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mit jungen Leuten haufiret, mit Gläsern ins Gesicht gestoßen, den Bart und Haar auf dem Haupt verderbet und geschändet, die Haut geschunden, und ungöttlich mit Fäusten Nasen und Mund beleidigt, und auf andere Art und Weise so zugerichtet, daß sie entweder ihre Gesundheit und Leben verloren, oder ihnen selbst Hand anzulegen oder den Studien zu valediciren sind be­wogen..." Manchmal kam es vor, daß sich der Neuling durch Zahlung einer größeren Geldsumme für einige Zeit wenigstens von derartiger Behandlung befreien konnte, oder daß er unter den Schoristen einen Beschützer fand, der ihm durch­half. So erzählt Schuppius im wohlunterrichteten Studenten' aus seiner eigenen Pennalzeit, es wären solche Pennalbuzer" zu ihm auf die Stube gekommen, eben da er in Camerarii horis subseciviis gelesen; da habe einer gesagt: Sehet, was das für ein hoffärtiger Pennal ist, daß er als bald in den großen Büchern lesen will. Du fleiner Pennal, verstehest Du, was Du liesest?"" Ich," sagt Schuppius, verstummite und machte eine tiefe Reverenz. Endlich kam einer zu mir und sagte mir in ein Ohr: Habt ihr Geld? Ich sagte: nein. Da antwortete er: So schickt den Camerarium auf den Weinkeller und lasset ein paar Viertel Wein hohlen, ich will euch gnädig davon helffen." Das war ein glückliches Ungefähr in dem allgemeinen Gräul! Aus einer Schrift der Universität Gießen entnehmen wir noch folgendes: Gelüstet einen solchen Maleferiatum und Pen­nal- Schinder etwas abschreiben zu lassen, so muß der Junior sich zu seinen Diensten gebrauchen lassen, hat er etwan etliche Gäste und Freunde bei sich, so muß der junge Mensch herbei und Aufwärter sein, hat er etwas zu bestellen, zu verrichten, oder auch wohl theils aus den umliegenden Dorfschaften hohlen zu lassen, das junge Blut muß ihm zur Hand gehen und sein Diener, Bote und Baculus   sein, hat er Lust zu spazieren, der Junior muß ihm nachtreten und sein Trabant sein, ist er voll und toll, so darf der Novitius von ihm nicht weichen noch wanken, sondern muß beständig bei ihm verbleiben...., ist er krank, die Juniores müssen per circulum( der Reihe nach) bei ihm auf warten, daß er ja nie allein sei, will er eine Musik hören, und der Junior ist darinnen geübet, so muß er sich einstellen und ein Spielmann sein, und sollte es auch eine ganze Nacht wehren, fället ihm sonsten etwas für, so läßt er den neuen Ankömmling herzufordern und sollte er auch krank darnieder und im Bett liegen, wäre es auch schon zu Mitternacht, muß er doch er­scheinen, balget oder rauset er sich, dieser muß ihm den Degen nachtragen. hat er Lust sein boßhafftiges Gemüth mit Schlagen zu erlustriren, so muß nach seinem verfluchten und durchteufelten Muthwillen der Junior die Schläge und Backen­streiche auffangen mit den allerschimpflichsten exagitationibus ( wörtlichen Beleidigungen) vorlieb nehmen und sich wie den aller­geringsten Hunds   Buben traktiren lassen...... und welches noch mehr: wann solche Plag- Hansen die allerunehrlichsten Stücke mit solchen jungen Leuten angetrieben haben, so müssen sie ihnen ein perpetuum silentium( ewiges Stillschweigen) darüber geloben und dörffen keinem Menschen, auch nicht der Academischen Obrig keit davon eröffnen, oder klagen, sonsten werden sie hiernächst nicht absolvirt, noch zu Studenten gemacht, und für solchem terriculamento( Schreckbild) erzittern sie also, daß sie ihnen eher die allerärgste und unbilligste Schmach und Dual noch zehen­mahl mehr anthun liessen, als daß sie etwas davon solten offen­bahren."

Wie es zu damaliger Zeit bei den allgemeinen Schmausereien und Zechgelagen der Nationen hergegangen, beschreibt uns der ehrliche Philander v. Sittewald( Moscherosch  ), der die Gräuel des dreißigjährigen Krieges und des Studentenlebens in Straß burg   selbst erfahren, in seinen satyrischen Geschichten folgender­maßen( Phil. v. Sittewald VI. Geschichte. Höllenkinder"):

" Indessen ersahe ich ein großes Zimmer, ein Contubernium, Musarum Studiolum, Bierstube, Weinschenke, Hurenhauß 2c. In Wahrheit kann ich nicht eigentlich sagen, waß es gewesen, denn alle diese Dinge sahe ich darinnen. Es wimmelte voller Studenten, die vornembste saßen an einer Taffel und soffen einander zu, daß sie die Augen verkehrten als gestochene Kälber....

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Einer bracht dem andern eines zu aus einer Schüssel, aus einem Schuh; der eine fraß Gläser, der ander trant auß einem ver­deckten Geschirr, darinn allerhand Speysen waren. Einer gab dem andern die Hand, fragten sich unter einander nach ihren Namen und versprachen sich ewige Freunde und Brüder zu sein, mit angehenkter dieser gewöhnlichen Clausel: Ich thue was dir lieb ist, ich meyde, was dir zuwider ist"; band je einer dem andern einen Nestel von seinen Ledderhosen an deß andern zer­fetztes Wammes... Der aber, dem ein anderer nicht Bescheyd thun wollte, stellte sich theils als unsinnig, und als ein Teuffel, sprang vor Zorn in alle Höhe und rauffte aus Begierte solchen Schimpf zu rechen sich die Haare auß, stießen einander die Gläser in das Gesichte, mit den Degen herauß und auff die Haut, ... biß hie und da einer niderfiele und ligen blibe

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Andere waren da, die mußten auffwarten, einschenken, Stein­knuppen, haarropffen außhalten, neben andern vielen caeremonien, da die andern auff diese saßen als Pferde oder Esel und eine Schüssel mit Wein auf ihnen außsoffen, etliche Bacchusliedlein dazu sangen, Bacchusmeßlasen: O vitrum gloriosum! Recipe mihi gratissimum! Solche Auffwarter wurden von den an­deren genand Bacchanten, Pennäl, Haußhanen, Spulwürme, Mutter­fälber, Säuglinge, quasimodogeniti, Junge Herren; welchen sie endlich bey Beschließen selber Caeremonien und Gesängs das Haar abschoren, als den Nonnen, so Profess thun wollen: Dannen hero diese Schoristen, Agirer, Pennalisirer heissen, die sich aber unter einander fröliche, freye, redliche, dapfere und herzhafte Studenten tituliren.

Andere sahe ich blinzelnd heraus schwärmen als ob es im finsteren were, trugen jeder einen blossen Degen in der Faust, hieben in die Steine, daß es. funckelte, schryen in die Lufft, daß es wehe in den Ohren thäte, stürmten mit Steinen, Brügeln und Knütteln nach dem Fenster, und: Herauß Pennal! herauß Feix! herauß Bech! herauß Delberger!" Da es dann bald an ein reissen und schmeissen, an ein rennen und lauffen, an ein hawen und stechen gienge, daß mir darob die Haare gen Berg stunden. Andere soffen einander zu auff Stuhl und Bänken, auf Disch und Boden, durch den Arm, ein Bein, den Kopff under sich, hinder sich und für sich. Andere lagen auff dem Boden und liessen sich einschütten als durch einen Trächter. Bald ging es über Thür und Offen, über Trinkgeschirr und Becher, und mit denselben zum Fenster hinauß, mit solcher Unsinnigkeit, daß mir grausete.

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Andere lagen da speyeten und koßten als die Hunde 2c. 2c." Welch traurigen Einfluß der dreißigjährige Krieg auf die Wissenschaften und deren Pflanzstätten, die deutschen Universitäten ausübte, ist bekannt. Dieselben verwilderten und verödeten, sie glichen oft mehr einem Kriegslager, als einer Hochschule, Pro­fessoren und Studenten nahmen selbst Kriegsdienste; militärische Gewohnheiten, Zügellosigkeit und Roheit rissen überall ein. Dies denn der zeigte sich auch in der Kleidung der Schoristen Pennal durfte sich, wie wir oben sahen, blos in den schlechtesten Lumpen zeigen, die nach damaliger Mode echt soldatisch war. Troz der ausdrücklichsten Verbote gegen das Waffentragen( die schon auf der Pariser Universität bestanden), führten sie einen Degen an der Seite, Feder auf dem Hute, Stiefeln und Sporen, Kragen, Schärpen und Koller; in der Hand trugen sie Stäbe und Spizhämmer, hinter den Ohren einen gekräuselten Zopf, am Leibe ein geschliztes Wamms.

Es war natürlich, daß die den übermütigen Schoristen, an und für sich innewohnende Rauflust durch das Beispiel, welches der Krieg bot, und durch die Ohnmacht der akademischen Be­hörden immer mehr Nahrung erhielt. Zwischen den Schoristen und den Soldaten der Besazungen sowie den Sicherheitswächtern waren Händel und Raufereien, nachts sogar förmliche Kämpfe nichts Seltenes, selbst noch lange nach dem 30jährigen Kriege. So sieht sich im Jahre 1670 der Rektor der Wittenberger   Uni­versität genötigt, ein Mandat gegen die nächtlichen Unruhen und Aufläufe, sowie die Angriffe auf die Besazung zu erlassen und die Teilnehmer mit dauernder Relegation( Entfernung) zu be drohen.