aber jezt fand er ein Wesen, welches ganz seiner unheimlichen Neigung entgegenkam: Henriette Vogel  , die an einem unheilbaren Leiden zu franken glaubte, das aber, wie sich nach dem Tode herausstellte, garnicht vorhanden war. Am 21. November 1811 fürten beide am Wansee  , ein Meile von Potsdam  , ihr schreckliches Vorhaben aus zwei mitleidige Kugeln machten dem Leben zweier Unglücklichen ein Ende.

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Ein unerlaubtes Verhältnis zwischen Henriette, der Ehefrau eines anderen, und Kleist, hat nicht stattgefunden. Aber ganz abgesehen davon wurde das gewaltsame Ende Kleists doch verschiedentlich verurteilt. Wenn man sein Leben jedoch genau verfolgt, so ist dieser traurige Abschluß die notwendige Folge. Großartig beanlagt und in seiner Jugend durch hergebrachte Gewonheiten in eine seinem Naturell widerstrebende Lebens­bahn geworfen, von Jugend auf nicht in den Sphären, die seine Ta­Yente in das richtige Gleis zu bringen vermochten, außerdem von einem Ehrgeiz beseelt, der das Unerreichbare erreichen wollte, mit einer Phan­tasie begabt, die in stolzem Fluge um Jarhunderte vorauseilte, ihren Träger, den schwachen Menschen seiner Zeit, weit hinter sich zurück­lassend, mußte er schließlich mit seinem ganzen Sein in Konflikt kommen und allen Halt verlieren. Inwieweit er diesen gefunden hätte, wenn ihm seine Familie das nötige Verständnis entgegengebracht hätte, läßt sich heute allerdings schwer nachweisen.

Ueber den Wert seiner Werke zu sprechen, können wir uns hier nicht einlassen. Sezen wir abgekürzt hierher, was Gervinus über ihn schreibt: Unter allen dramatischen Talenten, die in diesem Jarhundert auftauchen, hat Kleist bei weitem die meiste Berechtigung auf den Dichternamen. Gewaltige Auswüchse findet man auch bei ihm, aber man läßt sich das Ausschweisende und Phantastische gefallen, wo es Jugendeigenschaft ist und die Hoffnung frei läßt, daß das Alter davon befreit ist; läßt es sich gefallen, wo es Begleiter des waren Talents und wirft es weg, wo es das mangelnde Talent ersezen und verbergen soll. In Familie Schroffenstein" ist die tragische Dosis im lezten Aft unmäßig start; Amphitryon  " ist verzerrt; Penthefilea" grenzt an die Tragikomödie. Was ihn von den anderen Dramatikern seiner Be­riode unterscheidet, ist, daß er reich ist und nichts aus anderer Hand zu kaufen braucht. Er ist selbständig in seinem Schaffen und er iſt es, der die verfinsternde Hülle von seinem Haupte geworfen, wenn er die Befreiung des Vaterlandes erlebt hätte. Er hielt jedoch nach seinen Erfarungen die Zeit nicht für gekommen und starb am gebrochnen Herzen über die Leiden seiner Zeit. Es ist unstreitig ein schönes Denkmal, das der edle Verfasser der Geschichte der deutschen Literatur dem unglücklichen Dichter in dieser, wenn auch strengen, Beurteilung gesezt hat! Fr. Nauert.

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Auf der Eisbahn.( Bild S. 174.) So sehr auch der grimmig falte Winter für uns Menschenkinder hinter dem blumenreichen Lenz, dem früchtespendenden Herbst und selbst seinem Gegensaz, dem heißen Sommer zurücksteht, so lassen sich ihm doch auch manche angeneme Seiten abgewinnen. Und wenn wir uns das Großmütterlein im Kreise ihrer Lieben im warmen traulichen Stübchen Märchen erzälend denken, wärend draußen der eisige Sturm an den Fensterladen rüttelt oder die Schneeflocken spielend und tanzend zur Erde fallen, oder wenn wir einen Tannenwald geschmückt von im Mondschein glizerndem Eis und Schnee in seiner märchenhaften Pracht anschauen, dann gewaren wir wol sogar ein gut Stück Poesie an diesem starren Gast und sind gern geneigt, uns mit seinen Härten auszusöhnen. Am liebsten ist der Winter aber der lebensfrohen Jugend, die bei der Schlittenfart, beim Schneeballen und Schneemännerbauen ihr lustiges Wesen treibt, oder auf der Eis­bahn, wo sie mit Schlittschuhen angetan dahinsaust oder indem sie auf ,, Schusters Rappen" auf glizernder Eisfläche von der leichten Anhöhe herabrutscht. Eine Szene lezterer Art hat der Künstler ouf unserem Bilde dargestellt. Man sieht den derben ländlichen Dirnen das Vergnügen des Spiels an, man merkt es an der ausgelassenen Freude, die unmittelbar aus dem Herzen hervorbricht und sich lebendig auf ihren breiten Gesichtern ausprägt, daß dies Amüsement fein alltägliches ist.

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Das Alter entschädigt sich für die Tücken des Winters wol mit der warmen Stube, der Landmann mit seiner Philosophie, die herausge tüftelt, daß der Winter eine Gabe der Vorsehung" sei, um ihm eine gute Ernte zu schenken aber unser Bild zeigt uns an einem ein­fachen, aber überall wo es friert und schneit zu beobachtenden Moment, wie sich die junge Welt mit dem rauhen Gast abfindet. Hans Dahl  , der Schöpfer des Bildes, ist Norweger, 1849 geboren, und sollte Soldat werden. Er quittirte jedoch den Militärdienst und wurde Maler. Er studirte dann in Karlsruhe   und Düsseldorf  , machte Reisen nach Nor­ wegen  , Berlin  , London   und Paris   und lenkte bereits 1876 durch seine ausgestellten Bilder die Aufmerksamkeit auf sich. Im Landschafts- und Genrebild leistet er das bedeutendste. Von seinen hervorragendsten Arbeiten sahen wir jedoch nur das treffliche Bild: ,, Ein Spiel der Wellen", auf das wir auch unsere Leser hier aufmerksam machen wollen.

nrt.

Das Innere einer Wapischianna- Hütte. Die äußeren Formen der ursprünglichen Bauten, die der Mensch auffürte, um Schuz vor Wind, Kälte, Regen und Sonnenschein zu finden, sind wol allenthalben einander änlich gewesen. Mehrere Stangen um einen im Zentrum in die Erde gegrabenen Baum im Kreise kegelförmig aufgestellt und oben an der Spize der mittleren Stüze festgebunden, das Ganze mit Zweigen oder Bast durchflochten und mit Blättern oder sonst zur Hand liegenden Stoffen überdeckt, so mag wol mehr oder weniger der wohnliche Raum unserer Vorfaren vor tausenden von Jaren sich äußerlich präsentirt haben. Jedenfalls war damit schon ein bedeutender Fortschritt von der Hölenwohnung aus gemacht, und so primitiv sich diese Gebilde auch gegenüber unseren modernen architektonischen Leistungen ausnemen, so haben wir doch gar fein Recht, mit großer Verachtung darauf zu blicken, wenn man bedenkt, daß nach dem Gesez der Entwicklung sich erst aus diesem Unscheinbaren die großartigen Werke der Baukunst unserer Tage allmälich herausgebildet haben. Unser Bild auf Seite 173 gibt uns nun die Ansicht des Innern einer Hütte der Wapischianna- Indianer. So einfach auch die Ausstattung derselben ist das Gerät wie der Schmuck belehren uns, daß seine Insassen das edle Waidwerk mit Vorliebe pflegen so zeigt uns doch das Ganze, namentlich aber der fuppelförmige sau­bere Aufbau der Hütte, daß ihr Erbauer von der Zivilisation schon manches profitirt hat. Nach der Beschreibung von Reisenden haben diese Hütten 10-13 Meter Durchmesser und durchschnittlich 13-17 Meter Höhe. Der Eingang ist die einzige Oeffnung, welche des nachts mit einer aus Palmblättern gefertigten Tür versperrt wird. Gewönlich wird eine dieser Hütten von mehreren Stämmen bewohnt, welche sich in den Raum teilen, one daß sie denselben besonders abgrenzen. Nur fand unser Gewärsmann das Fleckchen, welches jede einzelne Familie bewohnte, durch Steine, die den Heerd bilden, bezeichnet. Ob die Schilderung auf Warheit beruht, nach der die genanten Insassen, schlanke, schöne Leute mit edlen, regelmäßigen Gesichtszügen und großen, römischen oder griechischen Nasen" seien, vermag man leider auf unserem Bilde nicht zu erkennen. Nach ihrer Kleidung und ihrem Schmud zu schließen sind sich die Wapischiannas dieser ihrer Schönheit wol bewußt, denn erstere bestand oder besteht nur in einem Schurz. Die Männer tragen die Hare furz geschoren; in dem durchbohrten Nasenknorpel glattge schliffene und breitgeschlagene Kupfer- oder Silbermünzen und in der ebenfalls durchbohrten Unterlippe entweder einen kleinen Zilinder oder ein glockenförmiges Gebild aus Knochen. Früher bewohnten die Wapischianna Indianer brasilianisches Gebiet, wurden dort aber derart verfolgt, daß der größte Teil von ihnen sich nach dem angrenzenden Gebiet von Britisch- Guyana flüchtete. Ob sie sich dort ihren Stamm in der Zukunft werden erhalten können, ist fraglich, wenigstens sind in neuerer Zeit wieder eine Anzal Stimmen laut geworden, welche nur in einer Ausrottung die Lösung der Indianerfrage erblicken. Auf alle Fälle steht aber eine solche Anschauung im grellen Kontrast zu den Schilderungen, deren wir oben eine mitgeteilt und die sich auch betreffs anderer Stämme anführen ließen.

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ff.

Inhalt. Im Kampf wider alle. Roman von Ferd. Stiller.( Forts.) Bon Manfred Wittich. Die Religion der Vergangenheit und der Zukunft. Von Dr. A. Jsrael.( Fortj.) Die deutschen Frauen im Zeitalter der Minnepoesie. Eine Geschichte aus dem Elsaß   von Dr. Max Vogler.( Forts.) Jm Dorf der Schmied. Heinrich von Kleist.  ( Schluß.) Das Innere einer Wapischianna- Hütte. Auf der Eisbahn.( Mit Illustration.)

Den verehrlichen Abonnenten der Neuen Welt" mache ich die ergebene Mittheilung, daß meine früher in Leipzig  , ietzt in Stuttgart   befindliche Buchdruckerei nebst Verlag der Neuen Welt", Hausbibliothek c. am 1. Januar 1882 mit sämmtlichen Activen und Passiven in den Besitz des Herrn J. H. W. Dick in Stuttgart   übergeht. Brife und Geld­sendungen sind von diesem Tage an direct an Herrn J. H. W. Dietz in Stuttgart  , Ludwigstraße 26, zu richten. Privat brife an mich sind Rothebühlstraße 63 zu adressiren. Indem ich meinen Geschäftsfreunden für das Vertrauen, welches mir in so reichem Maße entgegengebracht wurde, meinen besten Dank ausspreche, ersuche ich zugleich, dasselbe auf meinen Herrn Nachfolger zu übertragen.

Franz Goldhausen.

Berantwortlicher Redakteur Bruno Geiser   in Stuttgart.  ( Neue Weinsteige 23.) Expedition: Ludwigstraße 26 in Stuttgart  . Druck und Verlag von Franz Goldhausen in Stuttgart  .