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der Encyklopädisten unter dem Volke fort und nach den wuch­tigen Schlägen, welche in unserm Jahrhundert Strauß und Feuerbach dem Dogmen- und Wunderglauben versezten und nach der erfolgreichen Popularisirung der Wissenschaft durch Vogt, Moleschott und Büchner war es kein Wunder, wenn sich der Welt ein skeptischer Geist bemäch= tigte und das Volk nach reellerer Speise verlangte, als sie die alters­schwache, in Zersezung übergegan­gene Kirche zu bieten vermochte. Dies der Grund der so raschen Ausbrei­tung des Darwinismus. Wenn wir nämlich bedenken, daß vom 17. Fe­bruar 1600 Giordano Bruno   ver brannt wurde warum? weil cr die heute allgemein anerkannte ko­pernikanische Lehre, daß sich die Erde um sich selbst und um die Sonne dreht, verherrlichte und an der unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria und an der Ver­wandlung von Brod und Wein in Fleisch und Blut Christi zweifelte! wenn wir bedenken, daß 100 Jahre nach Kopernikus Tode Galileo Ga­ lilei   vor der Inquisition   knieend dieselbe Lehre abschwören mußte*), so haben wir gewiß alle Ursache, uns darüber zu freuen, daß auch die Gedanken schnellfüßiger gewor­den sind in dem Jahrhundert des Dampfes und der Elektrizität. Denn erst 23 Jahre sind verflossen, seit­dem Darwins epochemachendes Werk über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl im Kampfe ums Dasein" erschienen ist, ein Werk, welches seinen Verfasser ebenbürtig an Kopernifus' Seite stellt und schon ist der Kern des Darwinismus das Gemeingut aller denkenden und ehrlichen Leute. Ich sage: der ehrlichen Leute, denn seit einigen Jahren macht sich in gewissen Kreisen eine auffallende Abneigung gegen die darwinistischen Lehren geltend, und es gibt Leute genug, welche, früher entschiedene Darwinianer, jezt gegen diese Welt­anschauung zu Felde ziehen, ohne daß jedoch in lezter Zeit ein wissen­schaftliches Argument dagegen bei­gebracht worden wäre.

Dieses Verläugnen für wahr gehaltener Lehren und Grundsäze von Seiten gewisser Leute datirt von der münchner Naturforscherver­sammlung im Jahre 1877, wo Virchow  **) sich nicht scheute, auf die gefährlichen Konsequenzen hin­zuweisen, welche der wissenschaftliche Radikalismus in den Köpfen des Voltes erzeugen könnte, und es wird

wohl nicht zu viel gesagt sein, wenn man Leute, welche Lehren und Grundsäze, die sie selbst in ihrem Innern für wahr halten

*) Galilei   soll, unmittelbar nachdem er sich aus seiner knieenden Stellung erhoben hatte, ausgerufen haben: Und sie bewegt sich doch! nämlich die Erde.

**) Virchow selbst ist Ateist und von der Wahrheit des Darwinismus so sest überzeugt wie Darwin   selbst.

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müssen, verleugnen, blos weil sie zu unliebsamen Konsequenzen führen, nicht grade chrlich nennt.

Durch den Kampf um's Dasein, der teils aus dem Miß­verhältnis der Menge von Lebewesen zu den Mitteln ihres Be­stehens, teils aus der für das Bestehen überhaupt folgenden

Notwendigkeit der Vernichtung von Lebewesen unter einander sich ergibt, werden hauptsächlich die unvorteilhaft ausgestatteten Wesen vernichtet. Da es vergebliche Mühe wäre, den in der Natur Herrschenden Kampf um's Dasein zu leugnen, so suchen die herrschenden Klassen denselben in das politische und soziale Leben hereinzuziehen und ihn für die wenig befriedigenden Zustände innerhalb der menschlichen Gesellschaft verantwortlich zu machen.