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sellschaft und Heerwesen. Für den Staat, weil die Menschen den Sontag über grübeln und auf unzufriedene Gedanken kommen würden; für die Religion, weil die Menschen kein Gefallen finden können an einer Religion, die ihnen solche Langweiligkeit auf legt; für die Gesellschaft, weil Müßiggang   zum Trunk füre; für das Heerwesen, weil die Race sich schnell verschlechtern würde, wenn sie nicht einmal die Woche tanze, froschhüpfe, Mohren­tänze auffüre u. s. w. Geistliche und weltliche Obrigkeiten wurden angewiesen, die Uebelgesinten zu verwarnen und, wenn das nicht hälfe, aus dem Lande zu treiben. Diese Verordnung, wegen des darin enthaltenen Katalogs von Spielen das Book of Sports genant, wurde von Karl I.   erneuert, auf Befehl des langen Parlaments aber von Henkershand verbrant. Die heutige Sontagsfeier in England, angeblich eine Hauptsäule von Tron und Altar, ist ein Vermächtnis der Republik  ."

In der Tat ein trauriges Vermächtnis, das die Mucker jen­seits des Ozeans angetreten und in vielen Gegenden bis zum extremsten Gesez erhoben haben. Möchten diese Notizen dazu bei­tragen, daß man diese eminente Gefar für die Freiheit und das Wol des Volks allerorten nach Gebür zu würdigen und ihr mit den geeigneten Mitteln entgegen zu treten wisse. Ich habe die ganze Gefar des puritanischen Sontags erst in Schottland   kennen gelernt, da dorten der Ausgleich fehlt, den z. B. die weltstädtischen Verhältnisse in London   mit sich bringen und auch die Traditionen von John Knox   dort natürlich am lebendigsten sind.

Meine Reisebrife sind schon ein wenig über den beabsichtigten Umfang hinausgegangen. Ich will daher den Leser nicht mehr einladen, eine Runde durch die Industrie- und Kolenbezirke von Lanark mitzumachen, bei welcher das Etablissement New- Lanark das erste Versuchsfeld von Robert Owen  , ehe er seine kom­munistische Kolonie New- Harmony   im Staate Indiana   begründete vielleicht vielfach interessiren würde. Auf das öffentliche Leben Schottlands   bin ich absichtlich nicht eingegangen, da mir besonders karakteristische, von dem englischen unterscheidende Merkmale wenig

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aufgefallen sind. Die Parteien in Schottland   sind einfach die Anhängsel der bekanten englischen Kliquen, ja das Gefül der einstigen nationalen Selbständigkeit scheint erloschen und ist auch durch das irische Beispiel zu neuem Leben nicht galvanisirt worden. Weder die Presse noch das Teater in dem meist londoner Truppen und einzelne Gäste auftraten schien mir irgendwie wesentlich von dem englischen Vorbilde verschieden. Dieselbe Uebereinstimmung findet sich auch in der Monotonie der Küche, die nur in wenigen Erzeugnissen der Bäckerei und einer Gemüse­suppe, hotch- potch" benamset, schottische Nationalgerichte aufweist. Daß die Nationaltracht im Verschwinden, wurde schon erwänt und die Beliebtheit des sogenanten Dudelsacks( schottisch bag pipe) ist auch kein besonders greifbares Karakteristikum. gälische Sprache, die sich im Hochland hier und da noch, nament­lich in den Namen- und Ortsbezeichnungen erhalten hat, ist eine Antiquität, die nur für den Philologen ein ernsteres Interesse hat. Nicht nur diesen wird es dagegen befremden, von Schottland   eine Eigentümlichkeit kennen zu lernen, nämlich Schuletablisse= ments auf Aktien. Diese Ergebnisse schottischer Industrie hatte ich sowol in Edinburg   wie in Glasgow   mehrfach warzunehmen die Gelegenheit.

Der Schnellzug fürte uns von Glasgow   in kaum 12 Stunden nach unserm Ausgangspunkte Edinburg   zurück. Mein nächstes Reiseziel war Kopenhagen  , wohin ich von Leith mit dem Schiffe ging, das von dort wöchentlich einmal den direkten Verkehr ver­mittelt. So kam ich noch einmal nach Leith, dem Walkreise des Ministerpräsidenten und der Heimat der Familie Gladstone, die dort, warscheinlich um einem allgemein empfundenen Bedürfnisse abzuhelfen, eine Kirche gestiftet hat. Dr. Johnson  , der bekante Schriftsteller, hat den Namen Leith damit erklärt, daß die Leute, die hier sich einschiffen, gewissermaßen Lethetrinken und das schöne Schottland   vergessen. Daß es mir nicht so ergangen, beweisen wol am besten die vorstehenden Reisebrife.

Die deutschen Frauen im Zeitalter der Minnepoefie.

Von Manfred Wittich.

Dft wird ein befreundeter Wächter redend eingefürt, der die Liebenden zum Scheiden mahnt, und so erhalten viele dieser präch tigen Lieder noch eine größere dramatische Lebendigkeit.

War der Verehrer der Künste mächtig, so dichtete er seiner Dame Lieder und fezte sie in Musik, die er ihr dann vorsang oder durch einen geschulten sangeskundigen Boten vortragen ließ. Auch wurden geschriebene Dichtungen den Damen zugesant, die dann Büchlein heißen. Selbstverständlich spielen auch die Liebes­brife ihre bekante Rolle, wofür wir geschichtlich echte Belege haben in einigen schäzbaren Exemplaren dieser Gattung von Schrift­stellerei, der wol heutzutage mit wenigen Ausnamen alle Welt einmal obliegt.

Zu den" Hochzeiten", d. h. den höfischen Festen, gehörte vor allen Dingen das Turnier, welches entweder ein ganzenbrechen zwischen zwei Rittern zu Pferd, oder ein Massenreiten war. Auch Fußkämpfe mit den verschiedensten kämpfenden Waffenarten fanden statt. Diese Turniere waren zugleich ein Ersaz unserer modernen Manoeuvre, aber vor allem auch eine Hauptaugenweide für die Frauen, welche mit ihren Gemahlen, Bätern oder Brüdern in Menge herbeiströmten und dem Feste erst den rechten Glanz gaben. Da galt es, sich im vollsten Glanze stralender Schön heit zu zeigen, die kostbarsten Kleiderstoffe wurden gewält und ebles Geschmeide nicht gespart, und alle Künste der Toilette ent­faltet; stand doch auch zu hoffen, hier Verbindungen fürs Leben zu schließen, nicht blos Lustbarkeit für die Dauer der Tage des Festes zu genießen. Sie kommen um zu schauen und sich sehen zu lassen, wie schon der römische Dichter Ovid   singt von den Damen Altroms, die ins Teater gingen, was Goethe später frei übersezte sie spielen one Gage mit".

Bei Berteilung der Turnierpreise, Aventüre genant, spielte bie edle Frau auch eine große Rolle; aus Frauenhand den Preis zu erhalten war besonders Gegenstand eifrigsten Strebens. Neben einem Kranz komt oft ein Falte, eine Turteltaube, ein Sperber, ein Habicht, ein Brake oder ein Windspiel, ja einmal wird als

( Schluß.)

" Best" ein Bär ausgeschrieben, den eine Dame geschickt hatte. Das Erwünschteste aber war der Herrin holdselig Grüßen oder gar ein Halsen und Küssen, wie es Dietrichs und die hunnischen Helden von Krimhild   erwerben am Hof zu Worms  . Im Titurel stehen sogar nebst dem Kranze die Küsse von achtzig Mädchen als Belohnung aus! Der Wert des Gegenstandes fam nicht in­betracht; ein Turniersieger konte sicher sein, von seinem Lehns­herrn berücksichtigt, von den Damen gegrüßt und gepriesen zu werden, und hatte gegründete Aussicht unter den reichen Erbinnen eine Frau zu finden; oft stand ja sogar eine solche selbst zum Preise aus! Das Jagen nach Vermögen bei der Heirat galt aller­dings nicht für sonderlich ehrenvoll. Engelhard Dietrich, ein ge­schichtlicher Notatensamler des 15. Jarhunderts, bemerkt, das reiche Geschlecht der Vinkler, der tyrolischen Fugger, habe betreffs der Heiraten den Spruch gefürt:" Wo fein Geld zu gewinnen ist, da hat ein Vinkler nichts zu suchen" und macht dazu die Glosse däucht mich nit ganz fromm." Aber vorteilhaft wird das wol auch schon manchem Ritter der guten Zeit gedäucht haben. Dagegen ist frei­lich auch der Stolz der Ritter im allgemeinen derart, daß sie sich doch für zu gut halten, um eine Kaufmannstochter heimzufüren. Im französischen   Roman von den sieben Weisen heißt es:

Der Ritter verlegt gewaltig seine Geseze, Wenn er ein bürgerliches Mädchen nimt. Wie können die Kinder freigebig sein, Wenn sie halbenteils Krämer sind?

Kleine Geschenke erhalten die Liebe. Schmuckgegenstände,

Ringe, Broschen, Handspiegel, Handschuhe sind als solche besonders beliebt; nur sollte die Gabe nicht zu kostbar sein, damit der Geber nicht den Anschein merkte, sich die Gunst der Dame erkaufen zu wollen. Namentlich überwundene Gegner, welche durch ihre Nieder­lage Gefangene geworden waren, mußten sich namens des Siegers der angebeteten Dame desselben stellen und ihr Eigenmann und Höriger sein oder sich loskaufen.