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nach seinem Tode geschehen könte, mochten sich seine Nachkommen den Kopf zerbrechen. So war es ihm denn auch im höchsten Grade gleichgültig, ob der Staat die Kirche, oder die Kirche den Staat beherschte oder ob die beiden als ebenbürtige Machtfaktoren gemeinsam das Volk regierten, er nam weder für oder gegen einen der kämpfenden Teile Partei, kümmerte sich kaum darum, wie sich der Kampf entwickelte und versicherte seinem durchlauch­tigen Freunde, dem alten Waldkirch  , in jovialer Heiterkeit, daß er der Trauung seiner Tochter mit dem Sohne des Fürsten   mit Vergnügen überall beiwohnen würde, nur in keiner-- Pfui Teufel! fur es ihm unwillkürlich über die Lippen feiner Synagoge.

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So waren die beiden Väter leicht über die Trauungsfrage einer Meinung geworden, und dem Sohne des einen wie der Tochter des andern war dieselbe durchaus eine Nebensache. Dem Grafen Waldkirch war der Kulturkampf nur eine Modesache, eine Art Sport, an dem man sich dem Zuge der Zeit folgend beteiligt, so lange dieser sich bemerklich macht und die Prinzessin Sibylla hätte zwar den katolischen Dom der protestantischen Haupt- und Pfarrkirche vorgezogen, weil sich darin eine Trau ungsfeierlichkeit großartiger und ergreifender anläßt, wie es beim fatolischen Gottesdienste gegenüber dem protestantischen überhaupt der Fall ist, aber sie war eine von jenen passiven Naturen, die alles geduldig über sich ergehen läßt, wenn es sie in ihrem ge= wohnten Leben und Treiben nicht gerade empfindlich stört.

Daß der Konsistorialrat Kölle gewält wurde, die Trauung zu vollziehen, war fast selbstverständlich. Er war nicht nur ein berühmter Kanzelredner, sondern schlechtweg der berühmteste, den die evangelische Kirche des ganzen Landes aufzuweisen hatte. Und auch unter der katolischen Geistlichkeit kante man nur einen, der sich mit ihm zu messen vermochte, der ihn in seinen besten Jaren sogar wol noch übertroffen hatte das war der Bischof Heinrich selbst.

Aber der Bischof Heinrich war nahezu achtzig Jar alt und ließ sich zu Kanzel- und Altarreden nur noch sehr selten herbei. Hätte also der Kulturkampf auch nicht getobt, so wäre es immer­hin noch sehr fraglich gewesen, ob dem jungen Pare das Glück einer Trauung durch den hohen kirchlichen Würdenträger selbst zuteil geworden wäre.

Außer dem hohen Ansehen, welches der Konsistorialrat als Redner genoß, war noch ein anderer Umstand bei seiner Wahl als Trauungsprediger für das fürstliche Par maßgebend gewesen, der mit seiner großen Beliebtheit bei der Damenwelt zusammen­hing: eine ältere Freundin der Prinzessin Sibylla, Baronin Greifen­stein, war eine besonders eifrige Verehrerin des Konsistorialrats und die unermüdliche Verbreiterin seines Ruhmes in den Kreisen der Aristokratie.

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Der Konsistorialrat hatte eben einen resedaduftenden zart­rosafarbenen Brif erhalten, den ihm die Baronin geschrieben hatte. Sie legte ihm darin eine lange Reihe von Bitten an's Herz, die sich auf den Inhalt der Traurede bezogen die ver­storbene Herzogin von Tannenberg, die Mutter der Prinzessin, möchte er erwänen und alle ihre Tugenden preisen, von denen die Baronin weit über ein Duzend herzuzälen wußte, ferner die Großmutter der Prinzessin, überhaupt möglichst viele von den weiblichen Vorfaren, die alle unvergleichliche Muster und Meiste rinnen der Tugend waren. Dem Bräutigam möchte er vor allem die eheliche Kardinaltugend, die der unverbrüchlichen Treue so recht herzbeweglich vor Augen füren, damit ihr liebes süßes Sibyllchen ja recht glücklich würde.

Ein seltsames Lächeln flog über das Antliz des Konsistorial­rats, als er diese Stelle des Brifes las, und dieses Lächeln kehrte wieder und blieb längere Zeit haften in seinen Zügen, als er bei dem Schlusse des Schreibens angelangt war, worin die Dame ihn versicherte, daß sie noch gar viel ihm mitzuteilen hätte, aber alles ließe sich unmöglich in einen Brif zusammenfassen und vieles ließe sich für eine des Umganges mit der Feder nicht sehr gewöhnte Frau besser mündlich als schriftlich ausdrücken.

" Aha!" sagte der Konsistorialrat langsam und mit nachdrück­licher Betonung vor sich hin. Wie lange ist es doch her? Wol schon drei Jare- wenige Monate darauf heiratete sie zum zweitenmale. Es war eine wunderbare Nacht- ich höre noch den Schlag der Nachtigallen, sehe die Leuchtkäfer noch durch die Finsternis gaukeln, die Venus war der einzige Stern, der sich vom tiefschwarzen Firmament hellstralend abhob-- die Venus!" Seine großen tiefgrünen Augen funkelten sonderbar. Nach furzer nachdenklicher Pause fur er fort:

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Tags darauf reiste sie nach Italien  , wo sie der Zufall dem Baron Greifenstein in den Weg und in die Arme fürte, und ich ich werde es nie vergessen hatte noch am Vor­über die mittage auch eine Traurede zu halten und sprach eheliche Treue." Wieder hielt er inne. Er legte den Brif in ein Fach seines Schreibtisches und verschloß dasselb:. Dann nam er von neuem sein Selbstgespräch auf.

Was es doch einer Maskerade der Seele und des Leibes bedarf um der Mode willen, die die Erde gum Jammertal und das Leben zum Leiden machen! Tausend Erfindungen des Un­verstandes hindern den Menschen, seinen Gefülen ungeheuchelten Ausdruck zu gewären, seinen Neigungen und Leidenschaften frank und frei zu leben. Und o Jronie des Geschicks! diejenigen, deren scharfen Geistesaugen kein Rädchen in dem riesigen ge­waltigen Getriebe irdischer Torheit verborgen ist, müssen sich zu Hütern und Pflegern des Unverstandes hergeben, wenn sie anders selbst nur ein bescheiden Teil von den Gütern und Freuden des Lebens genießen wollen. Wenn ich eines Tages auf die Kanzel träte und den Leuten sagte, was ich in Warheit von der Welt, von der Erde und vom Himmel halte! Nicht nur, daß ich das leztemal von jenem Plaze aus zu ihnen gesprochen hätte, nein sie würden mich, wenn es gut ginge, auf Lebenszeit in's Narren­haus sperren oder mir den Prozeß machen aufgrund eines halben Duzend der Paragraphen ihres Strafgesezbuches; sie sezten mich ab mit Schimpf und Schande, ich fände keinen Beruf mehr, in dem ich mir mein täglich Brot erarbeiten fönte, fein gastlich Haus, das sich mir öffnete, feinen Menschen, der da wagte, mir die Hand zu bieten zeitlebens wäre ich der Schmach, der Verfolgung und dem Elend überantwortet. Alles alles, weil ich einmal, nur einmal gesprochen hätte, wie ich denke und wie viele reden viele von jenen, die an den Brüsten der Wissenschaft zu Denkern sich großgenährt haben. Wir leben in der Zeit der Aufklärung, sagen die Leute, der Humanismus und die Revolu tion betreiben das Werk der geistigen und leiblichen Völkerbe­freiung seit einem Jarhundert die Demokratie, der Radikalis­mus in Politik und Volkswirtschaft rüttelt an den Säulen des Bestehenden und unterminirt maulwurfartig Stat und Kirche. Und was hat es auf sich mit dieser modernen angeblichen Geistes­bewegung: Die Pfaffen der Revolution, die Jesuiten   des Huma nismus zerren an unsern Roben und wer da Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, der weiß, daß all' ihre Tiraden sich in dem einen Saz: Ote- toi que je m'y mette!*) zusammen fassen lassen. Ihre Humanität, ihre Demokratie, ihr Radikalismus auf allen Gebieten des Lebens und Wissens ist Phrase und Spiegelfechterei

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Und das Volt? Nun das Volk und niemand sonst ist der Tyrann, der all' die Torheit und den Trug gebieterisch verlangt. Unser modernes Volt hat nur einen Gözen, dem es in knechtischer Demut zu Füßen liegt, das ist eben der Göze der Phrase. Wer von ihm erleuchtet und durchdrungen ist, der wird geachtet, geliebt, bewundert und angebetet, der genießt und herrscht- gleichviel ob er ihn von der Kanzel oder vom Kateder, von der Balamentstribüne oder vom Ministertische, in Vereinen oder Volksversammlungen aus sich reden läßt, gleichviel ob er Real tionär oder Revolutionär, Aristokrat oder Proletarier ist. Und die Moral von alledem und alledeman dem auch nicht ein Titelchen erdichtet noch entstellt ist? Heule mit den Wölfen,- sei ein Tor mit dem Törichten und wenn du über sie emporragit an Verstand und Erkentnis, so heule besser, als sie alle, hand habe das köstliche Werkzeug der Phrase als Muster und Vorbild!"

Der Konsistorialrat war bei seiner erbaulichen Betrachtung warm geworden. Er strich mit dem kostbaren seidenen Taschen tuche über die hohe Stirn.

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Von meinen Herren Amtsbrüdern denken freilich nicht viele gleich mir es gibt genug kindlich Befangene unter ihnen und viele, welche um mich zu einem Gemeinplaz hinabzulassen wie der Vogel Strauß vor der Erkentnis von der Jämmerlichkeit der Welt und der Narrheit der Menschen den Kopf in den Busch stecken

Er wurde unterbrochen. Es pochte leise an die Tür. Wer ist da?" rief er.

Die Türe wurde nur eine schmale Spalte weit geöffnet und eine Weiberstimme fragte schüchternen, fast ängstlichen Tones: Ist der Herr Konsistorialrat vielleicht auf einen Augenblid für den Herrn Studiofus zu sprechen?"

*) Erhebe dich, daß ich mich seze!