der Natur.

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Der Darwinismus lehrt: Das Bessere siegt über das Schlechte, das Vollkommene über das Unvollkommene, das Schöne über das Häßliche, das Vernünftige über das Unver­nünftige, der Geist über die rohe Gewalt, das Sittliche über das Unsittliche." Enthalten diese Säze auch nur den Schein einer Rechtfertigung der Mängel und Uebelstände, wie sie die heutige Gliederung der Gesellschaft mit sich gebracht hat und mit großer Energie erhält? Treffender kann dies Verhältnis nicht geschildert werden, als das Friedrich Albert Lange , der berühmte Philosoph, in seiner Geschichte des Materialismus tut: Ganz allmälich haben sich die Besizenden an einen reichen und mannigfachen Genuß verfeinerter Lebensfreuden gewöhnt. Kunst und Wissenschaft haben sich entfaltet. Die Sklavenarbeit der Proletarier schafft vielen fähigen Köpfen Muße und Mittel zu Forschungen, Erfindungen und Schöpfungen. Es scheint Pflicht, diese höheren Güter der Menschheit zu wahren und gern tröstet man sich mit dem Gedanken, daß sie einst ein Gemeingut aller sein werden. Inzwischen macht das schnelle Wachsen der Reich­tümer viele dieser Genüsse teilhaftig, deren Gemüt innerlich roh ist. Andere verwildern in sittlicher Beziehung, indem sie keine Aufmerksamkeit, keine Teilnahme mehr übrig behalten für etwas, das außerhalb des Kreises ihrer Vergnügungen liegt. Die lebhafteren Formen der Sympatie mit dem Leiden schwinden schon durch das gleichförmige Wohlleben der Bevorzugten. Diese fangen an, sich als besondere Wesen zu fassen. Ihre Diener sind ihnen wie Maschinen; die Unglücklichen sind ihnen eine unvermeidliche Staffage; sie haben für das Schicksal derselben tein Verständnis mehr. Mit dem Abreißen der sittlichen Bande erlischt die Scham, welche früher von allzuüppigen Genüssen zurückhielt. Die geistige Kraft erstickt im Wohlleben; das Prole­tariat allein bleibt roh, gedrückt, aber geistesfrisch.

In einem solchen Zustande war die alte Welt, als das

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Christentum und die Völkerwanderung ihrer Herrlichkeit ein Ende machten. Sie war zum Untergang reif geworden. Vielfach hat man schon den Zustand der Gegenwart mit dem der alten Welt vor ihrer Auflösung verglichen, und man wird nicht leugnen können, daß bedeutsame Analogien vor Augen liegen. Wir haben das übermäßige Wachstum des Reichtums, wir haben das Prole­tariat, wir haben den Zerfall der Sitten und der Religion; die Staatsformen der Gegenwart sind alle in ihrem Bestande bedroht und der Glaube an eine bevorstehende allgemeine und große Revolution ist weit verbreitet und tief eingewurzelt. Daneben befizt unsere Zeit aber auch gewaltige Heilmittel, und wenn die Stürme der Uebergangskrisis nicht alle Begriffe übersteigen, so ist es nicht wahrscheinlich, daß die Menschheit mit ihrer Geistes­arbeit noch einmal so von vorn anfangen muß, wie zu den Zeiten der Merowinger ."

Eins der wichtigsten Heilmittel liegt aber gerade in den Jdeen der auf die Wahrheiten des Darwinismus gegründeten monistischen oder einheitlichen Weltanschauung, so genannt im Gegensaz zu der alten dualistischen oder zwiespältigen Anschau­ung, welche endlich im Christentum zu ihrer höchsten Blüte ge­langte, und nach welcher die Natur aus zwei grundverschiedenen, gegensäzlichen Wesenheiten, einer natürlichen und einer über­natürlichen, besteht. Solange dieser Gegensaz zwischen Gott und Welt,"" Geist und Körper,"" Sinnlich und lebersinnlich," " Materiell und Immateriell" strifte festgehalten wurde, konnte die Menschheit in ihrer Entwicklung nicht vorwärts schreiten, sondern blieb festgebannt in den engen Grenzen, welche das Christentum ihnen gezogen hatte.

( Schluß folgt.)

Die Falasch a. Eine etnographische Skizze.

Die Getränke der Falascha sind T'alla( Bier) und T'etsch( Honigwein); lezteres wird nur von den Wohlhaben den für große Festlichkeiten bereitet. T'alla wird aus Dagusa, Maschelba, Sangada( türkische Kornarten) und Gerste hergestellt. Am liebsten nehmen sie mehrere Arten Frucht zusammen, die, nachdem sie gemahlen ist, zu Brodkuchen gebacken, mit etwas Wasser gerieben und aufgeweicht, mit keimender Gerste und Gescho( ramnus pauciflorus) vermischt und dem Gährungs­prozeß ausgesezt wird. Diese Mischung heißt T'eff- Teff. Sie wird in einem großen irdenen Krug aufbewahrt, der mit Kuh­mist und Lehm gut verschmiert ist. Von derselben kann man nach Belieben Bier bereiten, indem ein Teil mit 4 Teilen Wassers vermengt und in einem irdenen Kruge der Gährung aus gesezt wird. Nach zwei Tagen ist es ausgegohren, ziemlich tlar und berauschend. Es ist ein gesünderes Getränk als der Honigwein. Dieser wird bereitet, indem ein Teil Honig mit 6 Teilen Wassers vermengt und 6 Tage der Sonne ausgesezt wird. Der Honig löst sich im Wasser, während sich das Wachs oben im Kruge sammelt. Dieses wird Tags darauf sorgfältig entfernt und es werden geröstete Geschoblätter hinzugefügt. Der Krug wird nun mit einem Deckel bedeckt und mehrere Tage der Sonne ausgesezt. Sobald der süßliche Geschmack verschwun den ist, ist das Getränk fertig. Der Geschmack ist dem des Apfelmosts ähnlich.

Man kann behaupten, daß die Falascha unter der verschie= denartigsten Bevölkerung des weiten Habesch( Abyssinien) zu den betriebsamsten und gewerbfleißigsten Leuten ge­hören. Es gibt unter ihnen besonders Maurer, Zimmerleute,

( 2. Fortsezung.)

Schmiede, Weber, Ackersleute, seltener Kaufleute. Die Falascha­frauen sind fast die alleinigen Töpferinnen für alle Eingeborenen. Alles Geschirr wird von ihnen aus freier Hand bereitet, sie bringen es dann auf den Markt zum Verkauf. Sehr reiche Leute gibt es unter den Falascha nicht, aber viele bemittelte und wohlhabende, obgleich sie mit ihrem Verdienst nicht sehr haushälterisch umgehen, besonders an den Festtagen, an welchen sie, wie auch die abyssinischen Christen, essen und trinken so gut und viel als möglich.

Unter den Karaktereigenschaften der Falascha, welche im allgemeinen wenig besser sind, als die der Abyssinier über­haupt*), ragt besonders ihre Prozeßsucht hervor, welche übri­gens der Habgier der Beamten trefflich zu statten kommt. Wie manches Stück Geld, wie manche Kuh wandert bei ihren wettenartigen Prozessen zum Schum"( Richter), und es geht ihnen da häufig, wie jenem Wilden, der nach einem blutigen Kampf seinem Gegner den goldenen Ohrschmuck abgenommen hatte; als er sich aber damit schmücken wollte, ward er zu seinem Schrecken gewahr, daß er im Gefecht beide Ohren ver­loren hatte.

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Ehe wir auf das Familienleben der Falascha eingehen, müssen wir einen Blick werfen auf ihre Religion, welche bei allen familiären Beziehungen eine Hauptrolle spielt.

Der Kern der Falascha- Religion ist das alttestamentliche

*) Lieutenant Stumm bemerkt in seinem Buche über die Abyssinier: Wie man einen Tiger niemals zum Hund erziehen kann, so auch einen Abyssinier nie zu einem ordentlichen Menschen."

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