Die Fürstin Rosabella von Döntheim war indes nicht weniger lebenslustig als ihr Herr Gemal  , und man kann es der jungen, blühenden, reizenden, zum Vergnügen geschaffenen Frau nicht verargen, daß sie sich als Strohwitive auch manchen Spaß er­laubte, um so weniger, als die Chronik von Döntheim zwar manchen ausgelassenen Streich von ihr erzält, aber kein sie nur im mindesten gravirendes Konto auf die Nachwelt gekommen ist. Kaum hatte Fürst Karl offiziell und zeremoniell Abschied ge­nommen, faum war das fürstlich taris'sche Posthorn, das den getreuen Untertanen von seiner Abreise Kunde gab, hinter dem augsburger Tor auf der Reichsstraße verklungen, nahmen die lustigen Tage von Döntheim ihren Anfang, nicht sans gêne und coram populo( vor Augen des Volkes), nur für die Fürstin und einige wenige, ihr ergebene gleichgesinte Damen, wärend für den übrigen Hof, die Residenz und das Land alles beim alten blieb, nämlich steif, strenge und zum Sterben langweilig.

Die fünf Damen, welche die Ehre und das Vergnügen hatten, die Vertrauten der Fürstin Rosabella zu sein, waren die majeſtä­tische blonde Gräfin Borken  , die schlanke Freifrau von Weinbergen mit den italienischen Glutaugen, die sanfte Madonna Comtesse Steinberg, hinter deren schwärmerischen, blauen Sternen ein arger Schalk lauerte und die anmutigen und geistreichen Fräulein von Horn und von Webelin.

Seiner Ehrwürden, der weltweise und gottgelehrte Doktor Melanius wurde nicht müde, in seiner Döntheimer Chronika alle die ausgelassenen Streiche der Fürstin und ihrer Hofdamen zu registriren. Von Jar zu Jar wurden die lezteren übermütiger und ungenirter, und so ist es erklärlich, daß es wärend des lezten Wiener   Aufenthalts des Fürsten   im döntheimer Schlosse am tollsten zuging.

Nicht lange nach der Abreise Seiner Hoheit meldete ein Grenadier, der von Mitternacht bis ein Uhr Morgens in dem großen Korridor des Schlosses Wache gestanden war, daß er die weiße Frau dreimal vorüberschweben gesehen hatte. Am nächsten Morgen berichtete ein anderer Grenadier, der zur selben Stunde denselben Posten innegehabt hatte, daß ihm statt einer, nicht we­niger als sechs weiße Frauen erschienen seien. Ein panischer Schrecken bemächtigte sich der armen, abergläubischen Soldaten, und es geschah nun Nacht für Nacht, daß die Wache im großen Korridor um Mitternacht die Flucht ergriff.

Um ein tapferes Erempel zu geben, bezog einmal der hübsche, ritterliche Hauptmann von Berghoff selbst die Wache im Korridor. Er verließ zwar seinen Posten nicht, gestand aber am folgenden Tage im Kreise seiner Kamraden, daß ihn der Teufel in Gestalt eines schönen, einer griechischen Göttin gleich gekleideten Weibes, gar anmutig versucht habe.

Bei einem festlichen Mittagsmal geschah es, daß der feiste Hofprediger Sovinokolb plözlich, wie von der Tarantel gestochen, in die Höhe sprang. Die schönen Teufelinnen, Gräfin Borken  und Baronin Weinbergen  , hatten ihm ein Duzend Stecknadeln in den weichgepolsterten Siz seines Stules praktizirt, und statt ihn zu bemitleiden, brachen die Fürstin und ihre Damen noch in ein ausgelassenes Gelächter aus.

Dieses, allen Gesezen der Hofetiquette, sowie dem, einem Kämpfer der Kirche schuldigen Respekt hohnsprechende Gelächter hatte zur Folge, daß der alte Hofmarschall von Schnibbchen seine Entlassung gab und der Hofprediger Sovinokolb drei Jare später, zur Ostermesse, bei Martin Weigel in Leipzig   eine ebenso gelehrte, als gründliche Abhandlung Ueber den leichten Sinn, sowie andere gefärliche Ingenia und arge geistige Fakultäten des Weibsvolkes" erscheinen ließ.

In Abwesenheit des Fürsten   regierte die Fürstin in Gemein­schaft mit den Ministern das ruhige Ländchen. Obwol von eigent­lichen Regierungssorgen garnicht die Rede sein konte, zeigte sich die Fürstin doch unermüdlich und erfinderisch, die wenigen trodenen und ennuyanten Geschäfte, mit denen sie sich beschäftigen mußte, durch allerhand Poffen zu beleben und aufzupuzen.

Anfangs begnügte sie sich, in das pedantische Conseil irgend ein harmloses Intermezzo einzustreuen. Entweder es geschah, daß plözlich eine Maus auf den grünen Tisch sprang und die ernsten Staatsmänner nolens volens gezwungen waren, auf die selbe Jagd zu machen, oder die weißen Jabots und Manchetten der weisen Lenker der döntheim'schen Staatsgeschicke wurden von einer unsichtbaren Hand mit Dinte besprizt, oder Minister Barten­helm, der mit der großen Papierscheere zu spielen liebte, ver­brante sich in demselben Augenblick, wo er dieselbe berürte, auf ganz unbegreifliche Weise die Finger.

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Später wurde die Fürstin kühner, und wärend der lezten Ab­wesenheit des Fürsten   spielte sie den alten, ernsthaften Herren wiederholt recht übel mit.

Einmal sprang die hübsche, lebenslustige Frau mitten in der Sizung auf und befahl den Ministern, mit ihr Blindekuh zu spielen. Alle untertänigsten Proteste blieben unberücksichtigt, die Fürstin sezte ihren Kopf auf und ihre Räte mußten gehorchen. Jeder derselben mußte sein Sacktuch hergeben und die Fürstin verband höchst eigenhändig einem jedem die Augen.

Wem es gelingt, mich zu fangen," rief sie ,,, der bekomt einen Kuß von mir."

Im nächsten Augenblick entfloh sie leise aus dem Sal und eilte mit ihren Damen in den Hof des Schlosses hinab, wo be: reits sechs Pferde gesattelt standen. Die schönen Frauen schwangen sich rasch in den Sattel und ritten nach dem nahen Jagdschloß Hubertiburg, wo sie bereits auf Befehl ihrer Hoheit von einem Musikchor und den Offizieren der Leibwache erwartet wurden.

Indes entspann sich im Beratungssale eine unbeschreiblich komische Szene.

Die alten, steifen Herren, lüstern nach den frischen Lippen der Fürstin, jagten sich gleich ausgelassenen kleinen Kindern hin und her. Stüle wurden umgeworfen, die Aften umhergestreut, das Dintenfaß stürzte zur Erde und eine kostbare, französische Vase ging in Stücke. Als der Ratssekretär Deimlich erschreckt hereinstürzte, hatte eben die Exzellenz Bartenhelm die Exzellenz Waßberg gefangen genommen und raubte derselben einen Kuß.

Es gab großen Standal im Schlosse, wärend die Damen in Hubertiburg mit den Offizieren scherzten und tanzten. Ein an­Seresmal verlöschte wärend der Beratung ein kräftiger Luftzug plözlich sämtliche Kerzen. Egyptische Finsternis umfing die er­schreckten Exzellenzen, schleppende Geistergewänder rauschten, eine überirdische Musik erklang und unsichtbare Hände klatschten, etwas allzuheftig für Geisterhände, auf die Wangen der armen Minister.

Auf Befehl und nach spezieller Instruktion der Fürstin, wurde von einem sinnigen Italiener in einem schattigen Winkel des Parkes eine geräumige Felsenhöle erbaut, die nach einer in derselben auf­gestellten Statue des Bachus den Namen Bachusgrotte erhielt.

Zur Einweihung derselben wurde ein Gartenfest gegeben und der gesamte Adel zu demselben geladen. Man tanzte Menuette auf dem Gartenplan, spielte Federball und nahm dann ein kleines Festmal in der Grotte.

Wärend eine Riesentorte aufgetragen wurde, welche, den wiener Stefansdom darstellend, die sonst so steifen, wortfargen Herschaften in Aufregung versezte und denselben laute Ausrufe der Verwun­derung entlockte, ging der Schabernad los.

Fürstin Rosabella verschwand unbemerkt durch einen geheimen Ausgang und ließ im Bunde mit dem italienischen Architekten die von demselben ganz versteckt angebrachten Wasserkünste spielen. Mit einemmale schossen kräftige, eiskalte Wasserstralen aus den steinernen Sizen und der Tafel empor, und als die Herschaften sich erschreckt erhoben, stürzte von der Decke der Grotte ein aus­giebiger Plazregen auf sie herab, so daß sie im Nu bis auf die Haut durchnäßt waren.

Alles floh, sich drängend, stoßend und schreiend in das Freie, wurden aber hier noch zum Ueberflusse von ganzen Wasser­dechargen empfangen, die aus dem Boden hervorsprangen.

In einer schönen, mondhellen Sommernacht verließ Fürstin Rosabella mit ihren Damen heimlich das Schloß. Alle waren leicht geschürzt, trugen Männerröcke und Männerhüte und Stöcke in den Händen. Gleich lustigen Studenten zogen sie Arm in Arm, singend durch die Straßen, warfen verschiedenen, mißliebigen Personen die Fenster ein, vertauschten den Wirten, Kaufleuten und Handwerkern die Schilder und prügelten den Nachwächter und Polizeisoldaten.

Als der Fürst zurückkehrte, entstand ein Sturm im Wasser­glase. Von allen Seiten wurden Klagen laut und Minister Bartenhelm unterbreitete Seiner Hoheit persönlich mehr als hundert schriftliche Beschwerden.

Der Fürst nahm seine Gemalin selbst ins Verhör. Der ganze Hof war gespant auf das Ergebnis, die Vertrauten der Fürstin zitterten, die Pharisäer triumphirten, die anderen zeigten eine lebhafte Neugierde.

Alle waren auf das höchste erstaunt, als der diensttuende Kammerherr im Vertrauen erzälte, die Hoheiten hätten zuerst ziemlich laut zusammen perorirt, dann aber einem Liebespar gleich geflüstert und schließlich laut gelacht. Die Damen atmeten

wieder auf.