzug gab. Sier in dieser idyllischen Gegend und bei seiner jezt ebenso idyllischen Lebensweise mag er denn auch zum erstenmale das Glück gefunden haben, das ihm so oft gefehlt und nach dem er sich so oft gesehnt. Und so fehlte es ihm denn auch nicht an Schaffensluft und außer den bereits genanten Gedichten arbeitete er auch am Ideal seines Lebens, dem Robert Guiskard  ".

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( Schluß folgt.)

Ein Nachtbild aus der Gesellschaft.( Jllustr. S. 161 u. 62.) Ein eisigkalter Abend ist dem mehrtägigen Schneefall gefolgt. Die Sterne blizen am dunkeln Firmament und der Mond bescheint bleich und mitleidsvoll das geschäftige Treiben der Menschen, die durch die Straßen der Residenz eilen, dieser noch in den, der andere in jenen vom stralenden Lichterschein erhellten Laden gehend, um einige Ein­fäufe zu besorgen, wärend viele mit Packeten unterm Arm sich eilfertig nach Hause begeben, um in ihr warmes Heim zu ihren lieben Ange­hörigen zu kommen und mit diesen den Abend in ungestörter Freude zu verbringen. Man merkt es den geschäftig dahingehenden Fußgängern wie den vorübersausenden Karossen an, daß es sich für erstere wie für die Insassen der lezteren heute Abend um wichtiges handelt, denn Freude ist auf allen Mienen zu lesen. Und schon dringt uns aus einzelnen Fenstern heller Kerzenschein entgegen und in dem Grade wie sich diese Erscheinung wiederholt, nimt das Menschengewoge in den sonst so be­lebten Straßen ab- alles strebt heute dem heimatlichen Herde zu. Bald sehe ich mich daher vereinsamt und so sehr mich's auch hinzieht zu der reinen unverfälschten Freude, so lebendig auch die süßen Jugenderin­nerungen in mir wach werden und mir die hunderte von frölichen Vor­gängen hinter den erleuchteten Fenstern lebendig vor die Seele füren, heute muß ich in Ermangelung dieses eigenen traulichen Streises als ,, alter Junggeselle" auf diesen reinen Genuß verzichten und wende meine Schritte deshalb gen eines der belebtesten Restaurationslokale. Lebendig ist's auch heute hier, aber ich weiß nicht, mir komt dieses Leben recht

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nüchtern und schal vor. Und so fümmere ich mich bald nicht mehr um das geschäftige und prosaische Treiben, um das ausgelassene Frölich­sein um mich her und lasse in Gedanken angeneme Bilder aus der Vergangenheit an meinem Geiste vorüberziehen, träume mich noch einmal zurück in die Tage der Kindheit und da ist es immer eine und dieselbe Molodie, ein und derselbe Gesang, dessen Klänge aus der Ver­gangenheit herübertönen und mich ganz erfüllen: Friede auf Erden und den Menschen ein Wolgefallen. Und Glockengeläute ertönt vom Turm der ehrwürdigen Katedrale und dazwischen höre ich wirklich jenen Gesang, der einst der Welt den Frieden verkündet haben soll und fort zieht's mich von hier so will ich denn lieber allein sein, wenn mir die Gesellschaft fehlt, die mir heute die liebste wäre. One mich um die Zeit und die Gegend zu fümmern, bin ich träumend dahin gegangen und habe nicht bemerkt, daß die Lichter erloschen, daß das Licht des Tages bereits seinen Kampf gegen die Nacht erfolgreich ge­fämpft, und ich an den lezten Häusern der Vorstadt angekommen bin. Da scheucht mich mit einemmale ein lautes Knistern des hartgefrornen Schnees aus meinen Gedanken, hier und da höre ich einen fräftigen Soldatenfluch und entgegen komt mir ein Zug von Menschen, der, wäre ich nicht schon an die traurige Wirklichke t erinnert worden, mehr als alles andere imstande gewesen wäre, dies zu tun. Eine ganze Anzal mänlicher und weiblicher Glieder, jener unter dem Namen Mensch be­fanten Gattung angehörend, teils für die herschende Kälte etwas sehr sommerlich gekleidet, teils in Lumpen gehüllt, begleitet von den Hütern des Gesezes zu Fuß und zu Pferd naht sich mir und war eben im Begriff, von seinen Beschüzern nach jenem Institut abgefürt zu werden, das bis jezt unter der ganz besondern Fürsorge und Pflege der mensch­lichen Gesellschaft gestanden hat. Arme, Verlassene waren es, die one Heim, one alle und jede Selbständigkeit im Kampf um's Dasein den Stärkeren unterlegen waren. Jezt betrachtet und behandelt als die Parias ihres Geschlechts und nur dem einen Gedanken lebend, wie sie ihr elendes Dasein am bequemsten erhalten und zugleich die von ihren Mitmenschen an ihnen verübten Sünden mit Zins und Zinseszinsen zurückzalen können. Und wie sie nun vor Frost geschüttelt an mir vorüberziehen da schüttelts auch mich, aber nicht vor Frost sondern vor Entfezen vor der nackten Wirklichkeit das Herz zieht

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sich trampfhaft zusammen, wenn es bei diesem Anblick aus weiter Ent­fernung noch das Friede auf Erden und den Menschen ein Wolge­fallen" aber nur als Sphärengesang vernimt. Wann wird uns die frohe Botschaft überall entgegenklingen??

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Aus allen Winkeln der Zeitfiteratur.

nrt.

Ein Küchenzettel Wallensteins. Der wegen seiner Kriegfürung mit viel Grund gefürchtete Herzog von Friedland war selbst ein sehr reicher Herr, dessen Grundbesizungen von riesigen Dimensionen waren. Wie es aber immer im Kriege Brauch ist, daß der Sieger auf Kosten des Besiegten lebt und diesen ausplündert, so war es erst recht in jener Zeit der scheußlichsten Menschenschlächterei und brutaler Verwüstung der Erzeugnisse menschlicher Arbeit, so gemeinhin dreißig­järiger Krieg" genant wird. Es fiel den Heerfürern, und selbst den reichsten, garnicht ein, ihren Aufwand aus der eigenen Tasche zu be­zalen. Sie namen's halt wo sie's fanden und womöglich recht viel, um Mit- und Nachwelt zu beweisen, daß der Krieg für manche Leute gar keine so unangeneme Sache ist. Diesen Umstand finden wir nun recht treffend illustrirt an dem folgenden Küchenzettel, der für Wallen­steins Bedürfnis aufgestellt wurde. Das interessante Aktenstück lautet wörtlich:

Provisions Zettel auf J. F. Durchl Küchen( einen Tag).

NB. Es werden J. Fürstl. Durchl. ungefähr mit 1500 Pferdt und 800 Personen ankommen.

2 gute Ochsen, 20 Hämmel, 10 Heuer, 4 Kälber, 1 gates Schwein, 2 Seiten Speck, 1 Tonne Butter, 1/4 Tonne ungesalzne Butter, 1/4 Salz, 40 junge Hühner, 15 alte Hühner, 4 italienische Hahnen, 12 Gänse, 6 Schock frische Eier, 70 Maß Milch, 600 Laiblen Weißbrot, 400 Laiblen Roggenbrot, 2 Scheffel Weißmehl, 8 Tonnen gutes Bier, 2 Tonnen Rheinwein für die fürstl. Tafel, 4 Eimer Frankenwein, 2 Eimer Wein­essig, 1 Eimer Bieressig, 1 Pfund Saffran, gestoßen, 2 Pfund Pfeffer, gestoßen, 2 Pfund Ingwer, gestoßen, 1 Pfund Näglein, gestoßen, 1 Bfund Bimmt, gestoßen, 1 Pfund ganzen Zimmt zum Wassersieden, 1 Pfund Muscatblut, 1/4 Pfund Muscatnüsse, 20 Pfund Reis, 10 Pfund Man­deln, 3 Pfund Spinellen, 3 Pfund Mandeln in der Schale, 5 Pfund Winbeerlein, 5 Pfund große Rosinen, 6 Pfund Braunellen zu Torten 5 Pfund Citronat, 6 Pfund Oliven, 4 Pfund Capern, 10 Pfund Baumöl 20 Pfund weißen Zucker, 20 Pfund Küchenzucker, 6 Pfund weiße Wachs­lichter, 10 Pfund gelbe Wachslichter, 20 Pfund Inschlutlichter, 10 Pfund Seife, 2 Pfund Sterke, 4 Pfund blaue Sterke. 30 Stück frische Citronen, 20 Stück gesalzene Lemonien, 20 Pomeranzen, 20 Tafel- Pfefferkuchen, 5. Duzet Nürnberger Lebzelter.

Confect: 2 Pfund überzogene Mandeln, 2 Pfund Nägelein, 2 Pfund Citronen, 2 Pfund Pomeranzen, 2 Pfund Kümmel, 2 Pfund überzogenen Ingwer, 2 Pfund Coriander, 2 Pfund Zimmt, 2 Pfund Bistezen, 2 Pfund Eis u. s. w.

An Gartengewächs: 1 Viertel Erbsen, 1 Viertel Zwiebeln, 1 Viertel weiße Ruben, 1 Viertel gelbe Rüben, Petersilien, allerlei