Literarische Umschau.

J. Steiningers neuester und verbesserter Bauernkalender für das Jar nach Christi Geburt 1882 für den gesamten deutsch  - öster­reichischen Bauernstand mit einer ganz neuen, für jeden einfachen Land­wirt leicht faßlichen Buchfürung, mit Einschreibe-, Wirtschafts-, Rechen­und Gedenkbuch um die notwendige Haus- und Wirtschaftsrechnung füren zu können, nebst gemeinnüzigen, lehrreichen und unterhaltenden Auffäzen, Jarmärkte und Tabellen. Ein unentbehrliches und lehrreiches Hilfsbuch für jeden Dekonomen. Herausgegeben von Josef Steininger, Wirtschaftsbesizer in Gobelsburg, Post Hadersdorf am Kamp, Nieder­Desterreich. Preis 45 Kreuzer, per Post 50 Kreuzer. Gobelsburg, Verlag des Herausgebers. Der Kalender ist für den Bauern, wie allbekant, neben Bibel, Gesang- und Predigtbuch fast durchgängig die einzige Lektüre. Ihn liest er jaraus jarein und ihm vertraut er nicht nur inbezug auf die Richtigkeit der darin angegebenen Markt- und Fest­tage und Wetterprophezeiungen, auch die dort gebotenen Abhandlungen haben für ihn zweifellosen Wert. Welches Unheil demnach unsere Kalenderliteratur, die millionen von Exemplaren unter der Landbevöl­ferung absezt, bei ihrer durchschnittlichen Beschaffenheit von heute an­richten muß, liegt, da diese Kalender meist nur Bibel, Gesang- und Predigtbuch würdig ergänzen, auf der Hand. Es ist daher mit Freuden zu begrüßen, wenn dem mit allem Ernst entgegengearbeitet und dem bildungsbedürftigen Bauern, der im Schweiße seines Angesichts sein und der Städtebwohner Brot baut, auch von den Wissensschäzen der neueren Zeit eine Spende in der allgemein auf dem Lande beliebten Form des Kalenders als kleines Entgeld für seine Mühen gereicht wird. Ist man doch längst zu der Ueberzeugung gekommen, daß die Interessen von Stadt und Land solidarisch sind und daß deshalb der zwischen beiden bestehende Gegensaz nur zum Schaden für das Gemeinwol exi­stirt. Gefördert können diese gemeinsamen Interessen aber nur wer­den, wenn der Landmann in den Kreis der geistigen Regungen der Städte hereingezogen wird und dazu wird- wir wiederholen es immer nur die Lektüre, welche fast die einzige des Bauern bildet, der Kalender, hervorragendes beitragen können. Daß nun der uns hier vorliegende seine Aufgabe richtig erfaßt und anstatt der oberflächlichen Anektoden, wie sonstigem verdummenden Inhalt seiner Konkurrenten eine gesunde, fräftige, das Wissen wie das praktische Können des Bauern fördernde geistige Kost bietet, geht schon aus dem oben ganz angefürten Titel hervor. Möchte er sich recht viele Freunde und Leser erwerben und dadurch sein Teil zu dem Werke der Bildung und des Fortschrittes beitragen.

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Eine Rechtfertigung der Juden und wahre Lösung der Juden­frage. Von Dr. C. L. Beck, Leipzig  , Verlag von E. 2. Morgenstern, Preis 2 Mart. Zu den verschiedenen Fragen, die so schon seit Jaren in Deutschland   das öffentliche Interesse in Anspruch nehmen, haben wir bekantlich in der lezten Zeit noch eine bekommen, die aber nicht wie man von gewisser Seite immer und gern behauptet, aus einem allgemeinen Volksbedürfnis entstanden, sondern mehr wie sonst etwas das Machwerk einzelner Personen ist, die entweder geistig so beschränkt, daß sie wirklich an die Berechtigung ihres Treibens glauben oder so schlau sind, um den zwischen den verschiedensten Volkselementen ange­fachten Haß zu irgend welchem selbstischen Zwecke zu benüzen. Jeden­falls ist es eine Schmach für ein Volt, das im lezten Jarhundert so viele große für den Humanismus kämpfende Geistesheroen erzeugt und gepflegt, dessen Statslenker gerade in neuerer Zeit so viel von der Verwirklichung des praktischen Christentums" reden, wenn inmitten dieses Volkes ein wüster Kampf ausbricht, wie er sich gerade in dem Treiben der Judenhezer so oft offenbart hat. Wir sind nun der felsen­festen Ueberzeugung, daß diese traurige Bewegung an dem gefunden Sinn, der in den Massen des deutschen   Volkes vorhanden, zerschellen muß und daß die wenigen Hauptschreier bald dem Fluche der Lächer­lichkeit anheimfallen werden; aber gerade der Umstand, daß sich doch tausende von den wilden Hezereien gegen unsere Mitbürger mit fort­reißen ließen, läßt es notwendig erscheinen, hier die fehlende Klarheit und Einsicht zu verbreiten. Die Unwissenheit oder doch einseitige Bil­dung dürfte wol in erster Linie der Grund des Fanatismus sein, der sich auch in der Haz   gegen die Juden bemerkbar macht. Denn Un­wissenheit oder blasser Neid kann nur die Veranlassung sein, gegen Leute zu Verfolgungen aufzufordern, die neben einem anderen Glauben auch große Schäze schnöden Mammons aufgesammelt haben. Das ungereimte eines solchen Verfahrens springt aber erst in die Augen, wenn man bedenkt, wie einzelne Glaubensgenossen der Angefeindeten, die von den herschenden Machthabern zu den höchsten gesellschaftlichen

Stellungen emporgezogen wurden, trozdem ihr Lebensberuf lediglich im Anhäufen dieses schnöden Mammons bestand, gleich wie andererseits tau­sende der Glaubensgenossen der Antisemiten" in punkto des Geldan­sammelns keineswegs hinter den Juden zurückgeblieben sind, one daß sie von der ob dieses unmoralischen Tuns entrüsteten Hezer auch nur erwähnt, geschweige denn verurteilt wurden. Dr. Beck wendet sich nun mit seinem über 100 Seiten starten, fesselnd geschriebenen Büchlein an diejenigen Bürger, welche sich in diesem Streite einen fühlen Kopf und volle Unabhängigkeit gewahrt haben, sodann noch an die, welche von Not und Elend heimgesucht, gern hezenden verbrecherischen Einflüste­rungen Glauben schenken und für ihre materielle Bedrängnis die Juden als solche verantwortlich zu machen geneigt sind. Geschichtlich weist er nach, wie die Israeliten einst ein fleißiges Volf gewesen, das allerorts wolgelitten, überall Wolstand verbreitet habe und nur durch Jarhun­derte lange, scheußliche Verfolgungen unterdrückt und schließlich auf die Bahn des Handels und Schachers gedrängt worden sei. Wir bitten nur das Kapitel Im tausendjärigen Reiche des Priestertums" aufmert­sam zu lesen. Unserer Meinung nach spricht gerade der Umstand, daß die Juden troz dieser Verfolgungen nicht nur nicht untergingen, son­dern sogar zu ihrer heutigen Machtstellung gelangten und uns so her­vorragende Geisteskämpfer wie Spinoza, Mendelssohn, Börne, Jakoby 11. a. geschenkt, am deutlichsten für das Kulturelement, das in ihnen steckt. Dieses Element zum Wole der menschlichen Gesellschaft nüzlich und dem Wucher, d. h. der von Juden und Christen geübten, das Ge­meinwol schädigenden Ausbeutung der gesellschaftlichen Kräfte durch staatliche und kommunale Organisationen unmöglich zu machen, dafür plaidirt schließlich der Verfasser. Allen Freunden der Toleranz und des Humanismus können wir daher nur die recht gut ausgestattete Schrift zum fleißigen Studium empfelen.

Sprechsal für jedermann.

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Bitte um Auskunft. In einer Nummer dieses Jarganges las ich die freundliche Zuschrift eines Herrn J. Mart. aus Chicago  , über: ,, Ein Haus in Bewegung". Da ich nun annehme, daß Herr Mark die amerikanischen   Verhältnisse überhaupt genau kennt, so möchte ich anfragen, ob er so freundlich sein würde, in der N. W.   über die dor tigen Verhältnisse im Baufach, speziell für Maler Auskunft zu geben*). Ich habe Lust, nach Amerika   überzusiedeln; es ist mir jedoch in lezter Zeit von verschiedenen Seiten erzält worden, daß es für meinen Beruf dort fast schlechter stände als hier. C. Günther.

Allgemeinwissenschaftliche Auskunft.

Berlin  . H. W. Das, was Sie für törichte Berstümlung der Bäume halten, deren Verpflanzung Sie mit angesehen haben, ist warscheinlich die notwendige Bor bedingung für den Erfolg des Verpflanzens gewesen. Fast bei jedem Bersezen von Pflanzen ist eine Berlezung der Wurzeln, durch welche die Pflanze aus dem Boden ihre Narung zieht, nicht zu vermeiden, und beim Bersezen erwachsener Bäume geht es nicht ab one ein Abhauen oder Abreißen starter Wurzelteile. Der so verstümmelte Wurzel förper kann alsdann längere Zeit nicht in genügendem Maße seine Schuldigkeit als narung- insbesondere wasserzufürendes Organ tun und stärkt sich nur allmälich dann zu der alten Bolltätigkeit, wenn die Wurzelspizen wieder neue mit Wurzelharen versehene Stüde   gebildet haben oder wenn Seitenwurzeln entstanden sind. Man trägt nun ber mit Sicherheit vorauszusezenden Verminderung der Wurzeltätigkeit dadurch Rechnung, daß man dem zu versezenden Baume einen Teil seiner Aeste und damit einen entsprechen den Teil seines Narungsbedürfnisses nimt. In demselben Maße, in dem sich der Wurzel förper wieder zur alten Kraft entwidelt, entwideln sich dann aus einzelnen Knospen neue Zweige, welche die der verlorenen Aeste ersezen.

Barmen. Alter Abonnent S. In der Tat besteht in Berlin   eine technische Hochschule, deren Bildung durch Vereinigung der Gewerbeakademie und Bauakademie bereits 1876 beschlossene Sache war, wärend die Ausfürung dieses Beschlusses bis in den April 1879 auf sich warten ließ. Die technische Hochschule ist vollständig akademisch ein gerichtet. Die Leitung liegt in den Händen des Senates, der aus den fünf Vorstehern der Abteilungen( diese den Fakultäten" der Universitäten entsprechend), dem Syn ditus, fünf aus dem Lehrpersonal gewälten Senatoren und endlich dem Rektor bes Borjars besteht. Der ein Jar lang an der Spize des Senats und der Hochschule stehende Rektor wird von der Gesamtheit der ordentlichen Lehrer gewält. Die fünf Ab­teilungen sind 1) Architektur, 2) Bauingenieurwesen, 3) Maschineningenieurwesen, vors läufig mit Einschluß des Schiffsbaus, 4) Chemie und Heilkunde, 5) allgemeine Wissens schaften( besonders Matematik und Naturwissenschaften). Für Deutsche ist die Aufnahme bedingung der Befis eines Reifezeugnisses seitens eines deutschen Gymnasiums oder einer preußischen Real- oder Gewerbeschule mit neunjärigem Kursus und wenigstens zwei fremden Sprachen. Auch die ehemals polytechnischen Schulen in Hannover   und Aachen  sind in den Rang technischer Hochschulen erhoben worden.

*) Selbstverständlich wird sich auch jeder andere mit den bezüg lichen Verhältnissen in Amerika   Vertraute, wie unsere Leser zu Dank verpflichten, wenn er uns darüber seine Meinung mitteilt.

D. Red.

Inhalt. Im Kampf wider alle. Roman von Ferd. Stiller.( Forts.) Die Einfürung der warmen Getränke in Europa  . Kultur geschichtliche Stizze von H. S. Die Ueberzeugung. Von Dr. Richard Ernst. Auch ein Erziehungsinstitut. Eine münchner Blauderei von K. Der Marktplaz von Mérida.( Mit Illustration.) Literarische Umschau: J. Steiningers neueſter und verbesserter Bauernkalender. Eine Recht fertigung der Juden. Sprechsal für jedermann: Bitte um Auskunft.- Allgemeinwissenschaftliche Auskunft.

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Verantwortlicher Redakteur Bruno Geiser   in Stuttgart.  ( Neue Weinsteige 23.) Druck und Verlag von J. H. W. Dieß in Stuttgart  .

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Expedition: Ludwigstraße 26 in Stuttgart  .

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