den Betrachtungen sind oder sein mögen. Doch können unsere verehrten Leser darüber und über noch manches andere damit in Zusammenhang stehende sich auf das genaueste unterrichten durch die Lektüre einer soeben erschienenen Schrift von Prof. Ludwig Büchner :„ Licht und Leben", der das Obige seinem wesentlichen Inhalte nach entnommen ist*). Nicht nur der Weltuntergang, sondern auch der Weltaufgang, nicht nur der Kreis lauf der Welten, sondern auch derjenige der Naturkräfte überhaupt, nicht nur das Leben im notwendigen Zusammenhang mit der Urquelle aller Kraft auf Erden oder mit dem Lichte der Sonne, sondern auch in seinen wunderbaren Beziehungen zu dem Gesez der Fortpflanzung oder Wiedererneuerung, endlich die großartige durch die moderne Naturforschung entdeckte Einheit und Einfachheit der Natur- und Lebenserscheinungen finden hier eine ebenso kenntnisreiche, wie gewandte und klare Dar stellung. Es ist in der Tat ein recht tröstlicher, bei der Lektüre eines solchen Buches fast mit Gewalt sich uns aufdrängender Gedanke, daß die vielen Rätsel des Daseins, von denen wir umgeben sind und die uns und andere so vieles Kopfzerbrechen verursachen, durch die großartigen Fortschritte der Wissenschaft in immer einfacherer und flarerer Gestalt vor uns hintreten,
*) Licht und Leben. Drei allgemeinverständliche naturwissenschaftliche Vorträge als Beiträge zur Teorie der natürlichen Weltordnung, von Prof. Dr. L. Büchner( Verf. von„ Kraft und Stoff“). Leipzig , Th. Thomas, 1882.
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und daß die Nebel, welche die Sonne der Erkenntnis so lange verhüllt haben, immer mehr zu schwinden beginnen. Der lezte Blick hinter das verschleierte Bild von Sars oder hinter das Geheimnis der Geheimnisse wird uns freilich der Dürftigkeit unserer Erkenntnismittel wegen immer versagt oder die Frage nach dem Warum? des Daseins immer ungelöst bleiben; aber ist es nicht eine herrliche Aufgabe für den menschlichen Geist, dem Kern des Rätsels wenigstens so nahe als möglich gekommen zu sein? Wo die Wissenschaft triumphirt, da triumphirt auch das Banner der Freiheit und der Wohlfart; wo Kenntnisse und Bildung herrschen, da ist kein Plaz für Aberglauben oder Rohheit; wo der Geist gebietet, da weichen die gefährlichen Mächte der Finsternis und des Vorurteils. Mit dem berühmten Goetheschen Wort„ Mehr Licht" schließt der Verfasser des erwähnten Buches den ersten seiner Aufsäze über den Einfluß der Sonne und des Sonnenlichtes auf das Leben. Das Wort ist zwar, seitdem es der große Dichter aussprach, fast mehr mißbraucht, als richtig gebraucht worden, aber dennoch schließen die zwei Worte alles ein, was unsere Zeit zu ihrer geistigen, wie materiellen Erhebung und Wohlfahrt bedarf. Ob uns ewiger Untergang oder ewiges Leben erwartet, kann uns oder dem einzelnen dabei gleichgültig sein; immer werden wir uns sagen müssen, daß dieses das Zeichen ist, in dem wir siegen werden!
Dr. A. 3.
Gibt es Gespenster? Von Dr. Richard Ernst.
Der geschäzte Leser ist wohl nicht wenig frappirt über diese Titelfrage, welche heutzutage höchstens noch in Spinnstuben oder am Waschzuber ernsthaft ventilirt wird, während er als gebildeter und aufgeklärter Mann längst weiß, daß Gespenster ins Reich der Fabel zu verweisen seien. Wie wird er erst die Hände über den Kopf zusammenschlagen, wenn wir behaupten, daß man den armen Gespenstern bitteres Unrecht tut, wenn man ihnen jede Existenzberechtigung abspricht und sie lediglich zu wesenlosen Geschöpfen einer törichten Phantasie stempelt!- Wir wollen uns näher erklären.
Wir sehen mit dem Auge, hören mit dem Ohr u. s. w. Das sind einfache, jedermann geläufige Säze. Und doch! so ganz einfach ist der Prozeß der Sinnesempfindungen nicht. Wir sehen mit dem Auge, d. H. die äußern Gegenstände affiziren den Sehnerv je nach ihrer Form und Farbe in eigentümlicher Weise, dadurch entstehen im Gehirn die Einzelbilder der Dinge, welche sich dem Bewußtsein einprägen. Sobald der Sehnerv in irgend einer Weise affizirt ist, schließt darum das Bewußt sein auf den entsprechenden Gegenstand als äußerliche Ursache des betreffenden Sinneseindrucks. In der Regel ist dieser Schluß auch ganz richtig. Wenn der Sehnerv den Eindruck eines Apfelbaums empfängt, so ist auch im Bereich seines Gesichtskreises ein Apfelbaum vorhanden, welcher den Eindruck hervorgebracht hat.
Die Bestätigung können die übrigen Sinne geben, insbesondere der Tastsinn; denn da, wo mein Aug den Apfelbaum erblickt, werden meine Finger ihn fühlen.
Gesezt nun aber, daß es Fälle geben kann, wo der Sehnerv den Eindruck eines Apfelbaums empfängt, ohne daß dieser Eindruck von einem äußerlich vorhandenen Apfelbaum herrührt, so wird dennoch das Bewußtsein so lange an einen wirklichen
Apfelbaum als Ursache des empfangenen Gesichtseindrucks glauben,
bis es sich vom Gegenteil überzeugt hat.
Es fragt sich nun: Kann dieser Fall auch tatsächlich eintreten? Kann es vorkommen, daß das Auge den Eindruck eines Gegenstands empfängt, ohne daß dieser Eindruck von dem entsprechenden Gegenstand herrührt? Daß bei andern Sinnen derartiges vorkommt, davon hat man täglich Beispiele. Wer kennt
nicht das Klingen in den Ohren, das oft gerade so empfunden wird, als ob es von einer Glocke herrühren würde. In der Tat wird man zuweilen einige Augenblicke getäuscht, bis man sich überzeugt, daß die Ursache dieses Klingens lediglich eine innerliche ist, indem der Gehörnerv( nervus acusticus) durch physiologische Vorgänge in derselben Weise affizirt wird, wie wenn die durch ein Glöckchen bewegten Schallwellen das Trom melfell treffen.
Das Bewußtsein schließt, wie bereits bemerkt, gewohnters maßen von den Sinneseindrücken auf entsprechende Gegenstände als deren Ursache und kann sich in Fällen, wo der Eindruck nicht von außen herrührt, nur sehr schwer in die Vorstellung finden, daß der betreffende Sinnenreiz lediglich eine subjektive Ursache hat. In eklatanter Weise zeigt dies folgender Versuch. Man lege den Mittelfinger der rechten Hand so über den Zeigfinger, daß sich die Fingerspizen kreuzen. Hierauf versuche man, eine Erbse oder ein erbsengroßes Brodkügelchen zwischen den beiden gekreuzten Fingerspizen auf dem Tisch herumzurollen. Wer diesen Versuch richtig anstellt, wird darauf schwören mögen, daß c zwei Erbsen oder Brodkügelchen unter den Fingern habe. Man wiederhole den Versuch und jedesmal wird man troz des Augen scheins deutlich in den Fingern fühlen, daß es zwei sein müſſen, die sogar ziemlich weit von einander liegen. Es rührt dies einfach daher, daß in der gewöhnlichen Fingerlage der gleich zeitige Reiz der Tastnerven an den betreffenden Stellen der beiden Finger nur von zwei Kügelchen hervorgebracht werden kann. Das Bewußtsein aber, oder was dasselbe ist, das Ges hirn, hält fest an der gewohnten Interpretation der Sinnes
eindrücke.
Das Klingen der Dhren zeigt uns einen rein subjektiven Reiz des Gehörsinns. Nicht minder häufig sind subjektive Reize des Geschmacksinns, indem wir einen eigentümlichen Gefchmad auf der Zunge oder im Gaumen fühlen, ohne daß wir die Speise, welche diesen Geschmack in der Regel erzeugt, genossen hätten. Daß aber auch beim Gesichtsfinn Aehnliches vorkommt, zeigt der Umstand, daß durch einen kräftigen Faustschlag aufs Auge eine Lichtempfindung erzeugt wird. Daher die Nebensart roher