Die Harpyie oder der Habichtsadler.( Illustration S. 196.) Man sieht es dem uns mit seinem eulenartigen Gesicht anschauenden Gesellen an, daß er wenig Spaß versteht und unter Umständen sogar gefärlich sein kann. Den Lebewesen, die er gewonheitsmäßig zu seiner Narung erfürt, als Affen und wehrlose Faultiere, drot so schon stets Gefar, wenn er sich blicken läßt. Der starke Schnabel, die sehr kräf­tigen Füße und die riesigen Krallen sind für ihn feine zu unterschäzende Waffe. Auch sein großer Körper zeigt uns schon seine Stärke, welche die des Steinadlers bedeutend übertrifft und sogar der des Kondors nicht nachstehen soll. Die kleineren Hirscharten seiner Heimat fallen ihm daher gleichfalls zur Beute, ebenso soll er die Beutelratten jagen und dort, wo es zu finden, auch dem Hausgeflügel schädlich werden. Er bewohnt die wärmeren Teile Amerikas   von Meriko bis Südbrasilien, von Peru   und Bolivien   bis zu den Gestaden des Atlantischen Ozeans  . Die Flügel der Harpyie sind mäßig lang, der Schwanz ist stark und schwarzgrau gefärbt und mit etlichen helleren Binden versehen. Der Rücken, die obere Brust, die Flügel und die Rumpfseiten des Vogels sind gleichfalls schwarzgrau. Unterbrust und Bauch sind weiß, die Beine gelb, der Schnabel und die Krallen schwarz. Von den Indianern wird fleißig Jagd auf ihn gemacht und die Federn der erbeuteten Exemplare werden von diesen als Kopfschmuck für ihre Pferde verwant. Der Raubvogel bewohnt nicht die kalten Felsenhöhen, sondern dichte Wälder und zwar am liebsten an den Ufern größerer Gewässer. In den Wipfeln der höchsten Bäume baut er sich sein Nest aus Reisern. Nicht genügend unterrichtet ist man bisher über die Zal der Eier wie über die Art des Brütens und des Aufziehens der Jungen. Lebend hat man den Vogel auch selten nach Europa   gebracht nur größere 300­logische Museen bejizen den Balg desselben. Das hier im Bilde vor­gefürte Individuum wurde von einem Schiffskapitän am Isthmus von Panama   eingefangen und dem hamburger zoologischen Garten zum Geschenk gemacht, wo es von H. Leutemann nach dem Leben gezeichnet wurde. In seiner dortigen Gefangenschaft zeigte sich dasselbe als ein stolzer und fühner Geselle, der sich durch nichts erschrecken und außer Fassung bringen ließ.

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Alpenwirtshaus im Schnee.( Jllustr. S. 197.) Des Sommers, wenn der lezte Schnee unter den sengenden Stralen der Sonne ge­schmolzen und nur noch die eisigen Gletscher die Kuppen der gewaltig­großartigen Alpen bedecken, wenn alles in Berg und Tal prangt in frischem Grün, dann eilt wol jeder, der Reiselust und das nötige Geld bejizt, vergnügt hinaus in die Gebirgswelt, um sich zu erholen in der frischen und gesunden Natur, oder auch nur um sich zu zerstreuen. Nur verhältnismäßig wenige passionirte Bergkletterer statten den Glet­scherregionen ihren Besuch ab; ist man doch allgemein froh, daß der Winter die ebenen Gefilde verlassen hat und das Leben sich unbehindert sonnen und entfalten kann. Wenige sind es deshalb auch nur, die den großartigen Reiz einer Gebirgslandschaft im Winter kennen. Die ,, große Welt" überläßt diesen Genuß vorläufig noch den Bewohnern der Gebirgsgegenden alleines ist noch nicht ,, Mode" geworden, im Winter ,, Erholungsreisen" zu machen. An der Natur liegt es aber war­lich nicht, wenn dies noch nicht geschehen; denn die Reize und Schön­heiten, welche dem Auge die mit Schnee bedeckten Gebirgsmassen und Wälder, wie die in das weiße Winterkleid eingehüllte Natur überhaupt bieten, sind nicht minder wie eine Sommerlandschaft im­stande, unsern Blick zu fesseln. Dies dürfte auch die prächtige Land­schaft unsres Bildes mit dem Alpenwirtshaus im Vordergrunde deutlich zeigen. Da steht es nun schnee- und eisbedeckt verlassen von der undankbaren Welt, die nur dann ihre Freundschaft gern und willig spendet, wenn der Sonnenschein des Glücks behagliche Wärme spendet; tausenden von ermüdeten Wanderern hat es Külung gewärt und unter seinem gaftlichen Dache Erfrischungen geboten als ein winterliches Idyll inmitten der gigantischen Bergriesen, deren Konturen nur leicht und unsicher durch den kalten Nebel sichtbar sind. Nur die alten, ein­fachen Landleute, die sich in der angenehmen Jareszeit vor den ele­ganten Reisenden ,, aus aller Herren Länder" in die Ecken drücken mußten, sind ihm auch jezt treu geblieben und suchen seine Gastfreund­schaft, halten an mit ihrem Schlittengespann und stärken sich und ihre Tiere an den Gaben, die Küche, Keller und Boden reichlich aufbewart haben. Wenn aber der Lenz wieder ins Land gezogen sein wird, dann rüsten sich auch wieder die menschlichen Zugvögel zu ihrem Besuch und kommen in Scharen herbei, um zu schauen und zu bewundern. Aber die wenigsten denken daran, was der entflohene Winter an dieser Stelle schönes geboten und was er beigetragen, um die Natur in neuer Schöne erstehen zu lassen.

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Literarische Umschau.

Deutsche Humoristen aus alter und neuer Zeit. In einer Auswal und mit literarischen Einleitungen herausgegeben von Dr. Julius Riffert. Altenburg  , Verlag von Oskar Bonde.

Ein echt volkstümliches Unternehmen, welches wir den Lesern der ,, N.." mit warer Freude empfehlen! Solche Lektüre können die Zeitgenossen gebrauchen. Da ist gleich der erste Band: Franz von Gandy! Er enthält mehr warhaften, gesunden Humor, als unsere gerühmten Feuilletonisten und Lustspiel dichter zusammengenommen befizen- er bietet überhaupt eine bessere, anregendere Lektüre, als ganze Jargånge gewisser deutschen Zeitschriften. Aus dem Tagebuche eines wandernden Schneider­gesellen," wieviel köftlicher, ferniger Wiz ist in diesem Reisetagebuch! Außerdem bietet aber der Band noch einen Teil des Römerzugs", Gedichte( in der Art von Béranger), eine sehr lebendig und klar gearbeitete Karakteristik Gaudy's mit biographischen Notizen und als Einleitung einen wirklich geistvoll geschriebenen Auffaz, gleich jenen aus der Feder des Herausgebers: ,, Was ist Humor?" der die Bedeutung des lezteren nach allen Seiten hin beleuchtet und den Begriff durch Gegenüberstellung zalreicher verschieden ge­arteter Humoristen klar zu machen sucht. Durch sein Unternehmen hofft Dr. Riffert für die weitesten Kreise eine Lektüre zu bieten, an welcher ein jeder nach des Tages Last und Hize Herz und Gemüt erquiden kann". Alle Monate soll ein Heft erscheinen, das vorliegende umfaßt bei sehr anständiger Ausstattung 184 Seiten, jedes Heft foſtet nur 50 Pfennige, ein erstaunlich billiger Preis und one eine bestimte pedantische Reihenfolge einzuhalten will der Herausgeber das beste bringen, was seit dem fünf­zehnten Jarhundert bis in unsere Tage an humoristischer Poesie und Prosa, auch die Satire und die rein komische Literatur eingeschlossen, gedichtet worden ist. Halbvergessene Namen werden dabei wieder zu wolverdienten Ehren gelangen: Baggesen, Fischart, Haug, v. Hippel, Knigge, Langbein, Lichtenberg  , Logau, Pfeffel, Rabener, Thümmel u.. w., alles Leute, an deren tüchtigen, gesunden Werken sich unsere Boreltern manche Stunde Herz und Gemütserlabten. Es ist ein fräftiger, frischer Zug und vor allem karaktervolle Selbständigkeit in den geistigen Arbeiten dieser Autoren, wie sie in dem ,, pikanten Geplauder" der heutigen nirgends zu finden sind. Schon darum kann die Wirkung dieser humoristischen Hausbibliotek auf die verwässerte und verweichlichte Gegenwart nur von Vorteil sein. Daß sie daneben auch ,, Unruh' und Verdruß", die im Augenblick überall anzutreffen sind, bannen helfen wird, bedarf keiner weiteren Hervorhebung. Wir legen den Lesern der ,, N. W.  " dringend an's Herz, sich mit diesen wertvollen Bändchen vertraut zu machen, und werden es als unsere Pflicht betrachten, sie ihnen dann und wann wieder in's Gedächtnis zu rufen. Dr. M. V.

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Pythia   Kalender. Politisch- sozial- artistische Wetterprophezeiungen für das gemeine Jar 1882. Herausgegeben von R. Schmidt- Cabanis. Berlin  , Verlag von Freund und Jedel. In einer Zeit, wie der unsrigen, wo das politische Wetter so unbeständig, ist jedenfalls ein Büchlein, das uns von vornherein für jeden Tag des Jares das wichtigste Ereignis mitteilt, ein sehr willkommener Gast und zwar nicht nur in jeder geordneten Familie, sondern auch für den in der Unordnung seines Daseins dahin lebenden Jung­gesellen. Namentlich aber wenn es wie dieses seine modernen Dratel uns mit Humor gewürzt spendet. So um nur einige Beispiele von den politischen Wetterprophezei ungen der Pythia   von der Spree mitzuteilen erfaren wir als wichtigstes Ereignis am 1. Januar: ,, Am heutigen Tage begint mit hoher Genehmigung Sr. Durchlaucht des Fürsten Bismarck für die sozial- konservativen Untertanen aller zivilisirten Länder des Erdballs das 1882 fte Jar nach Chr. Wegen der oppositionellen Minorität bleiben besondere Bestimmungen vorbehalten." Und am 4. Januar ,, wird der kleine Belagerungs­zustand unter dem Polizeipräsidenden von Madai in Berlin   in Permanenz erklärt; die Stadt erhält den Namen: Provinz Madaira". Am 28. desselben Monats macht man die interessante Entdeckung, daß ,, die Ursachen des Statsdefizits der Türkei   im Diebstal, diejenigen der übrigen Staten aber im Gußstal zu finden sind" und der 27. März vers fündet hente über 500 Jare wird das Fest der definitiven Vollendung der berliner Kanalisation mit großem Pumpe begangen". Und so schwingt der Verfaffer die Geißel der Catire weiter, bis die 365 Tage glücklich zu Ende find, über alle Voi kommisje bes politischen wie des öffentlichen Lebens überhaupt. Wer daher den vollen Genuß von laufenden Jare haben will, der kaufe sich bald diesen Kalender und er ist imstande schon jezt im Vorgenuß zu schwelgen.

Ratgeber für Gesundheitspflege.

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Dresden  . M. S.   Kalte Waschungen des ganzen Körpers falls Sie nicht etwa blutarm sind, tüchtige Bewegung im Freien, auch des Abends zwischen Nacht­effen und Schlafengehen, und Genuß leicht verdaulicher Speisen. Auch müssen Sie, eventuell durch Klyftire, auf regelmäßigen, nicht harten Stulgang halten.

Redaktionskorrespondenz.

Dresden  . H. H. Ihre Federzeichnunng beweist ein nicht gewönliches Talent, das der Ausbildung und Schulung in hohem Grade wert erscheint. Zur Aufname brauchbarer leichter Efizzen nach der Natur dürften Sie schon jezt befähigt sein. Geben Sie uns Ihre genuae Adresse an.

Echönfeld a. d. D. Schuhmachermeister B. Die Gebrüder S. sind in Amerika  . Genaueres wiffen wir nicht. Ihre Bestellung ist ausgefürt worden.

Frankfurt   a. M. Buchbinder Emil B. Sie befizen nicht blos den guten Willen, sondern auch hübsche poetische Gedanken, nur die Form läßt noch manches zu wünschen übrig.

Berlin  . Fräulein Anna B. Sie wünschen, es möge in der ,, Neuen Welt" bas Dichten gelehrt werden? Der Himmel stehe uns bei das fehlte gerade noch Uebrigens fann man das Dichten weder lehren noch lernen: die Poesie ist eine freie Gabe der Natur, sie wird dem Menschen in den Schoß geworfen, one daß man weiß von wannen und wie sie gekommen ist. Was der vom Schicksal alles mit auf den Weg bekommen haben muß, welcher ein Recht haben soll, sich Dichter zu nennen, jaßt Platen meisterlich wie immer in folgende Strophe zusammen:

Wen die Natur zum Dichter schuf, den lehrt sie auch zu paren Das Schöne mit dem Kräftigen, das Neue mit dem Waren! Dem leiht sie Phantasie und Wiz in üppiger Berbindung Und einen quellenreichen Strom unendlicher Empfindung. Donaueschingen  . Bürstenmacher A. S. Kaufen Sie sich von den bei Karl J. Trübner in Etraßburg erschienenen Naturwissenschaftlichen Elementar büchern" das Heft: Allgemeine Einfürung in die Naturwissenschaften" von T.- Hugleg, in deutscher Ausgabe von Prof. Oštar Schmidt. Preis 80 Pfg.

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Inhalt. Jm Kampf wider alle. Roman von Ferd. Stiller.( Forts.)- ( Forts.) Glasgow   und der schottische Sabbat. Sechster Reisebrif aus Schottland   von L. Viered. Die deutschen Frauen im Zeitalter der Minnepoesie. Von Manfred Wittich.( Schluß.) Wie man sich zur Zopfzeit an deutschen   Höfen unterhielt. Von Sacher- Masoch  . Die Religion der Vergangenheit und der Zukunft. Von Dr. A. Jsrael. ( Forts.) Die Harpyie oder der Habichtsadler.( Mit Jllustration.) Alpenwirtshaus im Schnee.( Mit Jllustration.)- Literarische Umschau. Ratgeber für Gesundheitspflege. Redaktionskorrespondenz.

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Verantwortlicher Redakteur Bruno Geiser   in Stuttgart.  ( Neue Weinsteige 23.) Expedition: Ludwigstraße 26 in Stuttgart  . Druck und Verlag von J. H. W. Diez in Stuttgart  .